Die Brücke und die Flut

Anfang Februar 2023 wurde die Brücke über die Mengestraße abgerissen. Sie war der letzte Überrest der alten Reichsstraße. Bei der Flutkatastrophe 1962 war sie auch ein Fluchtort

Die Diskussion, ob die alte Reichsstraße überhaupt verlegt werden sollte, ob die Trasse nach der Verlegung erhalten bleiben sollte, als Fahrradroute oder oder für eine U-Bahnlinie, ist inzwischen Geschichte. Auf dem südlichen Teil der alten Straße wachsen Bäumchen und sie wird langsam, wie geplant, zu einem Teil des Inselparks. Auf dem Nordteil sollen in ein paar Jahren die ersten Häuser stehen. Die Brücke über die Mengestraße war das letzte Überbleibsel der alten Straße.
Seit Anfang des Monats konnten die Wilhelmsburger:innen beim ihrem Abriss zuschauen oder ein letztes Mal über die ehemaligen Auffahrten der alten Reichsstraße fahren, die die Umleitung an der Baustelle bilden. Nicht abgerissen wird die Reichsstraßenunterführung des Gert-Schwämmle-Weges. Der mit dem blauen Sternenhimmel bemalte Brückenbogen soll zur Erinnerung an die ehemalige Trasse als Kulturdenkmal erhalten bleiben.

Die Brücke und die Flut 1962

Das Haltestellenschild Rathaus Wilhelmsburg mit dem grünen Zusatz: Sammelpunkt bei Sturmflut
Sammelpunkt an der Bushaltestelle. Foto: H. Kahle

Ein älterer Wilhelmsburger, der die Flutkatastrophe 1962 miterlebt hatte, wies uns daraufhin, dass der Reichsstraßendamm und die Brücke über die Mengestraße damals auch Fluchtorte gewesen seien, auf die sich Menschen aus der Umgebung gerettet hatten. Wir merkten im Gespräch mit ihm, dass wir gar nicht sagen können, wo sich denn aktuell auf den Elbinseln Fluchtorte für den Fall einer schweren Sturmflut befinden. 60 Jahre nach der Katastrophe ist Sorglosigkeit eingekehrt: Die Deiche sind erhöht, einmal im Jahr ist Flutgedenken, hin und wieder liest man vielleicht über die jährlichen Übungen der Deichwacht (siehe WIR 10/20). Und wer hat schon dass Faltblatt der Stadt „Sturmfluthinweise für die Bevölkerung” an der Wand hängen. Dort finden sich neben anderen wichtigen Tipps auch Verhaltensregeln zur Evakuierung und eine Karte mit den „Fluchtburgen” für die Einwohner:innen, denen es nach Abschluss der planmäßigen Evakuierung nicht mehr möglich ist, das gefährdete Gebiet zu verlassen. Außerdem sind die Sammelpunkte an Bushaltestellen verzeichnet, von denen aus die Einwohner:innen mit dem Bus in Sicherheit gebracht werden können. Ein Sammelpunkt ist die Haltestelle Rathaus Wilhelmsburg, 50 Meter von der alten Reichsstraßenbrücke entfernt. Am Anfang einer Checkliste auf dem Faltblatt steht: „Rechtzeitig vor dem Eintritt einer Sturmflut werden sie gewarnt …” Das ist natürlich die Voraussetzung.

Das Faltblatt gibt es als > Download

2 Gedanken zu “Die Brücke und die Flut

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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