Protest und Klage gegen die A26-Ost

Nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für den ersten Bauabschnitt der A26-Ost droht nun jederzeit der Start der Bauvorbereitungen in Moorburg. Rund 120 Menschen diskutierten auf einer Bürger*innenversammlung, wie der Bau noch verhindert werden kann

Manuel Humburg. Eingeladen hatte der Runde Tisch Moorburg zu einer außerordentlichen Bürger*innenversammlung am 23. Januar 2024 in die Alte Schule am Moorburger Elbdeich. Lisa-Mia Schaich und Sophie Rönnau vom Runden Tisch freuten sich über das große Interesse und begrüßten in der überfüllten Pausenhalle auch Gäste aus Bostelbek und Wilhelmsburg.

In ihrem Faktencheck erläuterte Lisa-Mia Schaich, warum sie glaubt, dass der Widerstand gegen den drohenden Bau der A26-Ost noch eine Chance hat, auch wenn für den ersten, den Moorburger Bauabschnitt, kurz vor Weihnachten ein Planfeststellungsbeschluss verkündet wurde (WIR 31.12.23).

Überholte Prognosen und das Gegenteil einer Verkehrswende

Stellschild mit der bunten Aufschrift: 4000 Jahre alter Torf Das mächtigste Vorkommen im Großraum Hamburg. Stop A26 Ost
Verlust von elf Hektar Moorflächen. Foto: H. Kahle

In kurzer Zeit sind die Kosten für die 10 km lange Autobahnquerverbindung zwischen A7 und A1 von 950 Millionen auf derzeit 2,28 Milliarden Euro explodiert. Eines der teuersten Autobahnprojekte in der Republik. Grund ist die Kette von komplexen Ingenieursbauwerken, die wegen des komplizierten innerstädtischen Verlaufs mit extremen Bodenverhältnissen im Urstromtal der Elbe erforderlich sind.

Begründet wurde das Projekt immer mit exorbitanten Wachstumsprognosen für den Hamburger Hafen, die längst überholt sind. Was der Hafen vor allem braucht, ist eine Sicherung der Haupthafenroute mit einer Erneuerung der Köhlbrandquerung und keine nur 2,5 km weiter südlich verlaufende Doppelstruktur am Hafen vorbei. Eine „Hafenpassage“ eben, wie der Name richtig enthüllt. Was bleibt, ist vor allem eine Attraktivität für Pendler*innen – ein Szenario, das das Gegenteil der allseits propagierten Verkehrswende wäre.

Für Moorburg und seine Menschen wäre das vermutlich der letzte Sargnagel nach all den Zumutungen (WIR 2/2017), die dieser liebenswerte und idyllische Stadtteil bereits jetzt zu verkraften hat. Vom unwiederbringlichen Verlust von 40 Hektar Biotopflächen ganz zu schweigen. Elf Hektar davon sind ökologisch und klimatisch wertvolle 4.000 Jahre alte Moore mit einer Dicke von vier Metern.

Kann die A26-Ost an den Finanzen scheitern?

Michael Rothschuh im schwarzen Pullover vor dem Mikrophon
Michael Rothschuh: „Chance, den Bundesrechnungshof zu gewinnen”.
Foto: M. Humburg

Im Sommer 2024 soll es eine Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans geben. Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg glaubt, dass das Projekt dabei an den Finanzen scheitern könnte. Denn eine Finanzierung darf es nur geben, wenn das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) deutlich zugunsten des Nutzens ausfällt.

Neben den explodierenden Kosten haben sich aber auch andere Rahmenbedingungen seit der Festlegung des Streckenverlaufs erheblich verändert. Mit dem Wegfall der Zollgrenzen könne von einer Überlastung der Köhlbrandbrücke keine Rede mehr sein, so Michael Rothschuh. Mit den weit unter den übersteigerten Prognosen liegenden stagnierenden Umschlagzahlen gebe es auch keine Zunahme der Hafenverkehre. Mehr Güter würden mit der Bahn transportiert und die Kapazitäten der Straßen im Hafen seien bereits erheblich ausgebaut worden, zum Beispiel mit der Erneuerung der Rethebrücke und dem Bau einer zweiten Kattwykbrücke zur Entflechtung von Bahn- und Straßenverkehr.

Dazu komme der finanzielle Mehrbedarf für den erforderlichen Ersatz der Köhlbrandbrücke zur Sicherung der für den Hafen existenziellen Haupthafenroute. Michael Rothschuh sieht gute Chancen, den Bundesrechnungshof für eine kritische Bewertung von Nutzen und Kosten der A26-Ost zu gewinnen. Er schlägt eine Eingabe durch die betroffenen Verkehrswende-Initiativen vor. Eine entsprechende Befassung des Rechnungshofes hat es bei anderen Straßenprojekten kürzlich bereits gegeben.

