Update zu: Warum werden die Wilhelmsburger Deiche nicht mehr beweidet?

Vor einiger Zeit hatte unser Leser Karsten Rüder einen Offenen Brief an den LSBG* und den Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordneten Michael Weinreich (SPD) geschrieben, weil er sich Sorgen um die Deichsicherheit angesichts der teilweise völlig überwucherten Deiche auf der Elbinsel machte.

Herr Rüder hat nun eine Antwort aus dem Abgeordnetenbüro von Michael Weinreich erhalten.

Schafbeweidung zu teuer – wieviel ist den Behörden die Deichsicherheit wert?

Stand 25.7.2023

die knappe persönliche Antwort von Michael Weinreich im E-Mail-Anschreiben an Herrn Rüder lautet so: „( … ) Wir sind in Verhandlungen, damit wieder eine Schafbeweidung stattfindet, weil sie besser für den Deich ist. Allerdings wird in Finkenwerder seit 40 Jahren regelmäßig gemäht und auch hier ist der Deich in gutem Zustand. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an der Deichsicherheit – Sie können sicher sein, dass ich hier sehr engagiert bin, damit wir nie wieder eine Katastrophe wie 1962 erleben müssen.“

Der Antwort-Mail aus dem Abgeordnetenbüro hing eine von Michael Weinreich an die Umweltbehörde (BUKEA) gestellte Anfrage bezüglich der Deich-Mahd, inklusive der etwas ausführlicheren behördlichen Antworten darauf, an. WIR geben sie hier, der besseren Lesbarkeit wegen in leicht bearbeiteter Form, wieder:

Bevor die Behörde die Fragen beantwortet, gibt sie vorweg einen Hinweis:
„Eine Übernahme des Aufgabenbereichs der Deichpflege in Wilhelmsburg durch die BUKEA hat nicht stattgefunden. Für die Unterhaltung der öffentlichen Hochwasserschutzanlagen, mit Ausnahme der Sonderbauwerke in der Hauptdeichlinie, ist gemäß Abschnitt II 3.1 der „Anordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wasserrechts und der Wasserwirtschaft“ vom 7. April 1987, zuletzt geändert am 30.07.2019, das Bezirksamt Hamburg-Mitte (BA-Mitte) zuständig. Der Bezirk hat sich jedoch entschieden, zum Jahr 2022 die Deichunterhaltung in Wilhelmsburg nicht mehr in Eigenleistung zu erbringen, sondern den LSBG* zu beauftragen.“

Frage:
„Da den parlamentarischen Raum bezüglich der Deichpflege in Wilhelmsburg seit der Übernahme des Aufgabenbereichs durch die BUKEA vermehrt Beschwerden von Bürger:innen erreichen, fragt der Abgeordnete: In welchem Turnus werden die Deiche in Wilhelmsburg gemäht?“

Antwort:
„Für die Deichunterhaltung ist das BA-Mitte zuständig.** Regulär werden die Deiche 1 x im Frühjahr (Mai/Juni) und 1 x im Herbst (September/Oktober) gemäht. Dabei erfolgen die Mäharbeiten auch unter Berücksichtigung der herrschenden Wetterlage. Im Sommer werden die Deich im Bedarfsfall geschlägelt, was eine Sonderform des Mähens ist.“

Frage:
„Wann wurde der Deich in Moorwerder zuletzt gemäht?“

Antwort:
„Für die Deichunterhaltung ist das BA-Mitte zuständig.** Der Deich in Moorwerder wurde zuletzt im Herbst 2022 gemäht. Der jetzt bevorstehende Mähdurchgang erfolgt ab KW 28. Die diesjährig etwas verspätete Deichmahd ist personellen Engpässen in Verbindung mit knappen Unterhaltungsmitteln und einer hohen Auslastung geeigneter Anbieter geschuldet.“

