„Wir sind mehr …“

Seit einigen Wochen demonstrieren bundesweit Hunderttausende gegen die AfD und rechte Ideologien. Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ plant unter dem Titel „Klare Kante gegen Rechts“ eine Kampagne zu den Europa- und Bezirksversammlungswahlen im Sommer

Bei der Veröffentlichung des Aufrufs zur Gründung eines Bündnisses gegen Rechts im Dezember (WIR 17.1.24) konnte noch niemand ahnen, dass ein paar Wochen später Hunderttausende in ganz Deutschland gegen die AfD demonstrieren würden und der Protest gegen die Rechtsentwicklung Topthema in den Medien sein würde.

Der „Correctiv“-Bericht hat viele Menschen aufgeschreckt

Dabei waren die vom Recherchenetzwerk „Correctiv“ aufgedeckten und Anfang Januar veröffentlichten Ideen zur „Remigration“, d.h. zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund, die auf einem Treffen von AfD-Funktionären und anderen Rechtsextremist*innen diskutiert wurden, in der rechten Szene eigentlich nichts Neues. Außerdem findet die Diskussion um eine „Remigration“ auch ganz öffentlich im Bundestag statt – Beleidigung und Kriminalisierung von Migrant*innen, Auslagerung von Asylverfahren nach Afrika, schnellere Abschiebung. Zeitgleich mit den ersten großen Demonstrationen gegen Rechts hat der Bundestag das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ zur leichteren Abschiebung und Kriminalisierung der Seenotrettung beschlossen. Aber offenbar hat der „Correctiv“-Bericht über das Nazi-Treffen viele Menschen aufgeschreckt.

Wir sind mehr

Eine große Menschenmenge am Rödingsmarkt, vom Bahnsteig aus fotografiert
100.000 Menschen auf der Demo gegen rechts. Fotos: H. Kahle

Der Auftritt von Politprominenz auf manchen Großdemonstrationen hatte einen schlechten Beigeschmack. Neben den vielen Parolen gegen die Höcke-Partei wie „Keine Stimme der AfD“ oder „AfD-Verbot jetzt“ gab es auch Transparente, die die Verantwortung der Regierungsparteien für die Rechtsentwicklung thematisierten: „Gegen Abschiebung, Aufrüstung und Sozialabbau“. Auf der großen Hamburger Demo, zu der „Fridays for Future“ aufgerufen hatte, skandierten die rund 100.000 Menschen bei der Auftaktkundgebung am Rödingsmarkt immer wieder: „Wir sind mehr!“ Fridays-Sprecherin Luisa Neubauer sagte in ihrem Redebeitrag: „Ich bin froh, dass wir hier sind. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir für viele schon viel zu spät sind. Das sind Menschen, die sich nicht vorstellen müssen, wie eine rechte Gewalt aussieht, sondern sie erleben sie jeden Tag. Das sind Menschen, die in diesem Land zuhause sind, aber partout keine Heimat finden können, die uns anklagend angucken und fragen, in welche Gesellschaft sie sich bitte integrieren sollen, wenn diese Gesellschaft ihnen ein so lautes ,Nein‘ entgegenstellt. Das sind Menschen, die unter Generalverdacht gestellt werden, nicht zuletzt von unserem eigenen Bundespräsidenten.“

Klare Kante gegen Rechts

Zu einem Treffen unter dem Motto „Klare Kante gegen Rechts“ am 24. Januar, zu dem das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) im Dezember aufgerufen hatte, kamen Vertreter*innen von mehr als 70 Initiativen, Einrichtungen und Organisationen. Das Spektrum reichte von Parteien und Gewerkschaftsgruppen, autonomen und anarchistischen Gruppen bis zu Einrichtungen der Flüchtlingshilfe, Vertreter*innen aus dem Kulturbereich, der Klimabewegung und der Stadtteilarbeit. So waren auch die „Honigfabrik Wilhelmsburg“ und die „Poliklinik Veddel“ vertreten.

Gemeinsame Kampagne zu den Wahlen

Ein großes Pappschild mit der Aufschrift: Keine stimme der AfD und darunter die Hashtags Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Halle-Orla-Kreis
Zentrale Parole bei der Großdemonstration.

Versammlungsleiterin Christiane Schneider umriss zu Anfang das Ziel des Treffens. Das HBgR schlage eine gemeinsame Kampagne zu den Europa- und Bezirksversammlungswahlen am 9. Juni 2024 vor, gegen die AfD und gegen die Rechtsentwicklung in Deutschland und Europa. Das HBgR werde sich auch weiterhin kritisch mit einer Politik auseinandersetzen, die die Rechtsentwicklung begünstigt und vorantreibt. Es gebe viele Gründe für diese Kritik. Aber klar sei auch: Der gemeinsame Gegner sei die AfD, denn es gehe darum, ihren Aufstieg zu stoppen. Das Bündnis, so Christiane Schneider, solle auf ganz vielen Basisaktivitäten beruhen, auf den Aktivitäten vor Ort. Wo es möglich und sinnvoll sei, sollte eine Vernetzung stattfinden.

In der anschließenden Diskussion herrschte einerseits Einigkeit, die Wahlen und die AfD zu einem Angelpunkt zu machen. Andererseits wurde in mehreren Beiträgen betont, man müsse die Politik von Ampel und CDU, Sozialkürzungen und Abschiebepolitik als Teil der Rechtsentwicklung, auch zum Thema der Kampagne machen. Es gab auch erste konkrete Vorschläge, z. B. für einen „Lauf gegen Rechts“, eine gemeinsame Demonstration zum 1. Mai oder eine Gedenkkundgebung zum Anschlag in Hanau. Aber auch für Aktionen im Stadtteil wie Thekengespräche oder ein Raumangebot für Veranstaltungen.

Der Aufruf zieht Kreise: Seit dem Treffen haben sich in den letzten Wochen weitere Gruppen mit Ideen, Vorschlägen und Hinweisen auf Aktionen in den Stadtteilen gemeldet. Es besteht die Chance, dass über die großen Demonstrationen hinaus im nächsten Halbjahr eine lebendige Bewegung gegen die Rechtsentwicklung entsteht.

Das nächste Treffen der Kampagne „Klare Kante gegen Rechts“ ist am Mittwoch, 21. Februar um 19 Uhr im Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15 (durch das Tor), 20148 Hamburg.

Kontakt: kontakt@hbgr.org

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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