10 Jahre Großbaustelle Wilhelmsburg

Für die nächsten 10 bis 15 Jahre werden die Elbinseln ebenso wie Gesamt-Hamburg zur Großbaustelle und so zum Nadelöhr. Die Bürgerinitiative Engagierte Wilhelmsburger hat nun eine Übersichtskarte gestaltet. Sie liegt überall im Stadtteil aus

Karte von Wilhelmsburg, auf der mit roten Sternchen die kommenden Baustellen der nächsten Jahre eingezeichnet sind; mit kurzen, erklärenden Texten
Seite 1 der Baustellenkarte. Abb.: Engagierte Wilhelmsburger. Gestaltung/Grafik: R. Stein

Dirk Holm/Engagierte Wilhelmsburger. Für die nächsten 10 bis 15 Jahre wird Wilhelmsburg zur Großbaustelle und so zum Nadelöhr. Viele für Hamburg lebenswichtige Verkehrsachsen führen über die Inseln: die Autobahn A1, die Wilhelmsburger Reichsstraße B75, fast der gesamte Nord-Süd-Personen- und Warenverkehr der Deutschen Bahn von und zum Hafen sowie der gesamte S-Bahn-Verkehr und die Busverbindungen in den Raum südlich der Elbe und in die innere Stadt.

Die DIN A3-Karte in einer Auflage von 2.000 Stück soll Bürger:innen, Verwaltung und nicht zuletzt den politisch Verantwortlichen deutlich machen, was demnächst auf sie zukommt. Nämlich ein Chaos, das nicht nur die Elbinseln, sondern ganz Hamburg betreffen wird. Mehrere Großprojekte sollen zum Teil über Jahre hinweg zeitgleich umgesetzt werden. Das betrifft z. B. den Neubau der A1-Brücken über die Norder- und die Süderelbe, den Neubau der DB- und S-Bahnbrücken an der Veddel sowie über die Süderelbe, den Bau der A26-Ost, sofern er nicht verhindert werden kann, umfangreiche Bauten von Wohnquartieren für rund 15.000 Neubürger:innen, plus die dazugehörige Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten und vieles mehr.

Offenbar haben die Verantwortlichen nicht auf dem Schirm, dass dadurch der gesamte Verkehr auf Straßen und Schienen von und nach Hamburg massiv behindert, bzw. zum Erliegen kommen wird. Und das über längere Zeit. Eine Koordination der Bauabläufe ist unseres Wissens nach nicht vorgesehen. Jede:r Bauträger:in hat nur sein:ihr eigenes Projekt vor Augen. Dabei werden sich die Bauprojekte gegenseitig behindern. Alles Material muss per LKW an- und abgefahren werden. Allein geschätzte 675.000 Kubikmeter Aushub für den Tunnel der geplanten A26-Ost. Das entspricht etwa 17.000 LKW-Ladungen.

Für den Bau der Bahnbrücken über die Süderelbe werden Flächen beidseitig der Bahnstrecken und auf beiden Seiten der Süderelbe geräumt werden. Der Bauherr benötigt Platz, um die Brückenelemente vor Ort zusammenbauen zu können. Auch sie sollen per LKW angeliefert werden. Dafür müssen unter anderem der DLRG-Stützpunkt und die Deichwacht weichen. Aber wohin? Gerade die Deichwacht musste jahrelang um einen neuen (diesen) Standort kämpfen. Bei all den Planungen scheint niemand darüber nachzudenken, was im Falle einer Sturmflut geschieht. Wie soll unter solchen Umständen die Bevölkerung evakuiert und versorgt werden?

Nicht zuletzt sind massive Umweltbelastungen und -zerstörungen zu befürchten. Durch die Bauarbeiten selbst und die dafür notwendige Logistik. Naherholungsgebiete und Naturschutzgebiete werden geschädigt. Der Wilde Wald im Reiherstiegviertel soll weitgehend gerodet werden. Viel heute noch freie Natur wird durch den Wohnungsbau versiegelt. Es ist flächendeckend mit starkem Lärm und erheblichen Staubbelastungen zu rechnen. Ganz zu schweigen von Erschütterungen des puddingweichen Marschbodens. Bereits die „Pfahlprobebelastungsbohrungen“ der DEGES im Rahmen der Bauvorbereitungen der A26-Ost, haben zu Bodenbewegungen und Beschädigungen anliegender Wohnhäuser geführt.

