Eindrücke von der „Dialog-Veranstaltung“ der Deutschen Bahn zum Neubau der Bahnbrücken über die Süderelbe
Dirk Holm. Die Deutsche Bahn DB InfraGo (DB InfraGo) hatte am 18. November 2025 zu einer Dialog-Veranstaltung ins Bildungszentrum Tor zur Welt geladen. Angekündigt war eine Veranstaltung im Rahmen des Abschlusses der Entwurfs- und Genehmigungsplanung im Projekt „Ersatzneubau EÜ Süderelbe“ (EÜ = Eisenbahnüberführung).
Worum ging es? Die Bahn wollte mit dieser Veranstaltung ihre Pläne zum Neubau der Bahnbrücken über die Süderelbe der Öffentlichkeit vorstellen. Daneben erhoffte sich die Veranstalterin reichlichen Input der Besucher*innen. Noch 2025 sollen die Pläne bei der Planfeststellungbehörde, dem Eisenbahnbundesamt, zur Genehmigung eingereicht werden.

https://www.elbinselbruecken-hamburg.de/die-suederelbbruecken.html
Zu der dreistündigen Veranstaltung erschienen rund 150 Gäste. Die Besucherzahl war von vornherein begrenzt worden. Der überwiegende Teil von ihnen kam aus Wilhelmsburg und Harburg. Aber auch von nördlich der Elbe waren circa 20 Interessent*innen gekommen. Die Bahn selbst war mit geschätzt 30 Mitarbeiter*innen vor Ort. Darunter Sicherheitspersonal der DB Sicherheit.
Die „alte“ Süderelbebrücke ist rund 50 Jahre alt. Sie ist stark verschlissen und somit baufällig. In dieser Frage sind sich alle Beobachter*innen einig. Zur Zeit bewältigt die Brücke rund 1.000 Zugüberfahrten täglich. Wegen des Zustands der Brücke, fahren die Bahnen mit stark reduzierter Geschwindigkeit. Eingeweihte sagen, die Brücke sei von vornherein eine Fehlkonstruktion gewesen.
„Das Bauwerk ist in seiner Funktion extrem wichtig“
„Das Bauwerk ist in seiner Funktion extrem wichtig“. Oder, wie es der Leiter der Infrastrukturprojekte im Knoten Hamburg, Ronald Ernst, ausdrückte, die Brücke liege auf der „gedachten Linie Malmö – Wilhelmsburg – Mailand“. Herr Ernst forderte die Besucher*innen auf, „neugierig“ zu sein und seine Mitarbeiter*innen mit Fragen zu „löchern“.
Marktplatz und Themeninseln
Um das zu unterstützen, hatte die Bahn unter dem Stichwort Marktplatz mehrere Themeninseln mit Bildschirmen und Infomaterial aufgebaut:
Die Süderelbbrücken
Mit allgemeinen Infos zum Bauprojekt und einigen bemerkenswerten Visualisierungen (siehe Beispiel oben).
Bauwerk, Umfahrung und Bauablauf
Mit entsprechenden Plänen und Darstellungen.
Betroffenheiten
In Bezug auf die verkehrlichen Auswirkungen beiderseits der Elbe, konkret: Schienenersatzverkehre, Verkehrsplanung und Flächenbedarf.
Umwelt
In Bezug auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens, Artenschutz, Schall und Schallschutz, Erschütterungen usw.
3-D-Modell des Bauwerks (Building Information Modeling (BIM))
Mittels einer 3-D-Brille und Virtual Reality konnte das geplante Bauwerk aus allen Blickwinkeln betrachtet, ja geradezu in es eingetaucht werden. BIM ist eine Arbeitsmethodik, die alle relevanten Informationen eines Bauwerks auf Grundlage digitaler Modelle erfasst und über dessen gesamten Lebenszyklus nutzt. Ziel ist eine umfassende Visualisierung, erhöhte Effizienz, Steigerung der Planungsqualität, verbessertes Kostenmanagement, optimierte Zusammenarbeit sowie höhere Terminsicherheit.
Planrecht
Hier wurden die rechtlichen Grundlagen eines solches Projektes, der Ablauf und die Bedingungen des Planfeststellungsverfahrens erläutert.
Es gab also unzählige Detailinformationen. An jeder Themeninsel standen zwei bis drei kompetente DB Mitarbeiter*innen für Fragen und Erläuterungen bereit. Die Besucher*innen der Veranstaltung nutzten diese Möglichkeiten ausgiebig.
Stichwort „Gerüchteküche“
Der aktive Teil des Abends begann unter dem Stichwort „Gerüchteküche“. In Kleingruppen eingeteilt, sollten die Besucher*innen sich kurz gegenseitig vorstellen, um dann gemeinsam abgestimmte Fragen, Befürchtungen, Erwartungen/Chancen auf verschiedenfarbige Karten zu notieren. Später stellte ein Sprecher jeder Kleingruppe die wichtigsten gesammelten Ergebnisse dem Plenum vor. Auf die Hinweise der Sprecher gab es jeweils kurze Antworten der Veranstalter.
Es folgte ein Impulsvortrag der Projektleiterin Stefanie Heser. Laut ihrer Aussage läuft der Planungsprozess für die neue Brücke bereits seit zehn Jahren. Frau Heser lieferte einen Überblick über das Projekt mit allerlei Plänen, Visualisierungen usw., inklusive eines Films, in dem die einzelnen Schritte des Bauablaufs dargestellt wurden.

