Im Gespräch: Sylvia Pille-Steppat

Endlich haben WIR es geschafft und einen Termin gefunden, um Sylvia Pille-Steppat für ein kleines Interview zu treffen! Diesmal fand es sogar via Zoom statt – der eWIR ist nun also vollends in der digitalen Welt angekommen

Spätestens seit ihrer Rückkehr von den paralympischen Spielen in Tokio 2021 hatten WIR ein Interview geplant, um die Pararuderin aus Hamburg näher kennenzulernen. Vor allem auch, da Sylvia (Ehren-)Mitglied im Wilhelmsburger Ruder- Club v. 1895 e. V. ist!

WIR: Hallo Sylvia! Es freut mich, dass es nun endlich geklappt hat mit unserem Interview!

Sylvia: Mich freut es auch total! Auch wenn ich ja gar nicht in Wilhelmburg lebe, sondern in Harburg – die Verbindung ist ja durch den Ruder Club entstanden!

WIR: Da sind wir ja quasi schon direkt im Thema! Aber vielleicht vorab für alle Leser:innen, die dich noch nicht kennen: Wer ist Sylvia?

Sylvia: Ja, also mein Name ist Sylvia Pille-Steppat, ich wohne seit über 20 Jahren in Hamburg, war früher Marathonläuferin und bin mittlerweile Pararuderin. Dazu arbeite ich noch im Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg und bin somit an stadtplanerischen Projekten beteiligt. Ursprünglich habe ich Architektur studiert, habe aber auch schon im Bereich Erwachsenenbildung gearbeitet, war Energieberaterin und bin nun in der Quartiersentwicklung tätig.

WIR: Wow, das klingt nach einem sehr vielfältigen Lebenslauf! Wie kam es dazu?

Sylvia: Ich probiere gerne neue Dinge aus. *lacht* Und irgendwie sind die Themen schon alle miteinander verbunden. Immobilien, das Bauen, Architektur und eben auch ein bisschen Stadtplanung. Ich habe gerne das Große und Ganze im Blick und sehe einen Sinn in meiner Arbeit. Mir ist wichtig, dass ich einen Mehrwert bieten und für Inklusionsthemen sensibilisieren kann. Und dann gibt es in meinem Alltag natürlich noch das Pararudern!

WIR: Wie vereinst du das in deinem Alltag?

Sylvia: Es braucht viel Flexibilität. Ich arbeite in Teilzeit, denn ich brauche auch täglich Zeit für mein Training. Da ich zweimal am Tag trainiere, brauche ich da schon ein bisschen mehr Zeit für. Aber meine Familie steht hinter mir und ist genauso flexibel. Und auch mein Arbeitgeber kommt mir in intensiven Trainingsphasen entgegen. Als ich für die Paralympics trainiert habe, war der Trainingsaufwand ja auch noch viel höher als sonst!

WIR: Wie sieht denn so dein Trainingsalltag aus? Was ist der Unterschied zwischen dem „normalen“ Training und dem „Wettkampftraining“?

Sylvia: Ich habe ein Rudergerät daheim und auch ein Gerät für Krafttraining. Früher als ich Marathon gelaufen bin, brauchte ich ja fast nur Kraft in den Beinen, jetzt kommt die Kraft aus den Armen. Zusätzlich trainiere ich aber auch auf dem Wasser. Im Sommer bis zu fünfmal pro Woche. Wenn ich es schaffe, dann auch gerne hier auf den Wilhelmsburger Kanälen. Aber als Rennstrecke ist es nicht möglich, da diese 2.000 Meter lang sein muss. Dafür trainiere ich zum Beispiel in Allermöhe. Eigentlich bin ich gefühlsmäßig immer im Wettkampftraining! *lacht* Als nächstes steht quasi eine „Prüfung“ in Leipzig an, dann gibt es im Juni den Weltcup, im August die Europameisterschaft und im September die Weltmeisterschaft – ich bin also bis September eingeplant! Je näher die Wettkämpfe rücken, desto intensiver natürlich auch das Training. Dann geht es auch mal für längere Zeit ins Trainingslager.

WIR: Wow, das klingt nach viel harter Arbeit! War es denn dein Ziel, Leistungssport zu machen?

