Der Senat plant vor Scharhörn auf Hamburger Gebiet Baggergut zu verklappen. Auf Hamburger Gebiet?
Der Plan des Hamburger Senats, vor der Insel Scharhörn belasteten Hafenschlick zu verklappen, der bei der Elbvertiefung anfällt, stößt bei Umweltverbänden und dem Land Niedersachsen auf heftigen Protest. Nun liegen die Inseln Neuwerk und Scharhörn und das Wattenmeer drumherum zwar mehr als 100 Kilometer von der Stadt entfernt, gehören aber als Teil des Bezirks Mitte zu Hamburg.
Der Senat musste also für die Verklappung des Hafenschlicks niemanden um Erlaubnis fragen. Dachte der Senat. Doch da ist jetzt der grüne Bundestagsabgeordnete Stefan Wenzel aus Niedersachsen. Auch er protestiert gegen die ökologische Katastrophe dieser Deponie im Wattenmeer. Vor allem aber zweifelt er in einer Anfrage an, dass Neuwerk und Scharhörn überhaupt rechtmäßig Hamburger Hoheitsgebiet sind.
Die Inseln und das Areal drumherum wurden Hamburg 1961 in einem Staatsvertrag von Niedersachsen übertragen, im Tausch gegen das Steubenhöft in Cuxhaven, das vorher zu Hamburg gehörte. Die Älteren erinnern sich noch an den damaligen Plan eines großen Tiefwasserhafens, den Hamburg im Wattenmeer bauen wollte, mit Industrie- und Umschlaganlagen und genügend Wassertiefe für zukünftige Mammutschiffe. Rechtliche Einwände in den Ministerien gegen diesen Tauschhandel wurden in der Begeisterung für dieses Projekt beiseite gewischt. Vereinzelte Presseberichte erwähnten das Problem. Die Jurist:innen verwiesen darauf, dass die Sände um Neuwerk und Scharhörn zur Bundeswasserstraße Elbe gehörten und also das Land Niedersachsen diese gar nicht veräußern könne – da sie ihm nicht gehörten. Und genauso gravierend: Nach Grundgesetz Artikel 29 , Absatz 7, bedürfe jede Änderung des Gebietsstands der Länder der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat – die nicht eingeholt wurde. Trotz dieser angezweifelten Rechtmäßigkeit kam der Deal zustande und dann hat es offenbar keinen mehr bekümmert.
Hamburgs großzügiger Umgang mit Recht und Gesetz, wenn es um die Interessen der Hafenwirtschaft geht, hat bekanntlich eine lange Tradition. Die ganze Geschichte der schönsten Stadt der Welt gründet sich ja auf den angeblichen „Freibrief” Kaiser Friedrich Barbarossas vom 7. Mai 1189, in dem der Stadt Zoll- und Wegefreiheit für alle Schiffe auf der Elbe und, unter anderem, das Recht zu fischen und Bäume zu fällen (!) gewährt wurde. Der Tag wird als Hafengeburtstag gefeiert. Tatsächlich, das lernt inzwischen jedes Schulkind, ist der Brief eine Fälschung aus dem 13. Jahrhundert, um die Entwicklung der aufstrebenden konkurrierenden Hafenstadt Stade an der Unterelbe zu stoppen.
Der Hamburger Senat ist in der Defensive. Ein kürzlich aufgetauchtes neues Dokument kommt daher gerade recht (siehe Kasten).