Retten Sie den Wilden Wald, Herr Tschentscher!

Seit sechs Jahren wird in Wilhelmsburg für den Erhalt des „Wilden Waldes“ gekämpft, der dem Neubaugebiet „Spreehafenviertel“ weichen soll. Jetzt haben mehr als 20.500 Menschen in einer NABU-Petition an den Senat gegen die Rodung des Waldes protestiert

Im Vordergrund Frau Dr. schütze mit dem bunten kleinen Petitionsplakat in der Hand. Rechts daneben Malte Siegert
Malte Siegert übergibt Senatspressereferentin Katharina Schütze die Petition. Foto: H. Kahle

Seit nun schon sechs Jahren kämpfen Wilhelmsburger*innen rund um die Initiative „Waldretter*innen Wilhelmsburg“ für den Erhalt des „Wilden Waldes“ am Ernst-August-Kanal. Mit Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen und Blockade-Aktionen, Bürger*innenbegehren, Mahnwachen, Baumbesetzungen, Waldspaziergängen … Presse und Fernsehen und natürlich der WIR haben berichtet. Schließlich wurden auch die großen Hamburger Umweltverbände BUND, SDW und NABU auf den kostbaren Pionierwald aufmerksam. Der NABU Hamburg startete im November letzten Jahres einen Online-Appell an den Bürgermeister (WIR 3.11.23) – überraschend für die Aktiven vor Ort, dennoch von ihnen freudig begrüßt und in den eigenen Netzwerken tatkräftig unterstützt.

Mehr als 20.500 Menschen (Stand 1.2.24) unterschrieben diese Petition mit der Forderung, die Pläne für die Rodung des Waldes zu stoppen. Am 18. Januar überreichte nun der NABU-Vorsitzende Malte Siegert, begleitet von einer NABU-Delegation, vor dem Rathaus diese Stimmen symbolisch der Senatspressereferentin Katharina Schütze zur Weiterleitung an Bürgermeister Peter Tschentscher (WIR 16.1.24).

Die Abholzung des Wilden Waldes steht stellvertretend für den Flächenfraß in ganz Deutschland

Im Aufruf zur Petition heißt es unter anderem: „Flächenversiegelung, Rodung und sich aufheizende Städte. Was auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg gerade geplant wird, steht stellvertretend für den Flächenfraß in ganz Deutschland ( … ) Besonders absurd: Der Hamburger Senat gibt im eigenen Klimaplan die Anpflanzung von insgesamt sieben Hektar neuer Waldflächen in der Stadt vor, um Klimafolgen abzumildern. Doch geeignete Flächen sind kaum zu finden. Wäre es da nicht umso sinnvoller, den WiWa mit seinen acht Hektar zu erhalten, der bereits über ein halbes Jahrhundert gewachsen ist?“

Die Rodung dürfte gar nicht zur Debatte stehen

Der NABU machte in der Petition darauf aufmerksam, dass der Wilde Wald mittlerweile der einzige Ort in Wilhelmsburg sei, an dem Kitas und Schulen mit Kindern einen Wald erkunden könnten. Außerdem dürfe ganz grundsätzlich aus Gründen des Klimaschutzes seine Rodung gar nicht mehr zur Debatte stehen, denn: „Wälder speichern nicht nur Kohlendioxid, sondern auch große Mengen Regenwasser, das die Bäume in Hitzeperioden über die Blätter abgeben und so die Umgebung kühlen. In sich immer mehr aufheizenden und durch Starkregen bedrohten Städten sind Waldflächen von unschätzbarem Wert.“

Aktive aus Wilhelmsburg waren nicht dabei

Ein wenig verwunderlich war, dass die langjährig Aktiven aus Wilhelmsburg bei der Petitionsübergabe nicht dabei waren. Wie sich auf Nachfrage bei den „Waldretter*innen“ herausstellte, hatten diese überhaupt nur durch Zufall von dem Termin erfahren. Waldretter*in Sigrun Clausen sagt dazu: „Wir wären sehr gerne mit einer kleinen Delegation und einigen unserer ‚WiWa bleibt!‘-Bannern zu dem Termin gekommen, allein schon, um uns einmal sichtbar bei all den Menschen zu bedanken, die die NABU-Petition für den Wilden Wald unterschrieben haben. Bei der Pressestelle des NABU stießen wir mit der Idee leider auf Ablehnung.“ Letzten Endes jedoch, so Clausen, zählten die Inhalte, also das gemeinsame Interesse, den Wilden Wald zu erhalten, und dafür sei die Petition ein guter Baustein.

Botschaft angekommen?

„Lieber Herr Tschentscher“, stand auf dem Banner, das die NABU-Delegation zur Petitionsübergabe am Hamburger Rathaus mitgenommen hatte, „20.137 Menschen fordern: Retten Sie den Wilden Wald!“ Bei Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, ob die Petition auch beim Bürgermeister angekommen ist.

Ein Gedanke zu “Retten Sie den Wilden Wald, Herr Tschentscher!

  1. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass bereits 2013 festgestellt wurde, dass „Potenziale für Ausgleichsflächen auf stadteigenen Flächen innerhalb des Bezirkes Hamburg Mitte auf Basis dieser Datenlage erwartungsgemäß nur noch in sehr geringem Umfang vorhanden sind …“. So nachzulesen in: „Drs. 20/7/12 Ausweisung von Ausgleichspotentialen (Flächen) im Bezirk Hamburg Mitte“. Mitteilung an den Stadtplanungsausschuss in der Sitzung am 11.09.2013. Ich gehe mal davon aus, dass sich die Situation hinsichtlich verfügbarer Ausgleichsflächen nicht verbessert sondern eher verschlechtert hat.

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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