Für den Umbau der Radwege in der Georg-Wilhelm-Straße sollen über 70 Bäume gefällt werden. Der Plan stieß schon bei seiner Vorstellung Anfang des Jahres auf heftige Kritik. Die neuerliche Hitzewelle im Sommer ließ Fachwelt und Politiker Alarm schlagen: Für klimagerechte Stadtgestaltung ist es höchste Zeit. Bäume als Schattenspender sind ein wichtiger Teil davon. Die Umgestaltung der Georg-Wilhelm-Straße muss gestoppt werden. Zumal es eine Alternative gibt
Anfang des Jahres hatte der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) die Umgestaltung der südlichen Georg-Wilhelm-Straße „zur Förderung des Radverkehrs” angekündigt. Kernpunkt war die Einrichtung eines zirka zwei Meter breiten Radstreifens auf der Westseite der Straße bei Beibehaltung der Fahrbahnbreite für Autos. Für die dafür notwendige Verbreiterung auf der Ostseite der Fahrbahn müssen nach der Planung 72 Bäume entlang der Straße gefällt werden. Sie sollen – rund einen Meter versetzt – durch neu angepflanzte Bäumchen ersetzt werden. Gegen diesen Plan hatten damals Anwohner:innen und die Waldretterinitiative öffentlich protestiert (siehe auch WIR 1/2022). Es gab auch eine Planungsvariante: die Ertüchtigung des Zweirichtungsradweges auf der Ostseite ohne weitere Eingriffe in die Straße und ohne Baumfällungen. In der „Variantenuntersuchung” des LSBG wird diese „Variante 1″ mit einem Satz abgetan: „Die Variante 1 scheidet aufgrund mangelnder Verkehrssicherheit für den Radfahrer aus.”
Der Zweirichtungsradweg
Dieser Zweirichtungsradweg war allerdings vor einigen Jahren Gegenstand einer Evaluation und einer gerichtlichen Untersuchung, die zum Teil zu anderen Ergebnissen kamen. Nach Einrichtung des später wieder entfernten Fahrradschutzstreifens auf der südlichen Georg-Wilhelm-Straße wurde der Radverkehr dort 2011/12 evaluiert. Im Ergebnisbericht heißt es: „ … Obwohl mit der Einrichtung des Schutzstreifens der Zweirichtungsradweg aufgehoben wurde, nutzen sehr viele Radfahrer weiterhin unerlaubt den östlichen Radweg in der Gegenrichtung … (Es) wird empfohlen, den Radweg auf der Ostseite als ,Servicelösung’ auch für die Fahrtrichtung Süden – zusätzlich zur Beibehaltung des Schutzstreifens – freizugeben … Der Radweg war über Jahrzehnte ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg, so dass eine Freigabe auch im jetzigen Zustand möglich sein sollte.”
2014 war der Zweirichtungsradweg dann Gegenstand einer Gerichtsverhandlung über die Aufhebung des Fahrradschutzstreifens. Das Verwaltungsgericht bezog sich auf die genannte Evaluation und machte auch selbst Erhebungen vor Ort. Das Gericht führt die Gegenargumente (zu geringe Breite des Radwegs) auf und kommt im Urteil im Absatz 66 zu folgendem Schluss (Juristendeutsch): „ … Dagegen spricht bereits, dass dieser Radweg jahrelang in Gegenrichtung befahren werden durfte bzw. sogar musste und auch der Endbericht des Ingenieursbüros vom Februar 2013 zumindest eine Freigabe des Radwegs in Gegenrichtung empfiehlt. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass weit über 50% der in Richtung Süden fahrenden Radfahrer derzeit den östlichen Radweg verbotswidrig in Gegenrichtung befahren und in dem Zeitraum vom 05.04.2012 bis 30.04.2012 weder auffallend viele noch besonders schwerwiegende Unfälle auf dem östlichen Radweg registriert wurden, dafür, dass eine Anordnung der Radwegbenutzungspflicht in Gegenrichtung auf dem östlichen Radweg oder zumindest dessen Freigabe für Radfahrer in Gegenrichtung nicht von vornherein ermessensfehlerhaft wäre.” In der Variantenuntersuchung der LSBG wird diese differenzierte Einschätzung der „Variante 1, Zweirichtungsradweg” unterschlagen.
