Auf einer bunten Veranstaltung im Lippmannsaal der Finanzbehörde wurde den Zinnwerken der diesjährige mit 20.000 Euro dotierte Max-Brauer-Preis verliehen
Festliche Versammlung bei der Verleihung des Max-Brauer-Preises im Lippmannsaal der Finanzbehörde. Martha Starke und Marco Reyes-Loredo vom Vorstand des Zinnwerke e. V. strahlten. „Welch eine Ehre! Stellvertretend für all die ,Zinnis’ freue ich mich über diese Auszeichnung”, sagte Marco Reyes-Loredo.
Die „Zinnis” hatten sich etwas Besonderes ausgedacht
Die „Zinnis” hatten sich für die Feier in dem ehrwürdigen Saal etwas Besonderes ausgedacht: Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Linde Apel vom Preiskuratorium wurden die Vorhänge zum Seitenbereich des Saales aufgezogen und es kamen Stände verschiedener Projekte und Unternehmen zum Vorschein, die in den Zinnwerken aktiv sind. Eine knappe halbe Stunde lang konnten sich die Besucher*innen selbst ein kleines Bild davon machen, was alles in den Zinnwerken läuft und diese besonders macht: Die Biogasinitiative hatte einen Infotisch, an einem Stand gab es Häppchen, an einem anderen Schnäpse, und am Stand der Fahrradselbsthilfe „Fix und Fertig” konnte Matthias Lintl, ehemaliger Betreiber der „Soul Kitchen” am Veringkanal, am Rande der Veranstaltung gleich seinen Fahrradreifen reparieren lassen.
Widerstände und kreative Lösungen – kurze Geschichte der Zinnwerke
Im anschließenden Podiumsgespräch blickten Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer und die ehemalige Leiterin der Wilhelmsburger Geschichtswerkstatt, Margret Markert, auf die Geschichte der Zinnwerke zurück. Es gab, so Margret Markert, sozusagen drei Phasen der Entwicklung: Am Anfang, 2011, stand die Anmietung der leerstehenden Hallen der ehemaligen Zinnwerke durch Marco Reyes-Loredo für seine Film-Firma „Hirn und Wanst“.
2013, nach zwei Jahren, hatten schon über 20 Kreative ihre Arbeitsplätze in der alten Fabrik, der Film „Die Wilde 13″ wurde gedreht, die Zinnwerke waren ein Teil des Kulturlebens auf der Elbinsel geworden. Entsprechend groß – und erfolgreich – war der Protest gegen den Plan des Senats, die Hallen abzureißen und auf dem Gelände ein großes Lager für den Fundus der Staatsoper zu bauen.
2019 – inzwischen arbeiteten hier an die 80 Menschen, Künstler*innen und soziale Initiativen – beauftragte die Bezirksversammlung an den “Zinnis” vorbei die städtische Firma „Hamburg Kreativ Gesellschaft”, ein dauerhaftes Nutzungskonzept für die Zinnwerke zu entwickeln. Das Ergebnis entsprach nicht den Vorstellungen der Mieter*innen. Sie fühlten sich übergangen. Nach vielen Verhandlungen, Workshops und Aktionen gelang es den Zinnwerken, ihr eigenes Konzept, wie es heute besteht, durchzusetzen. Dafür musste eine neue Trägerstruktur gefunden werden. Bis dahin vertrat die Firma „Hirn und Wanst” die Interessen der „Zinnis”. Die Mieter*innen schlossen sich zum Nutzer*innenverein Zinnwerke e.V. zusammen. Der Verein mit Marco Reyes-Loredo und Martha Starke im Vorstand ist seither der Träger.
Aktuell schwelt ein Konflikt mit dem Bezirksamt über ein zentrales Zinnwerke-Projekt, den FlohZinn: Die monatliche Veranstaltung mit Live-Musik, Ausstellungen und Flohmarktständen ist über Wilhelmsburg hinaus schon lange eine viel besuchte und auf der Hamburg Tourismus-Seite als Top-Event beworbene Veranstaltung geworden. Nach coronabedingter Pause war es 2022 gerade erst wieder richtig losgegangen. Aber nun haben die Behörden in diesem Sommer den Markt vorläufig ausgebremst. Fast zehn Jahre lief der FlohZinn an jedem ersten Sonntag im Monat unbeanstandet als Kulturveranstaltung. Aber auf einmal legt das Bezirksamt, warum auch immer, die behördlichen Vorschriften enger aus: Der FlohZinn darf als sonntäglicher Flohmarkt nur noch viermal im Jahr stattfinden und das vierte Mal war in diesem Jahr im Juni. Sie hoffe, dass die „Zinnis” auch auch gegen diese und alle zukünftigen Widrigkeiten durchhalten, meinte Margret Markert zum Schluss. Und Bezirksamtsleiter Neubauer machte den Zinnwerken leise Hoffnung: Man müsse eine kreative Lösung finden und den Flohzinn so gestalten, dass er nicht mehr unter diese Behördenverordnung falle. (Der WIR berichtete regelmäßig über die Entwicklung der Zinnwerke. Alle Artikel finden sich im WIR-Archiv ganz unten auf der Startseite.)
Wo andere Probleme sehen
Bei der abschließenden Preisverleihung lobte Jens Jeep, Vorsitzender des Kuratoriums, die Zinnwerke als „Hort und Heimat für Menschen, Selbstständige, Unternehmen, Aktivist*innen, NGOs, Künstler*innen, Kreativschaffende und gemeinwohlorientierte Projekte und Initiativen” In der Preisbegründung heißt es weiter: „Wo andere Probleme sehen, erkennen sie die Chancen … Die Zinnwerke [sind] wichtiger Vermittler für die Entwicklungen am Kulturkanal, lebendiger Freiraum und Treffpunkt für unterschiedlichste Bewohnerschaften Wilhelmsburgs und Hamburgs und werden getragen von bürgerschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement – ohne finanzielle Unterstützung der Stadt.”
Die Veddeler Musikerin Derya Yildirim, die inzwischen in Berlin lebt, begleitete den Abend mit Liedern zur Saz: „Ich freue mich, dass es Orte wie die Zinnwerke gibt”, sagte sie, „wo eine Arbeit gemacht wird, mit der wir die Gesellschaft positiv verändern können.”