Gespräch am Kriegerdenkmal

Unter dem Motto „Mitten unter uns“ findet vom 20. April bis 8. Mai in Hamburg Mitte wieder die „Woche des Gedenkens“statt. In diesem Rahmen wird es am Kriegerdenkmal an der Emmauskirche ein Künstler:innengespräch mit Vera Drebusch und Reto Buser geben, die zur Zeit eine „künstlerisch-kritische Kommentierung“ des Denkmals umsetzen

Achsendrehung

Vor einigen Wochen wurde das Kriegerdenkmal um 90 Grad gedreht, so dass es jetzt – als Stellvertreter:in des Nationalsozialismus – drei seiner Opfer direkt anschaut:

Von 1936 bis 1938 schaute Hans Leipelt von seinem Wohnhaus auf das Kriegerdenkmal. Was hat das wohl für einen Eindruck hinterlassen? Diese räumliche Beziehung, die das Kriegerdenkmal mit den Stolpersteinen von Hans Leipelt, Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose”, und zwei weiteren Familienangehörigen verbindet, soll verdeutlicht werden. Dabei entschärft sich die Achse Mannesallee – Kriegerdenkmal – Kirche ein wenig, und eine neue Beziehung wird hervorgehoben: Der Macht wird Widerstand entgegengesetzt (WIR 4/23).

Worum es bei dem Denkmal wirklich ging

Drei aufgestellte Gewehre dominieren den von 2019 bis 2023 verhüllten Gedenkstein, eingerahmt von Totenkreuzen, über die Stahlhelme gestülpt sind. Darunter sieht man eine abgebrochene Eiche, die neue Zweige austreibtu als Symbol „für ein wiedererstarkendes deutsches Volk“. Über diesem Motiv sind die Daten 1914 – 1918 (später hinzugefügt 1939 – 1945) eingemeißelt. Ganz unten ist folgender Spruch zu lesen: „Den für Volk und Vaterland Gefallenen zur Ehre und im Glauben an die deutsche Zukunft“. Die Machtergreifung der Nazis im März 1933 und die folgende Gleichschaltung sollten zeigen, worum es bei dem Denkmal wirklich ging: um Nationalismus, Militarismus und Verherrlichung des Krieges. Die auf dem Stein beschworene deutsche Zukunft war Adolf Hitler, der vier Monate nach der Einweihung des Denkmals die Macht ergriff und den Zweiten Weltkrieg entfesselte, dem über 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Die DenkMal-Gruppe

Das Denkmal wurde im Zuge des Neubaus von Gemeindezentrum, Kita und Gestaltung der Außenanlage rund um die Emmauskirche versetzt, rückte damit aus der Vergessenheit wieder in den Fokus direkt an die Mannesallee und wurde prompt nach der Versetzung mit dem Schlachtruf: „Kein Gedenken den Faschisten – Nazi-Dreck.” besprüht. 
Die zu diesem Zeitpunkt von der DenkMal-Gruppe angestoßene Frage, wie dieses Kriegerdenkmal mit seiner nationalistischen und militaristischen Botschaft mit dem heutigen kritischen Blick „verwandelt“ werden kann, wurde in einem Wettbewerb entschieden.

Gespräch und Stolpersteinrundgang

Schwarz-weiß-Titelbild der Geschitswerkstatt Wilhelmsburg. Titel: Stolpersteinrundgang. Untertitel: Auf den Spuren der Opfer des Nationalsozialismus in Wilhelmsburg

Das Künstlerduo Vera Drebusch und Reto Buser, die den Wettbewerb um die „künstlerische Kommentierung“ des Denkmals gewonnen haben, und die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen laden am 6. Mai zum Gespräch direkt vor Ort ein und informieren über die nächsten Schritte der Intervention. Einer dieser Schritte ist eine direkt sichtbare Verbindung zu den Opfern des Nationalsozialismus, zu den Stolpersteinen der Familie Leipelt, nur eine Straßenbreite entfernt von dem Denkmal mit seiner militaristischen Botschaft.
Im Anschluss an das Gespräch findet um 16 Uhr wieder ein Stolpersteinrundgang mit der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen statt. Der Rundgang führt zu den Stolpersteinen vor Häusern rund um den Stübenplatz, in denen Opfer des Faschismus gewohnt hatten. Wir erinnern an die Schicksale jüdischer Nachbarn und politisch Verfolgter, die von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager deportiert wurden. Der Rundgang endet auf dem Stübenplatz. 

Künstler:innengespräch mit Vera Drebusch und Reto Buser und der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg 
Sonnabend, 6. Mai, 15 – 16 Uhr
Am gedrehten Kriegerdenkmal hinter der Emmauskirche,
Mannesallee 20
21107 Hamburg

Stolpersteinrundgang
Auf den Spuren der Opfer des Nationalsozialismus in Wilhelmsburg 
Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg 
Musik: Ulrich Kodjo Wendt 
Lesungen: Lutz Cassel 

Sonnabend, 6. Mai, 16 – 17 Uhr
Treffpunkt: Am gedrehten Kriegerdenkmal hinter der Emmauskirche,
Mannesallee 20
21107 Hamburg
www.geschichtswerkstatt-wilhelmsburg.de

Keine Voranmeldung erforderlich. Der Rundgang ist kostenfrei.

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