Seit ein paar Wochen fehlt ein, nein fehlen zwei Stückchen Reiherstieg: Die Holzstege am Veringkanal sind wegen akuter Einbruchgefahr gesperrt. Außerdem wurden Teile des Weges mit einem neuen Belag versehen
Während ersterer gerne als Angelplatz, Sonnenbank oder alternativer Balkon genutzt wird, ist der zweite Steg eine wichtige Verbindung zwischen Veringhof und Honigfabrik. Täglich spazieren, radeln und e-rollern hunderte Wilhelmburger:innen hier entlang.
WIR wollten wissen, was da los ist und wann die Stege wieder begeh- und befahrbar sein werden. Was dann folgte, war ein wochenlanges Hin und Her der unterschiedlichen Behörden.
Man sollte meinen, es wäre recht einfach: Eine E-mail an den Bezirk Mitte (BA) und ich könnte unseren Leser:innen mitteilen, wann die Stege wieder eröffnet werden können und warum sie baufällig sind. Anfangs sah es auch ganz danach aus: Die Pressestelle des Amts antwortete mir, für den ersten Steg vom Sanitaspark zum Veringhof 23 sei der Landesbetrieb Straßen, Brücken, Gewässer (LSBG) zuständig, für den kleineren Steg am Veringkanal oberhalb der Neuhöfer Straße das Bezirksamt.
Kein Holz, keine Facharbeiter:innen
Für beide Stege sei die Sanierung bereits in Auftrag gegeben worden, jedoch gäbe es bekanntermaßen große Lieferschwierigkeiten in Bezug auf den Werkstoff Holz, die auch diese Maßnahme beträfen. Ein konkreter Liefertermin könne derzeit vom Lieferanten nicht benannt werden. Auch für den kleineren Steg sei noch nicht absehbar, wann die Instandsetzung durchgeführt werden kann. Dies sei u. a. von der Verfügbarkeit der Zimmermannsfirmen abhängig.
Soweit, so schlecht, aber nicht änderbar.
Warum ist das Holz schon kaputt?
Eine andere Auskunft ließ uns in der WIR-Redaktion allerdings stutzig werden: Das Bezirksamt gab das Baujahr des langen Stegs hinter dem Atelierhaus mit „um 1970“ an. Doch mehrere langjährige Anwohner:innen konnten sich erinnern, dass die Anlage irgendwann zwischen 2006 und 2010 gebaut wurde. Damit stellte sich uns die Frage, warum das Holz schon so beschädigt ist, dass der Steg nicht mehr benutzt werden kann. Damit begann die Suche nach Passierschein A38:
Die LSBG verneinte ihre Zuständigkeit und verwies mich zunächst an die Hamburg Port Authority (HPA), dann an die „Wassergenossenschaft der Anlieger des Veringkanals“, diese wusste allerdings nicht einmal, dass die Stege gesperrt worden sind. Zudem sind sie nach Aussage ihres Vorstandes lediglich für die Instandhaltung des Wasserweges zuständig, ansonsten seien es die jeweiligen Besitzer der direkt anliegenden Grundstücke. Also hakte ich wieder im Bezirk und bei der LSBG nach. Das Ergebnis: Der Steg am Sanitaspark wurde von der LSBG im März diesen Jahres vom Bezirk übernommen.
Wann er in Betrieb genommen wurde, scheint allerdings niemand so genau zu wissen, da Wilhelmsburg 2008 aus dem Bezirk Harburg aus- und dem BA Mitte eingegliedert wurde, die dazugehörigen Unterlagen jedoch anscheinend nicht. Auch wann der kleine Steg gebaut wurde, weiß anscheinend niemand so genau. Das Jahr 1970 bezieht sich auf die „Terrasse“ ganz oben am Sanitaspark Richtung Industriestraße (die gar nicht gesperrt ist).
Fazit: Wann die beiden gesperrten Stege gebaut wurden und damit die Frage, ob die Abnutzung ganz normal oder beispielsweise durch ungeeignetes Material verursacht worden ist, kann der WIR derzeit leider nicht beantworten. Und auch, wann die Wege wieder benutzbar sind, steht im Moment in den Sternen.
Reparatur? Weg statt Steg
Dann am 14. September ein Hoffnungsschimmer: Auf einmal tauchten Bauarbeiter am kleinen Steg auf und fingen an zu arbeiten. Auf meine Frage, ob sie den Steg reparieren würden, antwortete ein Arbeiter mir mit erhobenem Daumen. Zwei Tage später wollte ich mich vom Fortschritt überzeugen. Aber nicht der Steg wurde hier repariert, sondern der Streifen des Parkweges, der bisher ein Kieselweg war, ist mit einer Schicht bedeckt worden, die an den Plastikbelag auf Schulrennbahnen erinnert. Nur in gelb. Was jedoch Plastik in einem Park verloren hat, wo doch die Flächenversiegelung ein ökologisches Problem darstellt, erschließt sich uns nicht. Hoffentlich braucht es nicht wieder Wochen, den Grund zu erfahren.
