„Was ist das für eine Insel? Die Leute sind so irre gut drauf!“

Barbara Kopf hat am 1. Juli 2025 „ihr“ Freizeithaus Kirchdorf-Süd an den Arbeitersamariterbund (ASB) übergeben

Barbara mit offenen roten Haren und einer blauen Bluse vor einem Wald.
Barbara Kopf. Foto: privat

„Seit dem 1. Juli 2025 bin ich nicht mehr im Freizeithaus und merke, dass es mir ohne die Verantwortung, für das Haus immer da sein zu müssen, gut geht“, sagt Barbara in unserem Gespräch. Sie betont aber auch, welch wichtige Stütze ihr Bettina Timmer von Anfang an im Freizeithaus war. Auch Bettina ist jetzt in Rente gegangen. Barbara stellt fest: „Der Stadtteil verändert sich, nicht so sehr hier in Kirchdorf-Süd, aber im Reiherstiegviertel. Es wird immer voller. Vielleicht ziehe ich auch aufs Land.“

Barbara wurde am 12. Mai 1960 in Soest in Westfalen geboren. Sie war die Erste in ihrer Familie, die studiert hat. Sie hat Soziologie studiert in Münster und Wien. „Als Arbeiterkind war es in den 80er Jahren noch schwer, sich an der Uni zu behaupten. Ich hatte zu Hause nicht gelernt zu reden und zu diskutieren“, berichtet sie. Barbara hat lange studiert, weil sie nebenbei arbeiten musste, um das Studium zu finanzieren. Nach Abschluss des Studiums Anfang der 90er Jahre hat sie in Thüringen in einer Zivildienstschule gearbeitet.

Es wurde viel demonstriert

Leute tanzen im Kreis auf einem Parkettboden.
Zum Abschied wurde ordentlich gefeiert.
Foto: M. Groß

Zu jener Zeit gab es große Arbeitslosigkeit. Viele ihrer Freund*innen waren arbeitslos. Aber sie hatte Glück. In der Zeitung taz sah sie die Anzeige, dass eine Leitung für das Freizeithaus in Kirchdorf-Süd gesucht wurde. Sie hat sich beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie erinnert sich: „Es war im Februar und es war kalt und ungemütlich. Das Vorstellungsgespräch führten Gottfried Eich und Gisela Beck von Quartier e. V. Es gab zwei Bewerberinnen. Ich stand an zweiter Stelle. Die Frau vor mir sagte aber ab. Das war mein Glück und ich wurde eingestellt. Gottfried Eich besorgte mir sogar eine Wohnung im Dahlgrünring.“ Als sie hier angekommen war, hat sie sich gewundert, wie sehr dieser Stadtteil zu ihr gepasst hat. Gefühlt gab es jede Woche eine Demonstration. Sie fragte sich: „Was ist das für eine Insel? Die Leute sind so irre gut drauf.“ Im Jahr 1994 wurde auch der Wilhelmsburger InselRundblick gegründet und berichtete über die Demonstrationen (s. WIR-Archiv). An vielen Aktionen und Initiativen hat sich Barbara beteiligt. Sie sagt auch heute noch, was sie denkt, und handelt danach. Seit zwei Jahren engagiert sie sich in der Offenen Antifaschistischen Plattform Wilhelmsburg. Sie beobachtet die rechten Tendenzen in allen Bevölkerungskreisen mit großer Sorge und stellt sich offen gegen die Vertreter*innen der AfD auf Wilhelmsburg.

Ihre Tochter Isabella hat im Freizeithaus gespielt

Barbara hat hier geheiratet und ist mit ihrem Mann in das Mühlenviertel gezogen. 2003 wurde ihre Tochter Isabella geboren. Da hat Barbara zwei Jahre mit der Tätigkeit im Freizeithaus ausgesetzt und sich um ihr Kind gekümmert. Danach hat sie Bella dann mit ins Freizeithaus genommen. Bella konnte dort spielen und hat als Kind in den Kursen der Boxer oder den Gesundheitskursen von Ilka Holst mitgemacht. Später hat sie dann auch Mietinteressent*innen die Räume gezeigt. Inzwischen ist Bella erwachsen und wohnt mit ihrem Mann in der Nähe von Barbara.

Es gab immer wieder neue Angebote im Freizeithaus

Als sie die Leitung des Freizeithauses übernommen hat, hat sich Barbara begeistert in die Arbeit gestürzt. Sie entwickelte Ideen für Nutzungen auch außerhalb der Raumvermietung. Von Plattdeutsch bis Patchwork war alles dabei. Der WIR hat sein 5-jähriges Bestehen im Freizeithaus gefeiert, sogar mietfrei als Unterstützung der ehrenamtlichen Zeitungsarbeit. Eigentlich kann das Freizeithaus nur von Bewohner*innen der Großsiedlung Kirchdorf-Süd gemietet werden. Das wird bis heute viel genutzt, so dass eine frühzeitige Planung wichtig ist.

Ein dunkelblauer runer Klebezettel mit einem weißen Reiher in der Mitte, davor eine Rohrkolbenpflanze. oben rund: offene antifaschistische Plattform in weiß.

Später kam Andromeda v. Prondzinski auf Barbara zu mit dem Vorschlag, Touren rund um die Insel anzubieten. Mit weiteren Tourenleiter*innen wurde ein vielfältiges Programm entwickelt. Zu Fuß ging es z. B. ins Heuckenlock oder mit dem Fahrrad ins Dreiburgenland nach Rönneburg. Auch die fantastische Aussicht vom Müllberg (heute Energieberg) in Georgswerder konnte durch die Organisation des Freizeithauses entdeckt werden. Das hat dann sogar der WIR nachgemacht und Öffnungen im Winter organisiert. Als die Internationale Bauausstellung (IBA) mit vielen Touren und einer großen Öffentlichkeitsarbeit und mit einer „Goldgräberstimmung“ kam, machte das Freizeithaus nur noch Führungen für Gruppen. Den Nutzen der IBA für Kirchdorf-Süd sieht Barbara kritisch: „Außer Deko (der aufgemalte hellblau-gestreifte „IBA-Springer“ an einer Hauswand, d. Red.) und der Bildungsoffensive ist nichts gewesen.“

Besonders gern erinnert sich Barbara an die Veranstaltungen der Theatergruppe von Susi Flamia in den 90ern. Mit dem Weihnachtsmärchen sind sie sogar durch ganz Norddeutschland getourt. Im Freizeithaus gab es auch Theatergruppen für Kinder. Ein besonderer Spaß war das Hochhausjodeln. Außerdem wurden Tauschmärkte organisiert, die auch unter der neuen Leitung des ASB weitergeführt werden sollen.

Am 1. Juli 2025 hat der Arbeiter Samariter Bund (ASB) das Freizeithaus übernommen. Ein Gespräch mit der neuen Leiterin Franka Oelmann können Sie demnächst im WIR lesen.

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Marianne Groß

... ist Gründungsmitglied des Wilhelmsburger InselRundblicks e. V. Sie berichtet – soweit möglich – über alles, was sie selbst interessiert und hofft, damit die Leser*innen nicht zu langweilen. Dazu gehören die Veränderungen im Stadtteil, Ökologie und Kultur. Zusammen mit ihrem Mann kümmert sie sich um den großen Garten und liebt es, Buchsbäume zu schneiden.

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