„Wettkampf steht nicht an erster Stelle“

Die SG Wilhelmsburg spielt mit einem Team in der ersten inklusiven Handballliga Deutschlands. Am 10. September 2022 stellt sich das Team an einem Open-Air-Handballtag im Stadtteil vor. Denn die Mannschaft sucht noch Spieler:innen mit und ohne Handicap

Anlässlich dieses Handballtages haben WIR ein Interview mit Trainerin Stephanie Michels geführt. Michels ist gemeinsam mit Lina Peters und Jens Krüger im Trainerteam des Inklusionsteams der SG Wilhelmsburg. Sie hat mit 12 Jahren in ihrer Schulsportmannschaft mit dem Handballspielen begonnen und spielt bis heute.
Die Fragen für den WIR stellte unsere Gastautorin Andrea Maestro.
Sie ist Journalistin und selbst Mitglied der SG Wilhelmsburg.

Stephanie Michels ist eine der Trainer:innen der Handball-Inklusionsmannschaft der SG Wilhelmsburg. Foto: Miguel Ferraz

WIR: Stephi, Handball ohne Wettkampf, geht das?

Stephanie Michels: Ja! Bei uns im Inklusionsteam der SG Wilhelmsburg steht der Wettkampf überhaupt nicht an erster Stelle. Wir wollen Spaß haben und gemeinsam Handball spielen. Als Trainerteam wollen wir die Spieler:innen mit und ohne Handicap dazu motivieren, etwas zu leisten, von dem sie gar nicht wussten, dass sie es können.

Ist das nicht langweilig, wenn es gar nicht ums Gewinnen geht?

Gewinnen möchte die Mannschaft natürlich trotzdem. Wir spielen in der Freiwurf-Liga, der ersten inklusiven Liga Deutschlands. Fünf Teams aus Hamburg sind dabei. Klar ist es schön, da zu gewinnen, aber die Spieler:innen freuen sich auch, wenn sie ein Spiel verloren haben und sie einfach Spaß am Handball hatten.

Und gibt es dann auch Punkte und einen Meister?

Ja, wir sind ganz normaler Teil des Hamburger Handballverbands, haben Ligaspiele und bekommen Punkte. Auf dem Papier gibt es einen Meister und früher wurde die Mannschaft auch mit einem Pokal geehrt. Das machen wir aber nicht mehr. Es geht ums Dabeisein.

Wie würdest du das SGW-Team beschreiben?

Kreuz und quer, jung bis älter, Männlein, Weiblein und die Handicaps sind auch unterschiedlich. Wir haben bisher nicht viele stark körperlich eingeschränkte Spieler:innen. Der einzige ist Tim, der im Rollstuhl sitzt.

Beim Handball stehen Abwehrspieler:innen in einem Halbkreis und verteidigen den Torraum. Die angreifende Mannschaft muss irgendwie da durch, um frei aufs Tor zu werfen. Wie funktioniert das für jemanden im Rollstuhl?

Der Spieler muss da gar nicht zwischen den Fußgänger:innen durch. Da wäre die Verletzungsgefahr viel zu groß. Sobald jemand im Rollstuhl dabei ist, wird eine sogenannte Rollstuhllinie eingeführt. Bei uns spielt Tim auf der Außenposition und sein Gegenpart setzt sich dann auch in einen Rollstuhl. Er spielt dann ganz genauso Handball wie alle anderen auch. Und wir Trainer:innen gehen auf die jeweiligen Behinderungen ein.

Es spielen ja auch Menschen ohne Handicap mit. Wie ist gewährleistet, dass die nicht einfach alle Tore werfen?

Da gibt es eine Richtlinie von der Freiwurf-Liga: Pro Spiel darf jede Spieler:in nur vier Tore werfen. So stehen alle Spieler:innen mal im Vordergrund. Sonst wäre es auch zu einseitig. Das kennt man ja auch aus Jugendmannschaften, die ein großes Talent haben und bei denen alle anderen dann Statist:innen sind.

Wie sieht das Training bei euch aus, damit Menschen mit geistiger, körperlicher und ohne Behinderung gemeinsam lernen können?

Ganz normal! Natürlich machen wir ein paar mehr Wiederholungen im Inklusionsteam, aber die Übungen sind ähnlich. Es ist für uns als Trainerteam immer schön zu sehen, dass sich die Spieler:innen auch gegenseitig unterstützen, wenn jemand etwas nicht verstanden hat.

Was für Übungen sind das?

Oft machen wir Kraftübungen, weil ich das so gerne mache. Und es gehört auch einfach dazu, dass wir die Sehnen und Muskeln kräftigen. Aber ansonsten werfen wir viel aufs Tor, prellen, bewegen uns mit dem Ball und lernen nebenbei auch die Handballregeln. Alle freuen sich natürlich wie Hulle, wenn sie dann das Tor treffen, aber auch wenn unser Torwart Tobi hält.

Warum macht ihr am 10. September eine Open-Air-Veranstaltung im Inselpark?

Wir suchen neue Mitspieler:innen mit und ohne Handicap ab 14 Jahren und Menschen, die unser Trainerteam komplettieren wollen. Deshalb wollen wir uns bei diesem Unified Sportfest unter dem Dach der Special Olympics präsentieren.

Was habt ihr für den Tag geplant?

Wir bauen mehrere Stationen auf, um zu zeigen, was beim Handball alles gemacht wird: eine Torwand, Stationen an denen man prellen üben kann oder auch Slalomhütchen. Los geht es um 10 Uhr.

Und können euch Leute aus dem Stadtteil auch mal bei Heimspielen anfeuern?

Natürlich! Wenn wir spielen, sind Zuschauer:innen sehr willkommen. Das geht ja jetzt so langsam endlich wieder. Unser nächstes Heimspiel ist am 2. Oktober um 14 Uhr in der Halle I in der Dratelnstraße gegen den SV Eidelstedt. Inklusions-Handball gibt es an dem Tag ab 12 Uhr in der Halle. Aber auch beim Training kann man gern zuschauen. Viele Menschen trauen sich nicht, gleich selbst mitzumachen. Bei uns ist jede:r willkommen.

Open-Air-Handballtag – Unified Sportfest der Inklusionsmannschaft der SG Wilhelmsburg

WANN: 10. September 2022
UHRZEIT: 10 bis 14 Uhr
WO: Wilhelmsburger Inselpark

Training: Jeden Sonnabend von 11 bis 13 Uhr im SBZ, dem Sprach- und Bewegungszentrum am Rothenhäuser Damm 40

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