Seit März dieses Jahres gibt es die neue Unterkunft für Geflüchtete in Kirchdorf-Süd. Der WIR sprach mit dem Leiter der Unterkunft, Marcus Szigeti vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), und mit Kathrin Schwarz und Gabi Schultz vom Verein „Die Insel Hilft” über den aktuellen Stand
Der Start für die Unterkunft für Geflüchtete am Karl-Arnold-Ring war holperig. Die Anwohner*innen in Kirchdorf-Süd und „Die Insel Hilft” erfuhren erst im November 2022 aus der Presse von der geplanten Unterkunft, als schon die Bagger auf dem Gelände der ehemaligen Schule standen. Gabi Schultz und Kathrin Schwarz, die beiden Vorständinnen des Vereins, wollten eigentlich schon aufhören. Angesichts der neuen Situation beschlossen sie weiterzumachen.
Nach der Kritik an der mangelhaften Kommunikation der Behörden lud das Bezirksamt Hamburg-Mitte im Januar zu einer Informationsveranstaltung ein. Dort wurde unter anderem diskutiert, dass unabhängig von den Bedarfen der neuen Unterkunft auch für die Einwohner*innen in Kirchdorf-Süd dringend mehr Stellen für Unterstützung und Sozialberatung gebraucht werden. Es wurde aber auch deutlich, dass sich diese Kritik nicht gegen die Einrichtung der Unterkunft richtete. Als Ergebnis bewilligte die Sozialbehörde 100.000 Euro für weitere Stellen in der Sozialberatung im Stadtteil. (WIR 14.2.23).
Wo bleiben die Bewohner*innen?
Die neue Unterkunft mit 50 mobilen, mit Koch- und Sanitärbereich ausgestatteten Wohncontainern für jeweils vier Personen, ist vor allem für Mütter aus der Ukraine vorgesehen. Sie sollten hier mit ihren Kindern – anders als in Sammelunterkünften – einen privaten Bereich bekommen. In den ersten Wochen nach Inbetriebnahme kamen dann aber erst einmal überhaupt keine Geflüchteten, ohne dass ASB und “Die Insel Hilft” über die Gründe informiert wurden. “Alle hatten sich auf die Neuankömmlinge eingestellt und schließlich sogar Osterkörbchen zum Empfang gebastelt”, sagt Marcus Szigeti vom ASB.
Es dauerte dann bis nach Ostern, bis die ersten Bewohner*innen einzogen. Anders als ursprünglich geplant, waren es auch nur wenige ukrainische Mütter mit Kindern. Schließlich wurde die Unterkunft auch für Geflüchtete aus anderen Ländern geöffnet, die vorher in Sammelunterkünften in verschiedenen Hamburger Stadtteilen gewohnt hatten.
Durch die geänderte Belegung leben jetzt mehr Kinder in der Unterkunft als in der ursprünglichen Planung vorgesehen. Die meisten von ihnen gehen inzwischen in Vorbereitungsklassen der umliegenden Schulen. Die Kinder der aus anderen Unterkünften Zugezogenen waren zum Teil zunächst in ihren alten Schulen in anderen Stadtteilen geblieben und hatten dadurch lange Fahrwege.
Anfangs herrschte zwischen den beiden Gruppen mit unterschiedlichem Geflüchtetenstatus durchaus Reserviertheit. „Aber inzwischen hat sich, nicht zuletzt über die Kinder sowie über gemeinsame Aktivitäten, ein Zusammenleben in der Unterkunft entwickelt”, meint Marcus Szigeti.
Hilfe bei Kontakt mit den Behörden
Ein guter Teil der Unterstützungsarbeit, sagen Gabi Schultz und Kathrin Schwarz, sei die Hilfe bei Kontakten mit den Behörden. Für etliche Bewohner*innen verliefen sie problemlos. Aber es gebe immer wieder auch erhebliche Schwierigkeiten: Zuständige Sachbearbeiter*innen seien persönlich nicht erreichbar, Anträge würden nur schleppend bearbeitet, die Geflüchteten hingehalten: „Bitte sehen Sie von weiteren Anfragen ab …”. Es gebe Bewohner*innen, die einen Leistungsbescheid haben, aber zwei Monate auf ihr Geld warten müssen. Manchmal hätten sie deshalb kein Geld, um die fünf Euro für die Einkäufe bei der Tafel zu bezahlen, die bei “Die Insel Hilft” eingerichtet ist. Oder sie müssten wegen eines Antrags zu einer Behörde in den Stadtteil fahren, in dem sie vorher gewohnt haben, hätten aber kein Fahrgeld, um dahin zu kommen. „Die Dienstleistungen der Behörden sind eher schlechter als 2015″, sagt Kathrin Schwarz.
Gute Zusammenarbeit
Dagegen loben die Vertreter*innen von ASB und „Die Insel Hilft” die gute Zusammenarbeit mit anderen Wilhelmsburger Aktiven und Einrichtungen. So gibt es inzwischen gut besuchte Strickkurse, die Barbara Kopf vom Freizeithaus Kirchdorf-Süd eingerichtet hat. Über den Kontakt zum Bürgerhaus haben Theaterbesuche stattgefunden und eine Gruppe von Frauen hat das Elbinsel-Frauenfest im Bürgerhaus besucht. Auch die drei Nähmaschinen von „Die Insel Hilft” werden gut genutzt. Dort nähen jetzt Frauen Vorhänge für die Wohnwagen.
Willkommen ist machbar
„Das sind gute Ansätze”, sagt Kathrin Schwarz. Es gibt natürlich auch Konflikte. Aber den Vertreter*innen von ASB und „Die Insel Hilft” liegt daran, mit ihrer praktischen Arbeit zu zeigen, dass ein Zusammenleben von Bewohner*innen einer Geflüchteten-Unterkunft und dem Stadtteil entwickelt werden kann. Auch im Hinblick auf die aktuell wieder wachsende und zunehmend aggressive „nicht bei uns”-Haltung besonders in den „besseren” Hamburger Stadtteilen angesichts der steigenden Geflüchtetenzahlen in den letzten beiden Jahren. Die bekannte Wilhelmsburger Willkommenskultur, die sich bei der Informationsveranstaltung zur Unterkunft im Januar gezeigt habe, habe sich in den vergangenen Monaten bestätigt, meint Marcus Szigeti.
„Die ehrenamtliche Arbeit kann aber natürlich nicht alle notwendige soziale Unterstützung abdecken”, sagt Kathrin Schwarz. „So fehlt es zum Beispiel an Deutschkursen für Erwachsene. Und die dringend benötigten zusätzlichen Stellen für Sozialarbeit, die mit den 100.000 Euro eingerichtet wurden, laufen schon Ende des Jahres wieder aus. Bis Ende Oktober müssen wir die Anträge auf Verlängerung stellen.”
“Die Insel Hilft” macht gemeinsam vieles möglich und freut sich über jede*n, die*der dabei sein will: ein Angebot gestaltet, Ideen hat, Sprachen kann, kreativ ist oder einfach teilnehmen möchte. Raum und Möglichkeiten sind sowohl im Inselhaus, wie auch beim ASB und beim Sozialkontor vorhanden.
Wenn Sie Interesse haben, den Verein „Die Insel Hilft“ oder den ASB zu unterstützen, wenden sie sich gerne per E-Mail an folgende Kontakte:
k.schwarz@sozialkontor.de
gabi.schultz@die-insel-hilft.de
marcus-szigeti@asb-hamburg.de