Die Leichtigkeit des Verkehrs

Vor einigen Wochen wurde das Kriegerdenkmal an der Emmauskirche gedreht, als erster Schritt einer kritischen Kommentierung. Beim zweiten Schritt – einer Linie über die Straße zum gegenüberliegenden Leipelt-Haus – gibt es Probleme mit dem Hamburgischen Wegegesetz

Der „Stolpersteinrundgang“ in den Wochen des Gedenkens im Mai ist inzwischen eine gute Wilhelmsburger Tradition. 18 Stolpersteine gibt es im Reiherstiegviertel vor Häusern, in denen Opfer des Faschismus wohnten, die in der Nazizeit deportiert und ermordet wurden. In diesem Jahr begann der Rundgang vor dem ehemaligen Haus der Familie Leipelt in der Mannesallee 20. Hans Leipelt zählt zu den bekannteren Opfern des Hitler-Faschismus. Vor allem steht das Haus der Leipelts schräg gegenüber dem martialischen alten Kriegerdenkmal an der Emmauskirche. Die Kriegervereine, der damalige Kirchenvorstand und der Bildhauer Hosaeus hatten bei der Einweihung des Denkmals 1932 mit „dem Glauben an die deutsche Zukunft“ schon das Hitler-Deutschland beschworen. Böse Ironie: Jetzt, 90 Jahre später, steht es am Rande eines Kita-Geländes und nur wenige Meter von den Stolpersteinen jüdischer Antifaschisten entfernt. Am Beginn des Stolpersteinrundgangs stand ein Gespräch am Denkmal mit der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen und den Künstler:innen Vera Drebusch und Reto Buser, die das Projekt einer kritischen künstlerischen Kommentierung entworfen haben (WIR 4/23). Vera Drebusch und Reto Buser berichteten über den Stand ihrer Arbeit.

„Ungewohnte Optik“ und „Rutschgefahr“

Die Linie vom Denkmal zu den Stolpersteinen am Tag des Gedenkens. Foto: H. Kahle

In einem ersten Schritt wurde vor einigen Wochen das Kriegerdenkmal um fast 90 Grad in Richtung auf die Leipelt-Stolpersteine gegenüber gedreht. Im zweiten Schritt soll jetzt mit einer in die Straße eingelassenen Linie die Verbindung zu den Stolpersteinen besonders sichtbar gemacht und mit Schriften auf dem Boden zum Nachdenken angeregt werden. Außerdem soll die Emmaus-Kita miteinbezogen werden. Eigentlich. Denn im Moment müssen sich Vera Drebusch und Reto Buser vor allem mit den Behörden auseinandersetzen. Das Fachamt Management des öffentlichen Verkehrs des Bezirksamtes Mitte hat die beantragte „Sondernutzung“ der Straße abgelehnt. Die ursprünglich vorgesehene Grasnarbe quer über die Straße würde die „Beschaffenheit“ des Straßenbelags maßgeblich verändern“ und böte außerdem eine Rutschgefahr. Zudem könnten Gefahrensituationen entstehen, wenn Verkehrsteilnehmende sich wegen der „ungewohnten Optik“ auf der Straße aufhalten, um die Umsetzung zu betrachten. In jedem Fall sei die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ nach §19 Abs.1 Nr.1 des Hamburgischen Wegegesetzes nicht gewährleistet.

Die Ablehnung zeugt allerdings von geringer Ortskenntnis des Fachamts. Auf diesem Abschnitt der Mannesallee gibt es praktisch nur Anliegerverkehr. Während des einstündigen Gesprächs mit den Künstler:innen kamen vielleicht fünf Autos vorbei. Außerdem gibt es Beispiele von ähnlichen Installationen auf Hamburger Straßen, wie den Klima-Schriftzug auf der Mönckebergstraße.

Die Vorbehalte des Denkmalschutzamtes

Bei der Einbeziehung der Kita hat das Denkmalschutzamt Vorbehalte angemeldet. Zusammen mit den Kindern der Emmaus-Kita soll um das Kriegerdenkmal herum ein kleiner Garten angelegt und gepflegt werden. Da in dem Plan aber auch Nutzpflanzen für das Gärtchen vorgesehen sind, hat das Denkmalschutzamt sein Veto eingelegt. Abgelehnt wurde auch eine erklärende Tafel am Denkmal. Nun stockt die Umsetzung des zweiten Schrittes erstmal. Wann es weitergehen kann, ist noch nicht raus.

Infos: http://www.veradrebusch.de/artworks/denken

Ein Gedanke zu “Die Leichtigkeit des Verkehrs

  1. Das mit der Linie auf der Straße bzw. auf Wegen, ist ja sehr schade. In der Neustadt gibt es den „Hummel Bummel“, eine rote Linie durch den Stadtteil, die jedes Jahr vom Quartiersmanager nachgezogen wird. Sie führt durch den Stadtteil von Gedenktafel zu Gedenktafel. Das ist doch ein Beispiel dafür, dass es eigentlich möglich ist. Außerdem gibt es überall in der Stadt, zumindest in der Neustadt und in St. Georg, blaue Linien auf dem Pflaster, um die Außengastronomie mit den Sitzplätzen zu markieren. Da sind Streifen ja erlaubt und werden geradezu gefordert. Die Streifen sind ziemlich dick aufgetragen.

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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