Ein Stück vergessener Hafengeschichte

1988 leistete die Belegschaft monatelang Widerstand gegen die Schließung ihrer Werft Pohl & Jozwiak. Am 13. Dezember 2024 wird in der Honigfabrik das Buch „Das Wunder vom Kohlenschiffhafen“vorgestellt, das an diesen Kampf erinnert

Die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg erinnert mit einer Fotoausstellung und einer Veranstaltung am 13. Dezember an einen – erfolgreichen – Werftarbeiter*innenkampf im Jahr 1988, der damals für Schlagzeilen sorgte. Der Autor Christian Zillich hat die 35 Jahre zurückliegenden Ereignisse ausgegraben und in seinem Buch „Das Wunder vom Kohlenschiffhafen“ dokumentiert.

Das Buch stand auf der Shortlist der acht für den Buchpreis der Staatsbibliothek nominierten Bücher. Christian Zillich und der damalige Betriebsratsvorsitzende der Werft Pohl & Jozwiak, Rudi Christian, stellen das Buch am 13. Dezember 2024 in der Honigfabrik vor. Die Veranstaltung findet gemeinsam mit dem monatlichen Arbeiterliederabend „Wilhelmsburg singt Arbeiterlieder“ statt.

Die Werft Pohl & Jozwiak

Die im Jahr 1900 gegründete Werft Pohl & Jozwiak hatte ihren Standort in Tollerort im Kohlenschiffhafen an der Mündung des Köhlbrand. Das Hauptgeschäft der Werft waren Umbauten und Reparaturen. Barkassen, Arbeitsboote und Hafenföhren wurden dort gebaut, später auch kleinere Kümos. Im Zuge der Werftenkrise seit den 70er-Jahren musste auch Pohl & Jozwiak nach Fehlkalkulationen der Werftleitung und vom Senat verweigerten Krediten im März 1988 Konkurs anmelden.

„Wir wollen weiterarbeiten”

Der Betriebsrat und die 125 Beschäftigten nahmen den Kampf um ihre Arbeitsplätze auf. Trotz weiteren Hinhaltens durch den Senat und vermeintlicher Investoren, dabei ständig von Kündigung bedroht, arbeiteten sie weiter und entwickelten gleichzeitig eine aufsehenerregende Kampagne zur Rettung der Werft: Betriebsversammlungen vor dem Rathaus, Demos in der Innenstadt, wochenlange Mahnwachen vor der Wirtschaftsbehörde. Einen Höhepunkt bildete eine spektakuläre Aktion am Hafengeburtstag: Azubis der Werft brachten an einer Rah der Rickmer Rickmers an den Landungsbrücken ein großes Transparent mit der zentralen Parole an: „WIR WOLLEN WEITERARBEITEN! – ohne Werft kein Hafen!” Mit einem Schlepper mit dem Spruchband „Ihr feiert – wir sterben” versuchten sie außerdem – vergeblich – sich in die berühmte Einlaufparade einzuschleusen.

Ein Mann steht in den Wanten. An der Rah ist ein großes Transparent befestigt. Im Hintergrund sieht man über die Elbe auf das andere Ufer.
Protest auf der Rah der Rickmer Rickmers. Foto: Buch „Das Wunder vom Kohlenschiffhafen”

Die Aktionen sorgten für große öffentliche Aufmerksamkeit: Schlagzeilen in der Presse, Solidaritätsbekundungen von Hamburger Promis, Schauspieler*innen und dem damaligen St. Pauli-Torwart Volker Ipping machten den Verantwortlichen Druck. Der Kampf dauerte ein halbes Jahr. Neben der Öffentlichkeitsarbeit entwickelten die Beschäftigten auch Pläne für einen alternativen Weiterbetrieb der Werft. So entstand das Konzept, den Betrieb als Genossenschaft selbst weiterzuführen.

Nach monatelangem Hin und Her fand sich schließlich ein seriöser Investor, der Pohl & Jozwiak übernahm. Noch sieben Jahre lang wurde die Werft danach vom neuen Eigentümer Norbert Henke im Einvernehmen mit dem Betriebsrat weitergeführt. Erst nach dem Umzug der Werft von Tollerort auf das Gelände von Blohm und Voss folgte 1997 das endgütige Aus.

Auf dem ehemaligen Werftgelände befindet sich heute der Containerterminal Tollerort. Der Kohlenschiffhafen ist weitgehend zugeschüttet.

Das Wunder vom Kohlenschiffhafen

Den wesentlichen Anstoß, die Geschichte dieses historischen Kampfes einer Werftbelegschaft aufzuschreiben, bekam Christian Zillich durch die zufällige Begegnung mit dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden Rudi Christian. Anhand von Presseberichten liefert Zillich im ersten Teil des Buches eine ausführliche Chronologie der Ereignisse 1988. Einen zweitenTeil bilden Gespräche mit ehemaligen Werftkolleg*innen und Zeitzeug*innen. Zudem werden mit vielen, teils großformatigen Fotos der Alltag auf der Werft und der Widerstand der Belegschaft dokumentiert. In einem Gastbeitrag zieht Rudi Christian ein Resümee der Kämpfe aus Sicht des Betriebsrates.

„Das Wunder vom Kohlenschiffhafen” wird von der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel herausgegeben. Es hat 255 Seiten und kostet 25 Euro. Das Buch ist auch am Veranstaltungsabend in der Honigfabrik zu erwerben.

„Das Wunder vom Kohlenschiffhafen”
Buchvorstellung mit dem Autor Christian Zillich
13. Dezember 2024, 17 Uhr
Honigfabrik Wilhelmsburg, Industriestraße 125
Eintritt frei

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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