Bevor Michael Weinreich die nächste Frage formuliert, gibt er eine Einschätzung vorweg:
„Die Schafbeweidung der Deiche wurde bei der Deichschau im Herbst als notwendig eingestuft, um ein Mindestmaß an Deichsicherheit zu gewährleisten. Zur Deichunterhaltung sind sowohl die Schafbeweidung als auch die Mahd in Verbindung mit Wühltierbekämpfung geeignete Mittel. Welche Unterhaltungsform bei welchem Deich erfolgt, entscheidet der Deichunterhalter. Die Schafbeweidung (evtl. in Kombination mit maschineller Mahd) bringt tendenziell Vorteile bei Deichunterhaltung und Erhalt einer vitalen und widerstandsfähigen  Grasnarbe und wird daher in vielen Bereichen angestrebt. Hierfür ist eine ausreichend große Herde und die dafür nötige Infrastruktur vorzuhalten. Der bisherige Schafstall in Wilhelmsburg, für den im Rahmen der Deichrückverlegung Ellerholz derzeit ein neuer Standort gesucht wird, genügt den Anforderungen nicht mehr. Ein Schafstall muss hinsichtlich der Herdengröße sowie auch für eine Winterhaltung ausgelegt sein. Eine Schafbeweidung sollte mit einem längerfristigen Vertrag vereinbart werden, um auch einem Schäfereibetrieb eine gewisse Planungssicherheit zu geben.“

Frage:
„Da die Deichsicherheit für die Bewohner:innen immanent wichtig ist und daher einen zu priorisierenden Aufgabenbereich darstellt, fragt der Abgeordnete: Ist eine Schafbeweidung der Deiche vorgenommen worden?“

Antwort:
„Aktuell wird keine Schafbeweidung durchgeführt.“

Frage:
„Wieso nicht?“

Antwort:
„Die für eine Schafbeweidung erforderlichen Finanzmittel stehen den zuständigen Stellen nicht zur Verfügung. Es wird daher die kostengünstigere Mahd durchgeführt.“

Frage:
„Ist eine Schafbeweidung geplant? Falls ja, für wann ist diese geplant?“

Antwort:
„Vorbehaltlich der hierfür erforderlichen Finanzmittel wird eine zukünftige Schafbeweidung angestrebt. Zu einer entsprechenden Haushaltsdrucksache zur Einwerbung zusätzlicher Mittel für die Deichunterhaltung steht die BUKEA aktuell in Kontakt mit der Finanzbehörde.“

*LSBG: Abkürzung für „Landesbetrieb Straßen, Brücken, Gewässer“, Teil der Hamburger Verwaltung, der auch für den Deichbau und Deicherhalt zuständig ist (= „Geschäftsbereich Gewässer und Hochwasserschutz“).

**Dies ist kein Druckfehler. Die BUKEA schickt ihren beiden Antworten tatsächlich zweimal diesen Satz voraus. (Der unseres Wissens nicht stimmt – aber vielleicht wissen SIE mehr, liebe Leser:innen?)

Der Offene Brief:

Ungemähter Deich in Moorwerder (a. d. Norderelbe).
Fotos: S. Clausen

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin ein Anwohner in Kirchdorf und beobachte seit einiger Zeit mit Sorge die Verhältnisse an den Deichen der Elbinsel.

Schon im vergangenen Jahr habe ich bei meinen Spaziergängen mit unseren Hunden kein einziges Schaf auf den Deichen um Moorwerder herum entdecken können. Immerhin wurde der Deich gemäht und beim Stöbern im Internet konnte man erfahren, dass 2023 alles besser werden würde, da sich der neue Fachmensch für die Hamburger Deiche beim LSBG  gerade einarbeite. 

Nun scheint das aber nicht der Fall gewesen zu sein! Auch in diesem Jahr werden hier keine Schafe gesichtet, hingegen auf den „Festlandelbseiten“ sehr wohl! Damit nicht genug, der Bewuchs ist mittlerweile bis zu 50 cm hoch, das Unkraut überwuchert das Gras – dabei wissen wir doch, dass genau das nicht geschehen soll!
Gemäht wurde bisher nicht!

Ich frage: Warum wird auf der Elbinsel so verfahren, habe ich etwa neue Erkenntnisse über den optimalen Deichschutz verpasst? Schon in der Grundschule habe ich jedenfalls gelernt, dass Schafe unabdingbar für den Deichschutz sind und dass unbedingt der Unkrautwuchs unterbunden werden muss, bevor dieses zur Blüte gelangt!

