Alle Parteien sind sich einig: Wilhelmsburg braucht eine ganzjährig geöffnete Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose Menschen und die Trinkerszene. Aber sie arbeiten gegeneinander
Die Fraktion DIE LINKE im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel bat in der Sitzung des Regionalausschusses am 21. Februar 2023 um Zustimmung zu folgenden Forderungen:
„Der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel empfiehlt der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zu beschließen, der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (BAGSFI) zu empfehlen:
1. im Stadtteil Wilhelmsburg eine ganzjährig geöffnete Tagesaufenthaltsstätte mit bis zu 30 Plätzen einzurichten,
2. die Tagesaufenthaltsstätte – im Sinne des Subsidiaritätsprinzips – bei einem bereits vor Ort aktiven Träger anzugliedern,
3. die Straßensozialarbeit im Einsatzgebiet Wilhelmsburg/Veddel bedarfsgerecht aufzustocken,
4. dem Regionalausschuss bis zum 30. Juni 2023 über den Umsetzungsstand zu berichten.
DIE LINKE begründete den Bedarf mit der zunehmend großen Gruppe von wohnungslosen und obdachlosen Menschen und der Trinkerszene im gesamten Stadtteil. Die soziale Beratungsstelle Harburg/Wilhelmsburg arbeite jährlich mit über 60 Wilhelmsburger Obdachlosen. Für Harburg und Wilhelmsburg sei dafür nur eine halbe Vollzeitstelle eingerichtet. Davon wiederum entfiele auf Wilhelmsburg lediglich ein Drittel der Zeit.
Als Beispiel für eine gute, passende Tagesaufenthaltsstätte nennt DIE LINKE das Hans-Fitze-Haus in Harburg.
Dieser Antrag wurde ohne inhaltliche Debatte im Regionalausschuss in den Ausschuss für Sozialraumentwicklung überwiesen.
Einigkeit macht stark
Kurz vor der Sitzung eben dieses Ausschusses für Sozialraumentwicklung am 2. März 2023 brachte die DEKO (Koalition der SPD-, CDU-, FDP-Fraktionen) dort plötzlich einen Prüfauftrag mit folgendem Inhalt ein:
Das Bezirksamt wird gebeten, sich bei den zuständigen Stellen für folgendes einzusetzen:
1. Prüfung einer möglichen Umsetzung des erläuterten Konzepts aus Altona für einen Standort in Hamburg-Wilhelmsburg. Alternativ – die Prüfung einer möglichen Anlauf- und Begegnungsstätte mit reduziertem zeitlichem, personellem und inhaltlichem Angebot.
2. Prüfung, ob Mittel der Fachbehörde eine Anschub- oder Ergänzungsfinanzierung tragen könnten.
Die DEKO stellt sich eine Einrichtung ähnlich dem räumlich kleinen Angebot der Sozialbehörde in Kooperation mit Fördern & Wohnen und Palette e. V. in der Stresemannstraße in Altona vor. Dort wird neben den Obdachlosen auch die Trinkerszene um den Raum des Bahnhofs Holstenstraße angesprochen. Die DEKO merkt in ihrem Antrag an, dass die Tagesaufenthaltsstätten im Zentrum der Stadt für die Obdachlosen auf der Elbinsel Wilhelmsburg weit weg seien und somit nicht gut erreichbar wären.
Nun lagen dem Ausschuss für Sozialmanagement zwei Anträge zu demselben Problem vor. Die GRÜNEN im Ausschuss beantragten, die Fraktionen sollten sich zusammen setzen und zur nächsten Sitzung einen gemeinsamen Antrag erarbeiten. Dies wurde von der Mehrheit abgelehnt. Letztendlich wurde der Antrag der DEKO mit deren Mehrheit angenommen.
Es ist nur zu hoffen, dass „die zuständigen Stellen“ zeitnah prüfen und Hilfen umgesetzt werden.
Dann können vielleicht in Kirchdorf auch die Bänke wieder mit Sitzflächen für Ruhesuchende versehen werden. Diese wurden vor Jahren an mehreren Stellen abgebaut, um die dortige Trinkerszene zu vergraulen. Auf dem Stübenplatz wurden aus dem gleichen Grund gar nicht erst Bänke aufgestellt.
Dieses Vorgehen der sog. Deko ist ganz typisch , es ist auch in der Vergangenheit in der Bezirksversammlung und in anderen Ausschüssen so gemacht worden. ALLE richtig guten Anträge werden, sobald sie auf dem Tisch liegen von der deko (die SPD macht das schon jahrelang so) inhaltlich übernommen , unwesentlich verändert und dann eingebracht. Es herrscht so eine unglaubliche Angst davor , mal einem Antrag der Opposition zuzustimmen, das ist schon krankhaft. Mit einer sinnvollen Lokalpolitik hat dieses Verhalten schon lange nichts mehr zu tun.
“Gute Debattenkultur” scheint bei den DeKo-Mehrheitsverhältnissen im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel schon seit längerem klein geschrieben!
Sie zumindest wäre ein Zeichen gelingender Demokratie in der politischen Willensbildung.
Jedoch fehlt sie, macht sich Frustration breit bis hin zur Stagnation bei Austausch und Meinungsfindung.
Kommt dann noch eine mangelhafte Kommunikationskultur im Umgang mit stadtteilbezogenen Bürgervertretungsgremien hinzu, beginnt man sich zu fragen, in wessen Interesse hier eigentlich Politik exerziert wird.
Sind dies noch tatsächliche “Volksvertreter*innen” , als die sie gewählt wurden?
Mit der Augenhöhe auf jeden Fall haperts, wo immer möglich schon untereinander – so macht man sich keine Freunde in der “einfachen Anwohnerschaft”…