Superblocks – die Lösung für den Verkehrskollaps in Wilhelmsburg?

In Wilhelmsburg geht die Verkehrswende nicht voran. Offensichtlich fehlt es der Politik oder den Planer*innen an Visionen. WIR stellen euch das Konzept „Superblocks“ vor, das viele der Probleme lösen könnte und die Lebensqualität deutlich erhöhen würde

„Superblocks“ – was ist das eigentlich?

Superblocks sind ein Konzept der städtischen Verkehrsplanung, bei dem mehrere benachbarte Häuserblöcke zu einer größeren Einheit zusammengefasst werden. Innerhalb dieses Superblocks wird der motorisierte Individualverkehr stark eingeschränkt und auf das Notwendigste reduziert: Autos sind grundsätzlich weiterhin erlaubt, dürfen aber nur noch mit reduzierter Geschwindigkeit (meist 10 bis 20 km/h) fahren, der Durchgangsverkehr wird über die umliegenden Hauptstraßen geleitet, Parkplätze reduziert. Die Erreichbarkeit aller Gebäude mit dem Auto bleibt für Anwohnende, Lieferverkehr und Rettungsdienste weiterhin gewährleistet.

Fußgänger*innen sowie Radfahrende erhalten Vorrang. Der dadurch gewonnene Straßenraum wird für Grünflächen, Aufenthaltsbereiche und soziale Aktivitäten genutzt, was die Lebensqualität, Verkehrssicherheit und das Stadtklima verbessert.
Das Superblock-Konzept wurde schon in den 1980er-Jahren entwickelt. Der katalanische Biologe, Psychologe und Umweltingenieur Salvador Rueda konkretisierte diese Idee ab etwa 1995 mit seiner wissenschaftlichen und praktischen Arbeit. Die erste echte Umsetzung eines Superblocks erfolgte dann 2017 im Stadtviertel Poble Nou in Barcelona.

Diagonalsperre des ersten Leipziger Superblocks
So sieht eine Diagonalsperre aus, hier im ersten Leipziger Superblock. Foto: Daniel Obst, Wikipedia

Was sind die Vorteile dieser Superblocks?

  1. Mehr Lebensqualität
    Mehr Platz, Grünflächen, Ruhe und Aufenthaltsqualität
  2. Gesundheit
    Weniger Lärm, Abgase & Feinstaub, Hitze, Stress, mehr Bewegung, höhere Lebenserwartung
  3. Sicherheit
    Weniger Verkehr, geringere Unfallzahlen, sicherere Straßen für alle, Schulweg mit dem Rad, sicherere Mobilität für alle Bewohner*innen
  4. Sozialer Zusammenhalt
    Förderung von Nachbarschaft, mehr Begegnung und Gemeinschaft, mehr Raum zum Mitgestalten
  5. Wirtschaft
    Steigende Attraktivität für lokale Geschäfte, keine Verdrängung des Einzelhandels
  6. Klimaschutz
    Weniger CO₂, mehr Grünflächen, bessere Anpassung an den Klimawandel

Sind Superblocks eine Utopie?

Nein, Superblocks sind in manchen Großstädten (auch in Deutschland) schon Realität. Bekannt wurde das Konzept vor allem durch die Umsetzung in Barcelona. So wurde in der Weltstadt der motorisierte Verkehr in den Wohnvierteln, in denen Superblocks eingeführt wurden, um mehr als die Hälfte reduziert – gleichzeitig haben sich die Grünflächen verdoppelt, ebenso ist die Zahl der Sitzbänke und Spielplätze massiv angestiegen. Alle oben genannten Vorteile sind eingetroffen. Durch die Beteiligung der Anwohnenden an der Planung hat sich zudem die Identifikation mit dem eigenen Viertel und der soziale Zusammenhalt massiv verstärkt. Dazu ist die Lebenserwartung der Anwohnenden um rund 200 Tage gestiegen, es konnten jährlich hunderte vorzeitige Todesfälle verhindert werden. Die neue Aufenthaltsqualität hat zu mehr Fuß- und Radverkehr geführt, was sich positiv in den Umsätzen der lokalen Geschäfte, Cafés und Restaurants widerspiegelt. In manchen Superblocks ist sogar die Zahl der Geschäfte um rund 30 Prozent gestiegen.

Superblock in Barcelona
So sieht ein Superblock in Barcelona aus: Viel Platz für Menschen statt für Autos. Foto: Francesc Fort, Wikipedia

Und wie könnte so ein Superblock in Wilhelmsburg aussehen?

In vielen Wohnvierteln hier in Wilhelmsburg könnte die Einrichtung von Superblocks für eine deutliche Steigerung der Lebensqualität sorgen. Schon die Einrichtung von weiteren Einbahnstraßen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. In einem weiteren Schritt würden dann die Straßen für den Durchfahrtsverkehr gesperrt.

Ein Beispiel aus dem Reiherstiegviertel: Aus Richtung Hafenrandstraße kommend, würde die Fährstraße nicht mehr für den Durchfahrtsverkehr genutzt werden können, stattdessen könnte diese zum Beispiel an der Ecke Mokrystraße durch Diagonalsperen oder Poller geschlossen werden. Damit könnten Anwohnende oder der Lieferverkehr nur bis dorthin fahren, über die Mokrystraße und den Vogelhüttendeich würden sie wieder aus dem Wohnviertel herausgeleitet. Solche kleinen Blocks würden auch in den anderen Bereichen im Viertel eingerichtet werden. Parkplätze würden deutlich reduziert, stattdessen gibt es Ladezonen, die für den Lieferverkehr und Anwohnende, die ihren Einkauf ausladen wollen, reserviert sind. Für die (dann nur noch kurzen Strecken) innerhalb des Wohnquartiers würde mit dem Auto ein Tempolimit von 10 bis 20 km/h keinen großen Unterschied mehr machen. Stattdessen könnten „echte“ Velorouten das Radfahren sicherer machen und es wäre Platz für zusätzliche Grünflächen und Aufenthaltsflächen.

Der Autoverkehr würde auf die Hauptstraßen rund um die Wohnquartiere verlagert: Hafenrandstraße, Reiherstieg-Hauptdeich, Neuhöfer Straße, Georg-Wilhelm-Straße. Insgesamt zeigen die Erfahrungen mit Superblocks, dass der Autoverkehr mit der Einrichtung von Superblocks in Zukunft abnehmen wird. Anstatt hier in Wilhelmsburg weiter Industrie in oder an Wohngebieten anzusiedeln, würde auf ungenutzten Flächen ein Quartiersparkhaus gebaut werden – damit würden auch Menschen, die (noch) auf ein Auto angewiesen sind, profitieren: Es würden genug Parkplätze zur Verfügung stehen und die nervenaufreibende Parkplatzsuche würde entfallen. Der Rückbau der Straßen müsste dazu mit einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehr einher gehen – eine Straßenbahn würde die Kapazitäten und die Attraktivität des ÖPNV deutlich erhöhen.

Autos parken auf dem schmalen Fußweg am Veringhof in Wilhelmsburg
So sieht es (noch) in Wilhelmsburg aus: Selbst der schmale Fußweg wird von Autos zugeparkt. Foto: Dirk Petscheleit

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