Die wichtigsten Erkenntnisse
Angesichts der Fülle der angebotenen Informationen beschränke ich mich auf wenige wichtige Erkenntnisse: Die bauvorbeitenden Maßnahmen sollen 2028 beginnen. Man geht von einer voraussichtlichen Bauzeit von zehn Jahren aus, bei Kosten im Milliardenbereich. Genaue Zahlen wurden nicht genannt. Der Bahnbetrieb soll während der Bauzeit aufrecht erhalten werden. Allerdings sind vorerst zwei jeweils vierwöchige Streckensperrungen vorgesehen. Diese betreffen dann sowohl die Fern-, als auch die S-Bahnen. Um direkten Zugang für Fahrzeuge aller Art zu den Baufeldern zu ermöglichen, sollen auf beiden Seiten der Elbe zusätzliche neue exklusive Zu- und Abfahrten an der B75 (Wilhelmsburger Reichsstraße) gebaut werden. Hier finden Sie ausführliche Informationen.
Die DB erklärt sich für nicht zuständig
Es gab bei der Veranstaltung auch Ungereimtheiten. Ein Ehepaar meldete sich zu Wort. Ihr Wohnhaus solle im Zuge der Baumaßnahmen abgerissen werden. Bisher wüssten sie aber nichts Genaues. Von der Bahn habe sie bislang niemand kontaktiert. Diverse Anlieger*innen des Baufeldes müssen ihre bisherigen Quartiere räumen. Das betrifft die Deichwacht, die DLRG, die Insel-Biker, das Kickbox-Center Hamburg (wo auch die Polizei Hamburg trainieren soll), vermutlich auch den Wohnmobilstellplatz Finkenriek und weitere. Das Problem: Wo sollen diese Organisationen und Privatleute dann hin? Die DB erklärt sich für nicht zuständig. Sie verweist auf die lokale Verwaltung. Und diese kümmert sich offenbar bislang nicht. Auf Anfragen von Betroffenen soll es Aussagen wie diese gegeben haben: Es gäbe schlicht keine Ausweichflächen bzw. alternative Gebäudeangebote. Dankeschön und guten Tag!
Mit anderen Worten: Die Betroffenen sollen sich gefälligst selbst um ihren Verbleib kümmern. Wenn das so stimmt, wäre es ein Skandal sondergleichen. Es geht um Institutionen, die auf überwiegend ehrenamtlicher Basis wichtige gesellschaftliche Aufgaben übernehmen. Sie unverschuldet in den Regen zu stellen, trifft uns letztlich alle. Und das geht gar nicht!
Viele Fragen blieben offen
Mein Fazit: Die Veranstaltung selbst war sehr gut vorbereitet. Ebenso wie die Mitarbeiter*innen der DB InfraGo. Was bei einem Bauprojekt mit diesen enormen Dimensionen absolut angebracht ist. Wir Bürger*innen dürfen uns darauf einstellen, dass dies Projekt nicht nur den Süderelberaum, sondern ganz Hamburg über mehr als ein Jahrzehnt in Atem halten wird. Es bleibt zu hoffen, dass der Brückenbau nicht zum Rohrkrepierer wird, wie manch andere Projekte der DB InfraGo (Stuttgart 21, zweite Stammstrecke München usw.). Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Veranstaltung viele Fragen offen geblieben sind. Die DB will die Information der Öffentlichkeit in Zukunft fortführen. Und das muss sie auch! Am Ende des Abends waren alle Beteiligten sichtlich erschöpft.
Ein alter Film gibt einen Vorgeschmack
Wer einen Vorgeschmack von dem bekommen will, was da auf uns zukommt, dem empfehle ich einen Film auf YouTube. Anfang der 70er Jahre hat die Deutsche Bundesbahn sehr anschaulich den Bau der Brücke dokumentiert, die künftig abgerissen werden soll. Das reicht von Live-Aufnahmen der Bautätigkeit bis zu Helikopterflügen über das Baufeld. Selbst kleine lebensechte Modelle wurden zur Verdeutlichung der Arbeitsschritte angefertigt. Die Krönung des Films ist die schräge musikalische Untermalung. Ganz im Stil der 60er Jahre. Was den Streifen aber vor allem interessant macht, ist, dass die dargestellten Schritte im Bauablauf vielfach denen des geplanten Neubaus entsprechen. Anschauen lohnt sich!
Mindestanforderungen formuliert
Ein letzter Hinweis zum Schluss: Die Bürgerinitiative Engagierte Wilhelmsburger hat Mindestanforderungen an die DB InfraGo formuliert, die im Rahmen der geplanten Baumaßnahmen beachtet werden müssen. Das Papier soll dem Beirat für Stadtentwicklung Wilhelmsburg und dem Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg vorgelegt werden, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Das soll den Forderungen mehr Gewicht verleihen. Im Forderungskatalog fehlt allerdings der Hinweis an die Bahnplaner*innen, dass es in Wilhelmsburg kein Krankenhaus mehr gibt, weil das Krankenhaus Groß Sand geschlossen wurde. Dies sollten die Bahnplaner*innen für den Fall, dass es zu schweren Unfällen kommen sollte, wissen. Das wünscht natürlich niemand – aber der Transport von Verletzten kann angesichts der hiesigen Verkehrsverhältnisse schwierig bis unmöglich sein.

