Jahrelang keine medizinische Notfallversorgung auf den Elbinseln. Das Erzbistum Hamburg schließt das Krankenhaus Groß-Sand
„Es kann eine gute Geschichte werden,“ meinte Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer. Sie ist von der Idee einer Stadtteilklinik überzeugt. (…) „Hoffentlich gelingt es, dass die Immobilie uns gehört,“ erklärte sie später auf der Veranstaltung der Wilhelmsburger SPD am 24. Juni 2025 im AWO-Seniorentreff. Zu dem Zeitpunkt hatte sie von den zahlreichen Besucher*innen schon ordentlich Gegenwind bekommen. Die Wilhelmsburger*innen wollen ihr Krankenhaus Groß-Sand behalten. „Ein wachsender Stadtteil mit demnächst rund 80.000 Einwohner*innen, dazu Hafen- und Störfallbetriebe, auf einer Insel mit maroden Brücken, störanfälliger S-Bahn und langen Staus braucht eine Grund- und Notfallversorgung“, versuchten die Anwesenden der Senatorin klar zu machen.
Am 15. Juli 2025 schließt das Erzbistum Hamburg die Chirurgie und die Notfallambulanz Groß-Sand. „Was ist am 16. Juli morgens um 6 Uhr?“ wurde die Senatorin gefragt. Die Antwort: „Dann müssen die Patienten zu anderen Krankenhäusern oder zu Ärzten am Ort“. Die Diskussion drehte sich vor allem um die Sorge der Wilhelmsburger*innen, ab dem 16. Juli keine Notfallversorgung mehr auf der Elbinsel zu haben (s.a.WIR 18.6.25).
Die Politik macht einen furchtbaren Fehler

Auch Hans Martin Wismar, seit 2013 Arzt in der Notaufnahme an Groß-Sand, befürchtet: „Die Politik macht einen furchtbaren Fehler. Hier werden Leute sterben. Der Transport in andere Stadtteile dauert 20 bis 30 Minuten, die entscheidend sein können. Groß-Sand ist ein funktionsfähiges Haus für Grund- und Regelversorgung. Wir reichen der Stadt die Hand und die Politik sollte auch uns die Hand reichen. Groß-Sand ist genau richtig. Das sagen uns auch die Rettungssanitäter.“ Der Arzt hat eine Petition für den Erhalt von Groß-Sand initiiert. Inzwischen haben circa 10.000 Menschen unterzeichnet und weitere Unterschriften sind möglich.
Viele Wilhelmsburger*innen schleppen sich zu Fuß nach Groß-Sand. In Zukunft benötigen auch sie einen Rettungswagen (RTW), um von der Insel zu kommen. Dabei sind die Notfallambulanzen der anderen Krankenhäuser jetzt schon überlastet. Dort müssen RTWs warten und stehen für Notfälle nicht zur Verfügung. Eine Besucherin berichtete, dass vor kurzem die Notfallaufnahme in dem Asklepiosklinikum Harburg acht Stunden abgemeldet war.
20 Millionen Euro können nicht genutzt werden

Vorschläge der Besucher*innen, die 20 Millionen Euro, die die Stadt dem Erzbistum seit Jahren zur Verfügung gestellt hat und die nicht abgerufen wurden, jetzt für die Fortführung der Notfallaufnahme zu nutzen, lehnte die Senatorin ab: „Die 20 Millionen sind Investitionsmittel, nicht Mittel für den Betrieb eines Krankenhauses. Wir können in das Gebäude investieren. Wir dürfen es aber nicht in den Betrieb stecken. Meine Verantwortung nehme ich so wahr, dass ich den Standort mit einer Stadtteilklinik erhalten möchte. Dazu brauchen wir Zeit. Das Gebäude muss dann auch leer sein, bevor wir planen können. Bis zum 30. Juni 2026 ist noch die Geriatrie drin.“ – Falls die Stadt dann die Immobilie kaufen kann, rechnet die Senatorin damit, dass die Eröffnung der Stadtteilklinik 2027 machbar sei. Das stieß allerdings auf große Skepsis. Ein anwesender Architekt hielt mindestens drei Jahre für deutlich realistischer.
Ist eine Stadtteilklinik für Wilhelmsburg eine gute Lösung?
Die Wilhelmsburger Ärztin Devrim Thormählen wies darauf hin, dass eine Stadtteilklinik kein Krankenhaus sei. Es gäbe dort keine Anästhesie, keine Reanimation und keine Intensivstation. Die Wilhelmsburger Praxen seien voll und könnten nicht mehr schaffen. Sie seien keine Durchgangsärzt*innen und würden die Patienten nach Groß-Sand schicken. Die Ärztin hat früher auch in Groß-Sand gearbeitet und beklagte, dass in den letzten 10 Jahren immer wieder im Krankenhaus gekürzt wurde. Früher hätte jede akute Krankheit behandelt werden können. Alles sei runtergewirtschaftet: „Aber das ist nicht unser Fehler. Wir zahlen genauso viel Steuern.“
Die Senatorin hofft, die Gebäude sehr zeitnah erwerben zu können. Die unmittelbaren Planungen würden parallel zum Betrieb laufen und Ausschreibungen erfolgten aus der Lenkungsgruppe Groß-Sand heraus. Es gäbe hinreichende Kontakte zu anderen Trägern und es gäbe großes Interesse. Die Aufmerksamkeit für dieses Projekt sei bundesweit.
