Vergessene Menschen, vergessene Orte

Das Netzwerk gegen Rechts Wilhelmsburg erinnert im Rahmen der bezirklichen Woche des Gedenkens mit drei Veranstaltungen an Opfer des Nationalsozialismus

Freitag, 21. April 2023, 19 Uhr

Lagerhaus G – Film von Markus Fiedler, D 2022, 102 min
Filmvorführung und anschließendes Gespräch mit Filmemacher Markus Fiedler

Am Dessauer Ufer treffen altes Hafengebiet und große Pläne der Stadt Hamburg aufeinander. Dort steht das Lagerhaus G, 1903 erbaut. Einst lagerte hier Reemtsma-Tabak. Während des 2. Weltkriegs war es Außenlager des KZ Neuengamme, in dem Kriegsgefangene und Jüdinnen für Zwangsarbeit im Hafen interniert waren. Hausbesitzer, Zeitzeuginnen, Historiker und Jan Philipp Reemtsma beleuchten die komplexe Geschichte des Ortes und reflektieren, wie würdiges Gedenken in solch einem Planungsgebiet möglich ist.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Initiative Dessauer Ufer statt.

Eintritt frei
Ort: Bücherhalle Wilhelmsburg, Vogelhüttendeich 45, 21107 Hamburg

Das Lagerhaus G am Dessauer Ufer. Foto: privat

Donnerstag, 27. April 2023, 19.30 Uhr

Zwischen Zwangsfürsorge und KZ“: Arme und unangepasste Menschen im nationalsozialistischen Hamburg

Die Historikerin und Kuratorin der Ausstellung „Zwischen Zwangsfürsorge und KZ“ Frauke Steinhäuser stellt anhand biografischer Beispiele die lange verleugnete Verfolgtengruppe der mittellos und unangepasst lebenden Menschen vor und beschreibt ihre Kontinuitätslinien der Stigmatisierung bis heute.

Ab 1933 radikalisierten die neuen NS-Machthaber auch die staatlichen Maßnahmen gegen mittellos und unangepasst lebende Menschen. Diese wurden Opfer einer Zwangsfürsorge, die Freiheitsberaubung, Entmündigung und Zwangssterilisation bedeuten und sogar zur Einweisung in ein KZ oder eine „Euthanasie“-Anstalt führen konnte.

Doch auch wer das NS-System überlebte, erfuhr nach 1945 weiterhin Ausgrenzung und Stigmatisierung. Erst 2020 erkannte der Deutsche Bundestag die als „asozial“ verfolgten Menschen als NS-Opfer an.

Ab dem 20. April ist die gleichnamige Ausstellung im Bezirksamt Hamburg-Mitte zu sehen.

Eintritt frei
Ort: Bürgerhaus Wilhelmsburg, Mengestraße 20, 21107 Hamburg

Freiheitsberaubung und Zwangsfürsorge, z. B. im „Versorgungsheim“. Foto: Privatarchiv Heidrun Schönberger

Freitag, 28. April 2023, 19 Uhr

B. ist ein unglaubwürdiges und triebhaftes Mädchen“ – die Verfolgung mittelloser, sexuell unangepasster Frauen im nationalsozialistischen Hamburg
Vortrag und Gespräch mit Frauke Steinhäuser

Während die NS-Behörden mittellose und unangepasst lebende Männer* vor allem aus strafrechtlichen Gründen verfolgten, standen bei Frauen* sexualmoralische Motive im Vordergrund. Wer mehrfach den Partner wechselte, geriet in Verdacht, sich zu prostituieren – was eine engmaschige polizeiliche, fürsorgerische und ärztliche Überwachung zur Folge hatte. Frauen*, die behördlichen Auflagen nicht nachkamen, riskierten die Zwangsunterbringung in einer geschlossenen Anstalt, die Entmündigung und Zwangssterilisation oder sogar die Einweisung in ein KZ.

Die Historikerin Frauke Steinhäuser stellt anhand biografischer Beispiele vor, wie die sexualmoralisch motivierte, sozialrassistische Verfolgung von Frauen* im NS verlief und welche Kontinuitätslinien sich auch nach 1945 erkennen lassen.

Eintritt frei
Ort: Bücherhalle Wilhelmsburg, Vogelhüttendeich 45, 21107 Hamburg

Frauen*, die behördlichen Auflagen nicht nachkamen, riskierten die Zwangsunterbringung in einer geschlossenen Anstalt. Foto: Privatarchiv Heidrun Schönberger

Das Netzwerk gegen Rechts Wilhelmsburg

Im Netzwerk gegen Rechts Wilhelmsburg engagieren sich seit 2020 zahlreiche Wilhelmsburger Institutionen und Einzelpersonen, u.a. Bürgerhaus Wilhelmsburg, Freizeithaus Kirchdorf-Süd, Sozialkontor/Treffpunkt Kirchdorf-Süd, Bücherhallen Kirchdorf und Wilhelmsburg, Schulverein des Helmut-Schmidt-Gymnasiums.

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