Das Netzwerk Hamburger Stadtteilbeiräte fordert die politischen Gremien in St. Georg und Wilhelmsburg eindringlich auf, sich an der Praxis in den anderen Bezirken zu orientieren, die Beiräte als eigenständige Organisationsformen mit ihrer variablen, aber selbstbestimmten Zusammensetzung zu akzeptieren und in ihrem unabhängigen Wirken zu unterstützen
Der Stadtteilbeirat St. Georg – Der älteste und am besten besuchte Stadtteilbeirat Hamburgs soll neu aufgestellt werden. Beim Stadtteilbeirat Wilhelmsburg wird die Geschäftsstelle neu ausgeschrieben
Dazu heißt es in der Stellungnahme des Einwohnervereins St. Georg: „Es ist unglaublich: Mit einem Federstrich hat gestern Abend (31.1.2023, d. Red.) der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP (die sog. Deutschland-Koalition, d. Red.) den Stadtteilbeirat St. Georg für aufgelöst erklärt.“
Und wenn die Politik etwas will, ist auch Geld da. Es werden 20.000 Euro für die Lawaetzstiftung locker gemacht, um im nächsten halben Jahr ein Konzept für die „Neuausrichtung“ eines zukünftigen Beirats zu entwickeln. Ohne die Beteiligung des Beirats oder der Menschen vor Ort. Die bereits festgelegten Termine des Beirats St. Georg für das Jahr 2023 wurden storniert.
Roland Hoitz von der CDU-Fraktion Hamburg-Mitte erklärte gegenüber der MOPO: „Die Bezirkspolitik will, dass sich einiges ändert. In seiner jetzigen Form ist der Beirat nicht arbeitsfähig. Ein kleiner Personenkreis dominiert den Beirat und diskutiert über Themen, für die Stadtteilbeiräte nicht zuständig sind und verschreckt damit auch andere interessierte Bürger.“ Dem widerspricht Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg , seit rund 30 Jahren erst im Sanierungsbeirat und später im Stadtteilbeirat, vehement: „Der Stadtteilbeirat hat sich mit seinen Themen immer wieder als unabhängige Interessenvertretung des Stadtteils begriffen und betätigt. Er hat regelmäßig Anliegen und Forderungen aus St. Georg in den Mittelpunkt gestellt – und sich nicht auf die Haltung beschränkt: der Beirat solle die bezirklichen Mehrheitsverhältnisse akzeptieren und nicht immer wieder in Frage stellen.“ Dies hatte Markus Schreiber, Mitglied der Bezirksversammlung, gefordert. Weitere Informationen hier.
Warum berichten WIR vom Stadtteilbeirat St. Georg?
… haben wir auf Wilhelmsburg nicht genug eigene Probleme? Ja, und eines der Probleme betrifft den Beirat für Stadtteilentwicklung Wilhelmsburg. Ende letzten Jahres, kurz vor der Wahl der Mitglieder, hat die Deutschlandkoalition des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel eine Neuausschreibung der Geschäftsstelle im Bürgerhaus, die den Beirat seit 2014 betreut, ohne Vorankündigung oder Absprachen veranlasst. Das wird wohl in der Bezirksversammlung am 16. Februar 2023 beschlossen. Auch auf Wilhelmsburg verwundert die Auswahl der Kandidat:innen für die einzelnen Quartiere beziehungsweise deren Nichtwahl oft viele.
Vor zwei Jahren grummelte es erheblich im Stadtteilbeirat Wilhelmsburg als der langjährige, politischen Ausschussvertreter:innen oftmals auch unbequeme Vorsitzende Lutz Cassel nicht wieder in den Beirat gewählt wurde und Sitzungen des Beirats einfach ausgehebelt wurden. Der Beirat setzte daraufhin ein Sprecher:innengremium bis zur Wahl einer:eines neuen Vorsitzenden ein. Pikant an dieser Stelle ist, dass sich jetzt Ähnliches wiederholt. In der Januar-Sitzung des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel, wurden Kandidat:innen, die zum Teil schon lange Mitglied des Beirates waren, nicht wieder gewählt. Unter ihnen Andreas Schwarz, ein Vorstandsmitglied, das seit neun Jahren aktiv für die Selbstwirksamkeit und Autonomie des Beirats als Vertretung der Bürger:innen eintrat. Mittlerweile gehört Andreas Schwarz dem Lenkungskreis des Netzwerkes der Hamburger Stadtteilbeiräte an. Sein Quartier „Peter-Beenck-Straße“ blieb so gänzlich ohne Vertreter:in.
Die Differenzen zwischen dem Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel und dem Beirat für Stadtteilentwicklung Wilhelmsburg drangen 2021 bis in den Bezirk. Ein Runder Tisch wurde ins Leben gerufen, der jetzt seine Arbeit beendet hat. Ob der Runde Tisch eine für die Wilhelmsburger:innen positive Zusammenarbeit des Ausschusses und des Beirates auf Augenhöhe erreichen konnte, wird sich zeigen.
In der nächsten Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte am 16. Februar 2023 wird auch über Stadtteilbeiräte und Anträge aus Wilhelmsburg verhandelt.
Der Hauptausschuss hat in seiner Sitzung am 31. Januar 2023 dem Antrag von SPD-, CDU-, FDP- und GRÜNE-Fraktion über neue Beiratsstrukturen zugestimmt. Als Richtwertgröße für die Beiräte werden 12 Personen zuzüglich der Fraktionen vorgeschlagen. Die Beiräte sollen sich auf die bezirklichen, d. h. unmittelbar stadtteilbezogenen Aspekte konzentrieren.
Dies ist der erneute Versuch, den Beirat an die kurze bürokratische Leine zu nehmen. Der erste Schritt dafür war die Abwahl des allseits anerkannten und selbstbewussten Vorsitzenden des Beirates vor zwei Jahren. Trotz aller Zusagen der SPD- und CDU-Vertreter, die Autonomie dieses Bürgerbeteiligungsgremiums zu respektieren, erfolgt mit der Kandidatenauswahl bzw. der Nichtwahl unliebsamer Kandidatinnen und Kandidaten und der Neuausschreibung der Geschäftsstelle ein erneuter Angriff auf die Funktionsfähigkeit des Beirates für Stadtteilentwicklung.
Die erst vor wenigen Jahren erfolgte Zuordnung des Beirates zum Regionalausschuss erweist sich nun als großer Fehler. Viele Jahre war der Beirat als Bürgerbeteiligungsgremium dem Stadtentwicklungsausschuss zugeordnet. Dort war er auch richtig platziert (wie im übrigen auch alle anderen Beiräte). Dieser Ausschuss hat die Vorschläge des Beirates wertgeschätzt und nicht versucht, in einen Kompetenzstreit zu gehen. Dem Regionalausschuss fehlt diese stadtentwicklungspolitische Kompetenz. Deshalb sollte die Bezirksversammlung diese falsche Zuordnungsentscheidung wieder rückgängig machen, dem Regionalausschuss das Mandat zur Begleitung des Beirates entziehen und es wieder dem Stadtentwicklungsausschuss zuordnen.