Sylvia: *lacht* Nein, nicht wirklich. Ich habe damals meinen Sohn zum Rudertraining gebracht, der hatte hier in Wilhelmsburg trainiert. Ich habe dann einfach gefragt, ob ich nicht mal mit trainieren könnte. Am Anfang war das Training dann noch gar nicht so leistungsorientiert und ich habe es eher als Freizeitsport gesehen. Ich wollte mich ja einfach weiterhin bewegen. Angefangen habe ich 2011 mit dem Rudern. Das Laufen fiel mir durch meine MS-Erkrankung bereits schwer, also habe ich auch eher nach einer sitzenden Sportart gesucht. Schwimmen und Radfahren fand ich aber nicht so toll. Beim Rudern gefällt es mir auch gut, dass man gleichzeitig viel Zeit in der Natur und auf dem Wasser verbringen kann. Seit 2013 sitze ich nun komplett im Rollstuhl. Das Rudern und der Sport haben mir diesen „Übergang“ auf jeden Fall erleichtert. Ich fühle mich gesundheitlich richtig gut. Ich habe dann einmal an einem Indoor-Wettkampf teilgenommen und kam mit einer anderen Teilnehmerin ins Gespräch. Die hat mich dann direkt an einen Trainer weitergeleitet und auf einmal war ich „drin“. *lacht* Da habe ich dann auch entdeckt, was noch alles möglich ist und möglich sein kann. Wenn ich mich jedoch zurückerinnere, habe ich damals schon beim Laufen um die Alster immer die Ruderer beobachtet und fand die Sportart total faszinierend. Vielleicht war das ein Zeichen …

WIR: Du hast vermutlich schon oft darüber gesprochen, aber du warst ja bei den paralympischen Spielen in Tokio 2021 dabei – wie war’s ?

Sylvia: Es war eine so tolle Erfahrung! Die Atmosphäre in dem olympischen Dorf, die Wettkampfatmosphäre … Leider gab es durch die Pandemie ja viele Beschränkungen. Meine Familie konnte nur über den Fernseher zuschauen und auch wir Teilnehmenden durften nicht bei anderen Wettkämpfen zugucken. Von Tokio hat man gar nicht so viel mitbekommen, das Training hat ja viel Zeit in Anspruch genommen und wir mussten nach dem Finale direkt wieder abreisen.

Pararuderin Sylvie Pille-Steppat in ihrem Ruderboot auf dem Wasser mit einer Deutschlandflagge in den Armen
Pararuderin Sylvia Pille-Steppat in ihrem Ruderboot auf dem Wasser.
Foto: Sylvia Pille-Steppat

WIR: Ist die nächste Teilnahme schon in Planung?

Sylvia: *lacht* Klar! Aber dafür muss ich mich erstmal qualifizieren. Es gibt in meiner Bootsklasse 12 Startplätze. Bei vorherigen Wettkämpfen kann man einen Startplatz für das Boot qualifizieren. Ob man dann auch wirklich selbst drinsitzt, entscheidet sich dann wieder in einem weiterer Wettkampf.

WIR: Woher nimmst du die Motivation? Hast du ein Lebensmotto oder eine Lebensphilosophie?

Sylvia: Mh, ich glaube „lächeln und atmen“. Das hatte mir mal eine Trainerin als Sticker auf mein Boot geklebt. Und „Genuss finden in der Anstrengung“.

WIR: Das klingt sehr passend! Magst du zum Abschluss noch etwas loswerden?

Sylvia: Ich freue mich darauf, im Sommer auch wieder öfter in Wilhelmsburg trainieren zu können! Vor allem, da ja auch das Clubhaus neu gebaut werden soll und ich mich auch, bedingt durch meinen Beruf, einbringen kann, sodass wir auf eine barrierefreie Neugestaltung achten. Ich bleibe also gespannt, was demnächst noch so kommt!

WIR: Das bleiben WIR auch! Vielen Dank für dieses tolle und inspirierende Interview liebe Sylvia!

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Liza-Shirin Colak

Liza-Shirin Colak schreibt als jüngstes WIR-Mitglied besonders über Stadtteilentwicklung, Nachhaltigkeit und lokale Insel-Insider.

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