Wer ist dafür verantwortlich und bereit die Konsequenzen zu tragen? Es soll doch wohl nicht alles immer auf „Corona“ geschoben werden?

In der Erwartung einer verbindlichen Antwort
mit freundlichen Grüßen
Karsten Rüder

Keine Antwort, kleine Mahd

Ab Höhe Bauernstegel nach Süden wurde der Deich in Moorwerder (a. d. Norderelbe) inzwischen gemäht.

Stand 12.7.2023:

Eine Antwort hat Herr Rüder bisher nicht erhalten, lediglich eine standardisierte Eingangsbestätigung vom LSBG. Michael Weinreich hat gar nicht geantwortet.

Inzwischen wurde immerhin der Deich an der Norderelbe in Moorwerder bis zum Bauernstegel und an der Süderelbe bis zum Heuckenlock gemäht. Der restliche Ringdeich um Wilhelmsburg herum ist weiterhin ungemäht. (Redaktion)

8 Gedanken zu “Update zu: Warum werden die Wilhelmsburger Deiche nicht mehr beweidet?

  1. Wer ist denn nun zuständig für die Unterhaltung der Deiche? Der WIR berichtete am 23. März 2022 von der Sitzung des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel, die am 22. Februar 2022 stattgefunden hatte. Dort hatte sich sich Michael Schaper, Fachbereichsleiter Sturmflutsicherheit beim LSBG, vorgestellt. Er berichtete, dass für die Wilhelmsburger Deiche die BUKEA (Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft) zuständig sei. Diese wiederum habe den LSBG beauftragt. Hat die BUKEA das nicht mitbekommen (s.o.)? Michael Schaper begründete, warum 2022 keine Schafe die Deiche beweideten.
    Nach meinen Notizen kündigte er für 2023 wieder Schafe an.

    1. Ich finde den Deich wie er ist gerade sehr schön. Wild. Er speichert übrigens in seiner Langen Form mehr Kohlenstoff und Bestäuber können in ihm gut Leben. Welches beides aktuell wichtiger ist denn je. Ob die Deichsicherheit dadurch beeinträchtigt wird vermag ich nicht zu beurteilen. Das überlasse ich lieber den Menschen vom Fach…

  2. Über Social Media haben uns zwei weitere Kommentare erreicht:
    Luka schriebt: „Der Schafstall gehört imho der Stadt(LSBG?) und lange Zeit haben die regelmäßig diese Stelle für die Deichschäferei neu ausgeschrieben. Nachdem die Kooperation mit dem letzten Schäfer aufgekündigt wurde hätte man genausogut eine neue Ausschreibung machen können, wurde aber nicht getan. Der jetzige Stall dürfte an der Stelle auch nurnoch 1-2Jahre stehen und fällt dann der Rückdeichung zum opfer, wenn ich die Pläne richtig deute. Es müsste also einen neuen Stall geben und das die Stadt einen baut halte ich eher für ausgeschlossen. So wie es aussieht war das vorerst das ende der Deichschafe auf Wilhelmsburg.“

    Und Elly berichtet: „Biete Info aus dem Stadtteilbeirat:
    Dieses Jahr werden die Deiche maschinell gemäht. Ab nächstem Jahr soll es wieder Schafe geben. Stellenausschreibungen von der Stadt hierfür ist raus.“

    Grüße aus der Redaktion

      1. Liebe Nadine Quinn,
        ich empfehle dir, dich an die Pressesprecherin des LSBG zu wenden:
        Edda Teneyken
        Büro der Geschäftsführung
        Presse- und projektbezogene Öffentlichkeitsarbeit
        Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer Sachsenfeld 3-5 •
        Freie und Hansestadt Hamburg
        20097 Hamburg
        Mobil 0176 428 60 681
        E-Mail edda.teneyken@lsbg.hamburg.de http://www.lsbg.hamburg.de
        Viele Grüße
        Marianne

  3. Gegen die Wühlmäuse hilft auch keine Mahd, sondern Schafe. Warum gibt es dieses Jahr wieder keine Schafbeweidung? 60 Jahre nach der Flutkatastrophe 1962 werden die Deiche wieder vernachlässigt.

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