Auch die Deiche sind in Gefahr. Die Deichsicherheit ist ein jahrhundertealtes Dauerthema. Die Deiche sind laufend erhöht worden. Sie müssen ständig kontrolliert und gepflegt werden, damit sich ein Unglück wie 1962 nicht wiederholt. Es gibt auch einen direkten Zusammenhang zwischen der Deichsicherheit und der Wasserwirtschaft auf den Elbinseln. Niemand kann vorhersagen was geschieht, falls die Baugrube für den geplanten Autobahntunnel in Kirchdorf-Süd ausgehoben wird. Sicher ist aber, dass dies zu massiven Eingriffen in den Wasserhaushalt führen würde und dadurch den Deich bedrohen könnte. Zwei entscheidende Wettern, die für die Entwässerung der Insel existenziell sind, wären direkt betroffen. Sie sollen verlegt werden. Überdies wäre die Baugrube nur rund 600 Meter Luftlinie vom Deich der Süderelbe entfernt. Es fragt sich, welche Auswirkungen die Grabungen auf die Standfestigkeit des Süderelbedeiches hätten. Und so weiter und so fort.

All diesen Hinweisen, Fragen und Befürchtungen müssten sich eigentlich die Verantwortlichen stellen. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Denn Antworten gibt es bislang keine. Es wird allerhöchste Zeit, sich damit auseinanderzusetzen!

Die Karte als .pdf zum Herunterladen:
Großbaustelle Seite 1
Großbaustelle Seite 2

Die Rückseite der Karte, auf der ein Text die Bauvorhaben erklärt.
Seite 2 der Baustellenkarte. Abb.: Engagierte Wilhelmsburger. Gestaltung/Grafik: R. Stein

4 Gedanken zu “10 Jahre Großbaustelle Wilhelmsburg

  1. Guten Tag,
    auf Ihrer Baustellenkarte stehen bei Baubeginn ganz viele Fragezeichen. Für mich ist das eine Spur Dramatisierung bzw. Skandalisierung. Für mich stellt sich eher die Frage, warum dauert das solange? soll die Infrastruktur nicht erhalten werden? Soll der Bahnverkehr nicht ausgebaut werden? Soll das Radwegenetz nicht ausgeweitet werden? Auf ihrer Karte befindet sich auch das neue Korallusviertel. Das sollte bereits 2013 fertig sein. Der Skandal ist nicht die Baustelle, sondern dass das Projekt zum Spekulationsobjekt umgewandelt wurde. Also Baustelle komm her. Was Bürgerbeteiligung betrifft, gebe ich ihnen Recht, aber verhindert eine Bürgerbeteiligung das Klagerecht eines vermeintlich Betroffenen? Nein. Alles spricht von Entbürokratisierung, aber wir bauen noch ein paar Hürden auf. Die Projekte werden Jahrzehnte brauchen, wenn sie denn jemals realisiert werden.
    Es muss Schluss sein mit dieser wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass Politik.

    mit freundlichen Grüßen
    Hans-Georg Klein

  2. Hallo ,besteht eventuell die Möglichkeit die Baustellenkarte zu verlinken bzw zu veröffentlichen ?
    bisher hab ich keines der ausgelegten Exemplare entdecken können.

    lieben Dank

    1. Liebe*r E. Braune, da hat sich ein technischer Fehler eingeschlichen, den wir nun behoben haben, so dass Sie die Karte nun hoffentlich sehen können. Vielen Dank für den Hinweis und bitte entschuldigen Sie.
      Herzliche Grüße, Ihre WIR-Redaktion

    2. Liebe Leser:innen,
      die Baustellenkarte steht nun auch als .pdf zum Download bereit. (Der Link befindet sich am Textende.)
      Herzliche Grüße aus der Redaktion!

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