Die Mobilitätswende trifft auf Widerstand. Dabei hat sie gerade erst begonnen

Vor einigen Wochen fuhr ich mit dem Auto von Harburg nach Wilhelmsburg ins Reiherstiegviertel. Da ich es eilig hatte und es nur ein kurzer Besuch sein sollte, fuhr ich ausnahmsweise mit dem Auto. Man denkt ja immer noch, mit dem Auto ginge es schneller … Die vergebliche Parkplatzsuche dauerte dann gute fünfzehn Minuten. In der Veringstraße, der Rotenhäuser Straße, der Weimarer Straße, dem Rotenhäuser Damm und kleineren Nebenstraßen war kein Parkplatz zu finden. Schließlich fuhr ich zurück bis zum Parkplatz am Bürgerhaus und nahm die Linie 13 von der Mengestraße bis zur Veringstraße Mitte. Von da waren es nur ein paar Minuten zu Fuß.
Das Reizthema
„Parkplätze“ waren im Hamburger Wahlkampf ein Reizthema. Bei zunehmendem Autoverkehr wird es immer schwieriger, einen Parkplatz zu finden. Und immer, wenn in der Stadt zugunsten von Rad- oder Fußwegen Parkplätze wegfallen, gibt es heftigen Protest der Autolobby. Die CDU und ein großer Teil der Hamburger Presse fordern einen sofortigen Stopp des Parkplatzabbaus und eine Halbierung der Parkgebühren. CDU-Fraktionschef Dennis Thering spricht von „Abzocke“ und einseitiger Verkehrspolitik zulasten der Autofahrer*innen. Und auch die SPD hat in ihrem Wahlprogramm in Abgrenzung zur bisherigen Politik der rot-grünen Koalition im „Masterplan Parken“ einen Stopp weiteren Parkplatzabbaus verkündet. In der Presse wird gemunkelt, dass Bürgermeister Tschentscher den bisherigen grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks gegen einen SPD-Politiker austauschen möchte.
Das Autoproblem
Mangelnder Parkraum ist eines der am deutlichsten sichtbaren Zeichen, dass der zunehmende Autoverkehr Großstädte an ihre Grenzen bringt. Staus und Umweltbelastung kommen hinzu.
In vielen europäischen Großstädten wurden in den vergangenen Jahren Maßnahmen ergriffen, um den Autoverkehr zu reduzieren. Durch drastische Erhöhung der Parkgebühren wie in Paris, in vielen Städten durch die Einführung einer City-Maut oder durch ein komplettes Parkverbot für Privat-Pkws wie in Rom. Die verschiedenen Maßnahmen führten zu einer teilweise deutlichen Reduzierung des Autoverkehrs und der Unfälle und zu einer Minderung der Schadstoffbelastung.
Vorbehalte und Widerstand

In vielen Fällen gab es gegen diese Maßnahmen zunächst Vorbehalte und Widerstand in Teilen der Bevölkerung. Ein bekanntes Beispiel ist wohl Stockholm. Gegen die Stimmen der lokalen Sozialdemokratie wurde auf Druck der Reichsregierung in der schwedischen Hauptstadt 2006 probeweise eine umstrittene „Stausteuer“ eingeführt. In einem Bürgerentscheid nach der Probephase wurde die endgültige Einführung zwar von 53 Prozent der Bürger*innen befürwortet, die „Stausteuer“ brachte den Sozialdemokrat*innen bei den lokalen Wahlen 2006 aber erhebliche Stimmenverluste. Bei einer Umfrage 2010 unterstützten dann 70 Prozent der Stockholmer*innen die „Trängselskatt“.
Die „Strategie Mobilitätswende“
Die rot-grüne Rathauskoalition hat mit ihrer „Strategie Mobilitätswende“ in den letzten Jahren einen ersten Schritt weg von der „autogerechten Stadt“ der 60er Jahre gemacht, die heute nicht mehr funktioniert. Das Radroutennetz wurde ausgebaut, Radwege wurden verbessert und es gibt Pläne für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Aber die Verkehrssituation, unter anderem auch in Wilhelmsburg, zeigt: Es ist noch viele Luft nach oben. Der Radwegausbau kommt nur langsam voran. Manche neue Radwegeführung, wie in der Veringstraße, ist eine Verschlimmbesserung. Bei 15.000 Neubürger*innen in den nächsten zehn Jahren gibt es keinen konkreten Plan für die dringend erforderliche Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs auf den Elbinseln. Das neue Rathausviertel wird nicht „autofrei“. Nach einer Meldung im Hamburger Abendblatt kommen auf fünf neue Wohnungen zwei Stellplätze in zwei Quartiersgaragen.
Es braucht einen langen Atem
Nach der „Strategie Verkehrswende“ sollen bis 2030 80 Prozent der Wege in Hamburg zu Fuß, mit „Öffis“ oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können. Zu den ersten Schritten dahin gehörten auch die Verengung und der Wegfall von Auto-Fahrspuren zugunsten von Fuß- und Fahrradwegen sowie der Abbau von über 4.000 Parkplätzen in der Stadt. Nur noch 20 Prozent der Wege würden 2030 mit dem Auto zurückgelegt werden, heißt es in der „Strategie Verkehrswende“. Der Autoverkehr verschwindet nach diesem Plan irgendwie von selbst.
Dass die Reduzierung des Autoverkehrs notwendig ist, ist ein Tabuthema. Politiker*innen sprechen es nicht gerne aus. Stattdessen fordert die Autolobby nach dem Motto „wehret den Anfängen“ einen Stopp des „einseitigen Kampfes gegen das Auto“ und die Hamburger SPD knickt ein.
Auf dem Weg in die „Nach-Auto-Stadt“ braucht es einen langen Atem. Andere Großstädte machen es vor.