Auch das Erzbistum erwägt, sich zu bewerben, aber dieser Träger wird allgemein abgelehnt. Wie man hört, hat auch Pflegen und Wohnen Interesse.
Was bedeutet die Schließung von Groß-Sand für die Mitarbeiter*innen?
In der Information vom 27. 5. 2025 heißt es: „der Rückbau einzelner stationärer Leistungen verändert den Personalbedarf, insbesondere im OP, in der ZNA und in der Chirurgie. Gleichzeitig entstehen neue Beschäftigungsperspektiven – sowohl im Rahmen der Fachklinik (künftig am Marienkrankenhaus) als auch in der neu entstehenden Stadtteilklinik in Wilhelmsburg. Innerhalb der Ansgar-Gruppe wird es zudem vereinfachte Bewerbungsverfahren geben.
Ein Besucher warnte die Mitarbeiter*innen davor, selbst zu kündigen. Beim Abschluss der neuen Verträge würden sie auf jahrelang erworbene Rechte verzichten. Ihnen stünden Abfindungen zu.
Die Schließung von Groß-Sand wird Thema in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft sein.
Termin: 1. Juli 2025 um 17 Uhr
Ort: AP6, Sitzungssaaal 1.05, 1. Obergeschoss, Adolphsplatz 6, 20457 Hamburg
Die Sitzung ist öffentlich.
Die Anhörung der Bürgerinnen und Bürger zum Thema Krankenhaus Groß-Sand und Schließung der Notaufnahme findet am 21. Juli 2025, 17 Uhr, im Hamburger Rathaus, Festsaal, statt. Durchgeführt wird sie vom Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft, der danach über die Ergebnisse berät und ggf. in der Sitzung Beschlüsse fasst.
Ich gehe davon aus, dass die Anhörung gehandhabt wird wie bisherige öffentliche Anhörungen (zuletzt zum Beispiel zur Hafenentwicklung): Jeder Mensch kann sich zu Wort melden. Sicherlich wird die Sitzungsleitung auf zeitliche Begrenzung achten, es gibt ein Wortprotokoll, das auch veröffentlicht wird.
(Anm. d. Red.: Hier finden Sie die Tagesordnung)
Obwohl die Misere in Groß-Sand seit vielen Jahren bekannt ist, hat die Stadt keinen Plan, wie man ein Krankenhaus mit Notaufnahme für Wilhelmsburg sicherstellen kann. Die Schließung der überaus wichtigen Notaufnahme wird von Senatorin Schlotzhauer achselzuckend zur Kenntnis genommen – und auf eine „Klinik“ verwiesen, von der Niemand weiß, welche Öffnungszeiten sie haben soll, was dort behandelt wird und wer dort hin darf.
Es immer noch keine Bereitschaft der Stadt, das Krankenhaus zu übernehmen. Dabei gibt es in Deutschland über 500 Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft. Warum sollte in Hamburg nicht möglich sein, was in allen anderen Bundesländern möglich ist?
ich habe den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft (SPD, CDU, GRÜNE, LINKE) vorgeschlagen, dass sie morgen eine Öffentliche Anhörung zur Zukunft des Krankenhauses durchführen, bei der alle Bürger:innen frei ihre Meinung sagen können. Denn dss Krankenhaus geht alle an. Die Anhörung wird durchgeführt, wenn 1/4 der Ausschussmitglieder sie beschließen.
Auch das Erzbistum erwägt, sich zu bewerben, aber dieser Träger wird allgemein abgelehnt.
Soll das ein Witz sein? Nach den miserablen Erfahrungen in Wilhelmsburg, darf und kann in Zukunft der Kirche kein Krankenhaus mehr überlassen werden. Der Hinweis alleine auf eine mögliche Bewerbung ist einfach irre. Erst wird das Krankenhaus heruntergewirtschaftet, dann wird es mit Steuergeldern saniert und die Kirche streicht Geld für den Verkauf ein und dann will sie sich bewerben??? Wofür eigentlich? Für das nächste Herunterwirtschaften eines Krankenhauses?
Welche miserablen Erfahrungen haben sie den mit dem Krankenhaus gemacht?
Inwiefern wurde es ihrer Meinung von der Kirche „heruntergewirtschaftet“?
Was wäre mit einem privaten Träger besser gelaufen?
Es ist von der Politik gewollt, dass Krankenhäuser Gewinn machen sollen. Wenn die Politik kein Geld für den Betrieb zur Verfügung stellt, kann auch die Kirche nicht unendlich Verluste machen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es Patienten und Angestellten in kirchlichen Häusern immer noch besser geht als in privat geführten Häusern wie z.b. von Asklepios im Bezug auf Arbeitsbelastung und Zeit für Patienten.