Erhalt von Schattenflächen
Nach Presseberichten über die Proteste und einer Beiratsempfehlung Anfang des Jahres ist es still geworden um den Umbau der Georg-Wilhelms-Straße. Allerdings hat die neuerliche Hitzewelle in diesem Sommer die existentielle Bedeutung von Bäumen wieder auf die Tagesordnung gebracht – nicht nur als CO2-Speicher sondern ganz handfest als Schattenspender. Überall wurden Maßnahmen zum Hitzeschutz diskutiert: Von Fassaden- und Dachbegrünung, Entsiegelung und Umsetzung des Schwammstadtprinzips, hellem Straßenbelag und öffentlichen Brunnen bis vor allem zur Schaffung und zum Erhalt von Schattenflächen eben durch Bäume. Ende September fand vor diesem Hintergrund in Hamburg der 12. Extremwetterkongress statt. Die Bundesumweltministerin kündigte dort das neue Klimaanpassungsgesetz an. Und dann gibt es ja auch noch den „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün” des Senats. Wer im Juli auf dem Zweirichtungsradweg auf der Georg-Wilhelm-Straße unterwegs war, war dankbar, im Schatten fahren zu können. Auch angesichts dieser Diskussion über dringend notwendige Maßnahmen zum Hitzeschutz muss der LSBG mit dem sprichwörtlichen Klammerbeutel gepudert sein, für eine zweifelhafte Radwegplanung 72 Bäume zu fällen. Nach der Fällung von acht Eichen Anfang des Jahres sind bisher (Stand Mitte Oktober) im Vorwege der eigentlichen Baumaßnahmen Leitungsarbeiten durchgeführt worden. Es ist noch nicht zu spät, die Bauarbeiten zu stoppen und den Plan zu überarbeiten.
Hamburgs Grün wird weiterhin versiegelt, Bäume gefällt und dadurch weitere Hitzetote in Kauf genommen! Die Menschen in Hamburg verstehen es nicht mehr, dass ihnen überall wervolle Natur weggenommen wird! Schlaue Alternativen werden belächelt und Bürgerinitiativen durch Weisungen verhindert! Mehr Klimademos und noch mehr Menschen auf den Straßen brauchen wir! See you there!!!
Damit wir uns dann wirklich auf der Straße sehen im gemeinsamen Protest, brauchen wir Möglichkeiten uns zu organisieren. Gerade als kleinere, zunächst lokale Bürger:innen-Inis. Auf die großen Umweltverbände können wir ja leider meist nicht zählen.
Im Bündnis “Rettet Hamburgs Natur” sind Inis und Einzelpersonen aus ganz Hamburg organisiert. Dort werden gemeinsame Aktionen geplant und wir unterstützen uns gegenseitig. Und dann sehen wir uns wirklich auf der Straße …!
Wer auch nicht länger alles allein machen will und gern die Nase über den lokalen Tellerrand schiebt, ist herzlich eingeladen mitzumachen. Infos gibts auf https://www.rettet-hh-natur.de/index.html. Oder schreibt einfach eine Mail an hamburgsnatur@riseup.net.
Wie wahr!
2. Vers des Gedichts:
An die Nachgeborenen
…
Was sind das für Zeiten,
Wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
…
Bertolt Brecht
dem ist nichts zuzufügen
Ich bin Anwohnerin der südlichen Georg-Wilhelm-Straße und plädiere dafür, keinen Radweg auf der westlichen Seite Richtung Süden zu bauen, wenn damit verbunden ist, dass die 72 Bäume auf der östlichen Seite gefällt werden. Der Radweg auf der östlichen Seite ist breit genug und im Notfall kann kurzfristig auf den vorhandenen Fußweg ausgewichen werden. Die Bäume machen den Charme unserer von Gewerbe geplagten Gegend aus.
Es wurden die Kaffeemühlenhäuser am Haulander zugunsten eines Parkplatzes für Räder Vogel abgerissen, die Wiesen neben Minitopia sind verschwunden und die A26-Ost droht auch.
Lieber Senat, Ihr habt wirklich ein Problem mit Interessenausgleich zwischen Gewerbe und Wohnen. Bitte unbedingt nachbessern, es kommen bald wieder Wahlen!