Chancen und Grenzen einer Klage

Mit Spannung wurde der Auftritt der Vorsitzenden der Naturschutzverbände BUND und NABU, Sabine Sommer und Malte Siegert, erwartet. Eine Klage der Verbände gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Abschnitt 6a der A26-Ost musste bis Mitte Februar eingereicht werden. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage seien die Anwälte einem schmalen Korridor verpflichtet, sagte Malte Siegert. Die Naturschutzverbände müssten ihre Klage auf den Bereich Naturschutz fokussieren, d.h. als Anwälte der Natur, geschützter Arten und korrekter Ausgleichsmaßnahmen fungieren.

Im politischen Raum nahmen Sabine Sommer und Malte Siegert die anstehenden Wahlen in Hamburg in den Blick. Sowohl bei den Bezirkswahlen Anfang Juni 2024 als auch bei der Bürgerschaftswahl 2025 könnten vernünftige Lösungen bei der Abwägung der verschiedenen Ziel- und Interessenkonflikte angemahnt werden: mit der Prämisse „Erhalt vor Neubau“ angesichts des verbreiteten Sanierungsstaus bei der Infrastruktur und mit der Neuorientierung des Hamburger Hafens angesichts globaler Herausforderungen. Außerdem müssten Stadt- und Verkehrsentwicklung vor allem auch im Hamburger Süden einbezogen werden.

Die Mutmacher*innen

Als „Moorburger Urgestein“ nutzte Manfred Brandt die Bühne, um den Naturschutzverbänden Mut für ihren Widerstand zu machen, zumal ein Erfolg gegen die A26-Ost als „Dinosaurier des Jahres 2021“ auch ein wichtiges bundesweites Zeichen wäre. Für den Fall einer Klage rief er zu Spenden auf und zeigt sich zuversichtlich, allein in Moorburg 20.000 Euro zu sammeln.

Die prominente Autorin und Mobilitätswende-Aktivistin Katja Diehl brachte ihre Unterstützung für den Widerstand in Moorburg, Bostelbek und Wilhelmsburg zum Ausdruck und verwies auf das erfolgreiche Moratorium, das gegen den Bau neuer Autobahnen in Österreich durchgesetzt werden konnte.

Nach diesen Infos und Inspirationen von der Bühne wurde die Versammlung zur Ideenwerkstatt. In mehreren kleinen Gesprächsgruppen wurde weiter diskutiert und Vorschläge für weiteren Aktivitäten zur Verhinderung dieses so aus der Zeit gefallenen Autobahnprojektes wurden zusammengetragen.

Es geht weiter: DEGES geht auf Werbetour, BUND und NABU klagen

Plakat von BUND und NABU. Bild einer grünen Aue mit Baum im Hinergrund und im Vordergrund einer Schwanenfamilie. Dasrüber ein roter Balken mit weißer Schrift: Stop A26 Ost und darunter in weiß: Natur retten
BUND und NABU reichen Klage ein. Illustration: ein

Ende Januar hat die für Autobahnplanung zuständigen Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH (DEGES) mit fünf Info-Ständen in Hamburgs Süden eine Werbetour für die A26-Ost gemacht. Auf Flyern wurde die A26-Ost vor allem als Beitrag zum Umweltschutz – „Weniger Verkehr, Reduzierung von Lärm- und Schadstoffbelastung” – vorgestellt. In Wilhelmsburg stand das Infomobil an zwei Tagen vor dem Luna-Center und an der Esso-Station am König-Georg-Deich, weitab von den direkt betroffenen Bewohner*innen von Kirchdorf-Süd. Entsprechend gering war auch das Interesse der Passant*innen. Das bestätigt auch Lisa-Mia Schaich vom Runden Tisch Moorburg: “Wir haben alle Stände besucht und meistens alleine mit den DEGES-Leuten diskutiert. Wir haben sie auch eingeladen, zu einer Veranstaltung nach Moorburg zu kommen.“ Die Stände hätten wohl eher den Zweck gehabt, auf der DEGES-Homepage als ein Beleg für den „umfassenden Informations- und Dialogprozess“ aufgeführt zu werden.

Anfang Februar haben NABU und BUND jetzt die Einreichung einer gemeinsamen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur A26-Ost angekündigt (siehe auch WIR 6.2.24). In der Begründung zur Klage heißt es: „ Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass die Planung zur A26-Ost im Konflikt mit dem Gesetz steht … Vor allem im jetzt planfestgestellten ersten Abschnitt bei Moorburg sind die Auswirkungen auf die Natur erheblich … Das Ausgleichskonzept des Vorhabenträgers für die zu erwartenden Naturschäden erfüllt nach Auffassung der Umweltverbände die rechtlichen Vorgaben nicht.” „Wir freuen uns, dass die beiden Verbände sich für eine Klage entschieden haben”, sagt Lisa-Mia Schaich, „und wir vom Runden Tisch Moorburg rufen auf, sie mit Spenden zu unterstützen.”

Kontakt
Runder Tisch Moorburg: Runder-tisch-moorburg@posteo.de

Spendenadressen
NABU: https://hamburg.nabu.de
BUND: www.bund-hamburg.de/stopa26ost

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