2020 hat die Woche des Gedenkens an die November-Pogrome auch auf Wilhelmsburg fast ausschließlich online mit Videos und Podcasts stattgefunden. In diesem Jahr konnten die Erinnerung an dieses Naziverbrechen und der Aufruf zum Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus wieder mit verschiedenen Veranstaltungen auf die Straße gebracht werden
Aktion auf dem Stübenplatz
Ganz in Schwarz gekleidet standen die Schüler:innen der Theatergruppe des Helmut-Schmidt-Gymnasiums am Abend des 9. November auf dem Stübenplatz. Im Chor und einzeln erinnerten sie mit lauten klaren Stimmen an den Wahnsinn des Faschismus, so an die Nürnberger Rassengesetze von 1935 mit dem Verbot von„Mischehen” zur „Erhaltung des deutschen Blutes”. Und sie erinnerten auch an erfolgreichen zivilen Widerstand sogar in der Nazizeit am Beispiel des„Rosenstraßen-Protestes” in Berlin 1943, bei dem mehrere hundert Menschen tagelang für die Freilassung ihrer verhafteten jüdischen Angehörigen aus „Mischehen” demonstrierten und am Ende Erfolg hatten.
Am Schluss des Auftritts stand die Aufforderung, sich gegen Rassismus zu wehren und für gesellschaftlichen Zusammenhalt einzustehen. „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Hass!”, riefen die Schüler:innen, und: „Wir stehen auf! Wir erheben unsere Stimme gegen das Vergessen!” Im Anschluss an die Performance auf dem Stübenplatz gingen die Schüler:innen in Gruppen zu den Stolpersteinen im Reiherstiegviertel und hielten musikalische Mahnwachen, die sie zusammen mit Musik von den Elbinseln entwickelt hatten.
Stolpersteinrundgang
Am Sonntag lud dann die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg und Hafen zu einem Stolpersteinrundgang durch das Reiherstiegviertel ein, der im letzten Jahr auch nicht stattfinden konnte. Eine kleine Schar aus Wilhelmsburg und Harburg machte am späten Nachmittag einen Rundgang zu Orten rund um den Stübenplatz, an denen Opfer des Faschismus gewohnt hatten: Wilhelmsburger Jüdinnen und Juden und Widerstandskämpfer:innen, die von den Nazis deportiert und umgebracht wurden.
Vor den Hauseingängen berichteten Margret Markert und Oliver Menk von der Geschichtswerkstatt vom Schicksal jener Menschen und lasen aus Zeitzeugenberichten.
Vor dem Weitergehen stellten sie eine Kerze auf den Stolpersteinen, den kleinen in den Boden eingelassen Gedenktafeln, auf.
Den Abschluss bildete eine Lichtprojektion an die Wand der Emmauskirche gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus des antifaschistischen Widerstandskämpfers Hans Leipelt. Sabine Braun und Ulrich Kodjo Wendt, die den Rundgang musikalisch begleiteten, spielten die Melodie von „A Las Barricadas”. Das Lied der Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg wird weit über Spanien hinaus bis heute als antifaschistisches Kampflied gesungen.