Update 1: Was hat es mit dem neuen Belag auf den Wegen auf sich?
WIR haben beim Bezirk nachgefragt. Die Antwort: Der gelbe „Gummi“ ist eine polyurethangebundene Spezialmischung aus Granitsplitt und EPDM-Granulat, das eingebaut wurde, um zu verhindern, dass sich immer wieder Kanten zwischen dem Betonpflaster und dem Kiesweg bilden. Diese entstehen, weil der Weg am Kanal an dieser Stelle ein starkes Längs- und Seitengefälle hat, so dass das ungebundene Wegebaumaterial bei Starkregen weggespült wird. Das mehrfache Angleichen mit Glensanda (aus Granitsand-Körnern) brachte daher keinen nachhaltigen Erfolg. Um Unfälle zu verhindern und weil das komplette Auspflastern dieser Bereiche sehr aufwendige wäre, wurde nun diese Lösung ausprobiert.
Die Pressestelle schreibt: „Die 90m² große Wegedecke ist wasserdurchlässig, rutschfest, druckbeständig, abriebfest und selbstverlöschend. Die restlichen Wegebereiche am Veringkanal wurden bzw. werden mit wassergebundenen Wegebaumaterialien aufgefüllt.“
Zur Umweltverträglichkeit haben WIR allerdings keine Antwort bekommen. Polyurethan (PUR) ist ein Kunststoff oder -harz. Er verrottet nicht und lässt sich bisher kaum recyceln. EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-Monomer) ist ein synthetischer Kautschuk. Auch was es für die Fauna und Flora des Parks bedeutet, wenn der Boden derart versiegelt wird, ist unbekannt.
Und nun (9.10.22) doch: “Das Wegebaumaterial ist unbedenklich, denn es ist im eingebauten Zustand inert und wurde gemäß DIN EN 71-3 getestet. Des Weiteren ist es recyclefähig und stark wasserdurchlässig (ca. 20L/Sek/qm)”, teilt uns der Bezirk mit. WIR haben noch einmal nachgefragt, was “inert” bedeutet: es heißt, „sich an bestimmten chemischen Vorgängen nicht beteiligend“.
Update 2: Es tut sich was
Am 26. Oktober steht ein Baufahrzeug vor dem Eingang zum langen Steg am Atelierhaus. Auf der Ladefläche sind einige alte, verrottete Holzbalken zu sehen, im Steg bereits durch neue ersetzt. WIR freuen uns, wenn der Steg bald wieder funktionstüchtig ist!
Update 3: Mühsam ernährt sich…
Zum Winteranfang scheint das Ganze nach wochenlanger Arbeitspause wieder in Gang zu kommen. Auch am langen Steg wird wieder gewerkelt.
Zwei Tage später hat es wohl jemand nicht mehr abwarten können, den kleinen Steg wieder benutzen zu können. Die Absperrung schwimmt im Veringkanal.
Update 4: Er ist offen!
Halb erneuert, halb geflickt, aber seit einer Woche wieder zugänglich: Die grüne Verbindungsader am Veringkanal.
Foto: J. Domnick
Neulich hab’ ich den Bauarbeiter auf dem Steg vorm Atelierhaus gefragt, wann das fertig wird. Er meinte, vielleicht nächstes Jahr, die Stadt wollte nicht alles auf einmal machen lassen, war denen zu teuer. Hätten sogar noch Holz bekommen. Scheint dem Bezirk HH-Mitte am A… vorbei zu gehen, wenn die Wilhelmsburger mal wieder ein Stück Lebensqualität einbüßen.
Die Oberfläche des beschriebenen Weges zwischen Neuhöfer Straße und Veringstraße – Fußgänger:innen und Radfahrer:innen nutzen diesen Weg gleichermaßen –, wurde im Spätsommer dieses Jahres (2022) erfreulicherweise erneuert. Dem durchführenden Bauunternehmen ist in diesem Bereich allerdings ein nicht unerheblicher Fehler unterlaufen, wie ich finde. Auf dem Streifen, der nicht mit Betonplatten ausgelegt ist, wurde der Oberflächenbelag erneuert. Die neue Oberfläche ist nun aber sehr wellig und holperig geworden, sodass sicheres oder bequemes Radfahren auf diesem Streifen schwerlich möglich ist. Allerdings federt Laub diese „Holperstrecke“ aktuell und teilweise etwas ab; aber das Laub wird im nächsten Frühjahr verschwunden sein …
Ich frage mich, ob solche baulichen Maßnahmen vom Auftraggeber nicht abgenommen werden (z.B. Probefahrt mit dem Fahrrad) und ob bei Beanstandungen nicht nachgebessert wird?