Die medizinische Versorgung der Veddel zwischen 1887 und 1965

Gruppenbild vom Personal des Marinelazaretts von 1915.
Pflegepersonal des Marine-Lazaretts Hamburg auf der Veddel 1915.
Alle Rechte der Fotos bei Dieter Thal, Veddel Archiv

Dieter Thal hat das „Veddel-Heft“ Nr. 7 veröffentlicht. Darin hat er anhand des Veddel-Archivs, Erinnerungen von Zeitzeug*innen des Veddeler Erzählcafés und digitalisierten Adressbüchern der Hamburger Staatsbibliothek die medizinische Versorgung der Veddel bis 1965 dokumentiert

Eine Karte eines Teils der Veddel, eingezeichnet die Auswandererhallen und am ggü. liegenden Ufer die Cholerabaracken.
Die Karte zeigt die zusätzlichen acht Auswandererbaracken, die 1905 für 1.200 Personen errichtet wurden. Darunter befinden sich die um 1910 errichteten Cholerabaracken. Die Erweiterung der Hauptanlage der Auswandererhallen erfolgte erst 1907.

Einleitend schreibt Thal: „Die Geschichte der medizinischen Versorgung auf der Veddel begann um 1887 mit der ersten Apotheke, die durch den Apotheker Lundgren eröffnet wurde. Der erste Arzt, den ich für die Veddel ermitteln konnte, war Dr. Doering. Im Adressbuch von 1888 habe ich diesen Eintrag gefunden. Davor war die medizinische Versorgung auf der Veddel, wie in fast allen Gebieten, die nicht im Innenstadtbereich lagen, sehr dürftig. Erst nach der Choleraepidemie im Jahre 1892 und der rasanten Bebauung der Veddel mit mehrstöckigen Häusern erkannte man, dass noch sehr viel mehr für die Gesundheit der Bevölkerung getan werden musste.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die medizinische Versorgung immer mehr ausgebaut […]. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und den verheerenden Bombenangriffen veränderte sich die Veddel grundlegend. Die großen Wohn- und Geschäftshäuser im nördlichen Teil der Veddel waren total zerstört und wurden nicht wieder aufgebaut. Von den neueren Schuhmacher-Bauten waren ebenfalls viele ausgebombt, sie wurden aber sehr rasch wieder aufgebaut. Hier wurden dann die ersten Arztpraxen nach dem Krieg eröffnet. Der Zustand der guten Versorgung, nicht nur im medizinischen Bereich, hielt noch bis in die 60er Jahre an.

Durch Bomben zerstörte Wohnhäuser aus der Vogelperspektive, rechts eine Straße
Die Veddeler Brückenstr. 1943

In den letzten drei Jahrzehnten aber änderte sich die allgemeine Versorgung dramatisch zum Nachteil der Bewohner. […] Die medizinische Versorgung durch Apotheken und Ärzte bildete hier keine Ausnahme, sie wurde so ziemlich auf den Nullpunkt gefahren und erst im Februar 2017 gab es mit der Eröffnung der Poliklinik in der alten Polizeikaserne einen neuen Lichtblick.“

Es folgt eine systematische Aufstellung über die Schließung der Apotheken und Arztpraxen im Stadtteil, aufbereitet mit Fotografien, Erklärungen und Einzelschicksalen. Beispielsweise berichtet Thal vom Apotheker Max Mandowsky und seiner Familie, von der einzig seine Tochter Erna die Shoa überlebte. Sie konnte ab 1948 wieder als Kunsthistorikerin arbeiten. Wegen des Zwangsverkaufs der Apotheke musste die Apothekerin E. Thiede der Erbin der Familie Mandowsky 1952 30.000 DM zahlen. Kurz vor ihrem 97. Geburtstag, im Jahre 2003, verstarb die international anerkannte Professorin in Seattle in den USA.

Eine Apotheke im Erdgeschoss eines Klinkergebäudes.
Im Dezember 2014 schloss Frau Hoeth aus Altersgründen die vorerst letzte
Apotheke auf der Veddel.

Thal erklärt auch, was Polizeiärzte waren, wie die Menschen in den Auswandererbaracken medizinisch betreut wurden. Er berichtet über die Krankenbaracken, die im Ersten Weltkrieg zu einem riesigen Marinelazarett mit 3.000 Betten wurden oder darüber, wann die erste Mütterbetreuung eingerichtet wurde. Thal konnte auch recherchieren, warum Dr. Ursula Petersen, eine Kinderärztin, tätig in der Katenweide von 1949 bis zu ihrem Suizid 1980, von seiner eigenen Familie konsequent gemieden wurde, obwohl die Praxis so nah am Wohnort der Thals gelegen war.

Das „Veddel Heft Nr. 7: Medizinische Versorgung auf der Veddel zwischen 1887 und 1965″ erhalten Sie als pdf- oder jpg-Datei bei Herrn Dieter Thal unter der Telefonnr. 0177 4307815 oder per E-Mail an dieter.thal@cs-thal.de.

Wer mehr über Dieter Thal erfahren möchte, kann sich hier ein Interview durchlesen, das unsere Redakteurin Liza-Shirin Colak 2021 mit ihm geführt hat.

Ein Gedanke zu “Die medizinische Versorgung der Veddel zwischen 1887 und 1965

  1. deine Bücher sind immer sehr schön und sehr informativ.
    Die Fotos sehenswert.
    Bin immer ganz begeistert. Es kommen immer Erinnerungen hoch. Danke Dieter

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Jenny Domnick

Als freiberufliche Texterin und gesellschafts-politisch aktive Person ist sie viel im Internet unterwegs, unternimmt aber auch gerne Streifzüge am und im Wasser. Wenn's pladdert, müssen ihre Freund*innen als Testesser*innen für ihre Hobby-Kochkünste herhalten.

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