Im Frühjahr 2023 wurde die Unterkunft für Geflüchtete in Kirchdorf-Süd eingerichtet. Der WIR sprach mit dem Leiter der Unterkunft Marcus Szigeti vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sowie Kathrin Schwarz und Gabi Schultz vom Verein “Die Insel Hilft” über ihre Bilanz nach einem Jahr
Geplant war der Standort am Karl-Arnold-Ring 11 vor einem Jahr als „zeitlich befristete Notunterkunft” für Mütter mit Kindern, die aus der Ukraine geflüchtet waren. Das „geplante Betriebsende” war „maximal ein Jahr nach Betriebsbeginn”. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so. Inzwischen leben in den 50 für jeweils vier Personen eingerichteten mobilen Wohncontainern Geflüchtete aus vielen Ländern der Welt. (WIR 18.4.24)
Die Einrichtung im Karl-Arnold-Ring ist eine sogenannte Folgeunterkunft. Im Unterschied zu einer Erstaufnahmeeinrichtung leben hier Geflüchtete, die nicht mehr der „Residenzpflicht” unterliegen, die sie an die Wohnunterkunft als Aufenthaltsort bindet. Und viele haben einen Geflüchtetenstatus, der ihnen die Erwerbstätigkeit erlaubt.
Die meisten Bewohner*innen leben jetzt schon längere Zeit in der Unterkunft. Es gibt nur noch wenige Zu- und Auszüge. Die rund 40 Kinder und Jugendlichen besuchen die umliegenden Schulen.
Neue Sozialräume
“Im Winter hatten wir eine schwierige Zeit”, sagen Gabi Schultz vom Verein “Die Insel Hilft” und der Leiter der Unterkunft, Marcus Szigeti: „Das große Gemeinschaftszelt musste wegen Schimmelbefalls abgerissen werden und es gab bei schlechtem Wetter keinen Ort mehr für Treffs, Arbeitsgruppen und gemeinsame Projekte. Das war für alle Beteiligten manchmal frustrierend.” Aber mit einem bunten Winterfest im Februar wurde das Ende der Durststrecke eingeläutet (WIR 20.3.24). Inzwischen stehen auf dem Gelände mehrere neue Container, zum Teil zu größeren Sozialräumen zusammengelegt. Auf Schildern an den Türen kann man lesen, wofür sie eingerichtet sind. So gibt es unter anderem ein Lernzimmer, einen Kinderspielraum, einen Sportraum und auch ein Gästezimmer. „Diese Containeranlage ist für unsere Bedarfe auch viel besser geeignet als das große Zelt”, sagt Marcus Szigeti.
Ein Teil von Kirchdorf-Süd
Ein wichtiges Ziel, sagen die Vertreter*innen von “Die Insel Hilft” und ASB, sei die Einbindung der Bewohner*innen der Unterkunft in das Leben im Stadtteil. Einmal mehr bestätigen sie die gute Zusammenarbeit der Einrichtungen in Kirchdorf-Süd mit der Unterkunft. So gibt es schon lange die Strickkurse, die Barbara Kopf vom Freizeithaus anbietet, eine Nähwerkstatt im Inselhaus und die Theaterfrau Colombina organisiert ein Theaterprojekt. Seit Anfang des Jahres bietet “Die Insel Hilft” in Zusammenarbeit mit der Stiftung “TO HUUS” den „Mietführerschein” an, eine Hilfe bei der Wohnungssuche, die für Geflüchtete besonders schwierig ist.
Es melden sich auch immer wieder Menschen, die ehrenamtlich in der Unterkunft helfen wollen. Manche kommen über die “Zeitspender-Agentur” des ASB, manche aus dem Stadtteil. So bastelt eine Erzieherin aus Kirchdorf-Süd in ihrer Freizeit mit den Kindern und Beschäftigte von Tchibo haben am „Tchibo Social Day” mehrere Hochbeete angelegt – Garteninteressierte unter den Bewohner*innen werden noch gesucht.
Etliche Bewohner*innen, die eine Beschäftigungserlaubnis haben, gehen morgens früh zur Arbeit und haben zum Teil lange Anfahrtswege.
Insgesamt, so die Vertreter*innen vom ASB und “Die Insel Hilft”, seien die Bewohner*innen der Unterkunft inzwischen ein Teil von Kirchdorf-Süd.
Bewohner*innen aus fünf Sprachgruppen
Eine Herausforderung für Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen in allen Unterkünften ist die sprachliche Verständigung. In der Unterkunft Karl-Arnold-Ring leben Menschen aus fünf verschiedenen Sprachgruppen. Die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen lernen am schnellsten Deutsch und sind dann manchmal Dolmetscher*innen für ihre Eltern. „Aber in letzter Zeit fangen auch manche Erwachsene unterschiedlicher Sprachen an, sich untereinander auf Deutsch zu verständigen”, sagt Marcus Szigeti. Bei den behördlichen Sprachkursen sei noch Luft nach oben, meint Kathrin Schwarz von “Die Insel Hilft”. Die Antragswege seien oft kompliziert und es dauere, bevor ein*e Bewohner*in in einen Sprachkurs vermittelt werden könne. Eine Ehrenamtliche, die einen Sprachkurs im Inselhaus anbietet, wünscht sich allerdings auch noch mehr Interesse der Bewohner*innen am Spracherwerb.
Die Bewohner*innen in der Unterkunft sind russisch- oder ukrainischsprachig. Es wird außerdem auch Türkisch, Arabisch und Farsi gesprochen. Die größte Sprachgruppe bilden aber inzwischen die Spanisch sprechenden Bewohner*innen aus Kolumbien und Nicaragua. Aus Nicaragua sind vor allem nach der blutigen Niederschlagung der Proteste gegen das Ortega-Regime 2018 viele Menschen geflüchtet. Die nicaraguanische Gruppe im Karl-Arnold-Ring bereitet zur Zeit mit Landsleuten aus anderen Hamburger Einrichtungen für den 26. Mai 2024 eine Informationsveranstaltung im Bürgerhaus zum Gedenken an den Aufstand 2018 vor. Auch insofern ist die Unterkunft inzwischen ein Teil von Kirchdorf-Süd.
Klasse. Danke für eure gute Arbeit. Wilhelmsburger gemeinsam gegen Rassismus!