Erinnern heißt Kämpfen!

Demonstration drei Jahre nach den rassistischen Anschlägen in Hanau

Auf einer LKW-Laderampe liegen Schilder mit den Namen und Gesichtern der ermordeten Menschen vom 19. Februar 2020 in Hanau. Ein Mensch nimmt sich eines.
Say their names! Diese Namen und Gesichter dürfen niemals vergessen werden.
Foto: T. Knorr

Am 19. Februar 2020 wurden im südhessischen Hanau Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov von einem rassistischen Mörder erschossen. Die Initiative 19. Februar, gegründet, um Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung des rechten Attentats und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Ort zu geben, hat auch zum dritten Jahrestag die Menschen in ganz Deutschland dazu aufgerufen, an ihrer Seite zu stehen, um zu trauern, sich zu erinnern und Missstände zu benennen. In Hamburg rief das Hamburger Bündnis gegen Rechts zur Demonstration auf.

Stimmen aus Hanau: Zusammenstellung von Statements von Angehörigen und Überlebenden. Quelle: https://19feb-hanau.org/2023/02/16/1783/
Auf einem Straßenschild steht "Fatih-Saraçoğlu-Straße, im intergrund ein blauer Himmel und kahle Bäume.
Einige Straßen im Viertel haben (zumindest vorübergehend) neue Namen erhalten. Foto: J. Domnick

Etwa 2.000 Menschen aus Hamburg folgten am Sonntagmittag dem Aufruf. Ab 13 Uhr versammelten sie sich auf dem Wilhelmsburger Platz auf der Veddel mit Schildern, auf denen die Ermordeten mit ihren Gesichtern und Namen zu sehen waren und Fahnen der verschiedenen Gruppen. Die Auftaktkundgebung startete mit Redebeiträgen der Migrantifa Hamburg, der Bildungsinitiative Ferhat Unvar e.V., der Initiative Halskestraße und DIDF Hamburg. Die Redner:innen bekräftigten die Forderungen der Angehörigen nach Konsequenzen und Aufklärung. Deutlich wurde auch die Kontinuität rassistischer Morde in Deutschland, deren mangelnde Aufklärung und die Rolle des Verfassungschutzes. Sie übten nicht nur Kritik an der Unerträglichkeit anhaltender rassistischer Hetze und Ausgrenzungsstrategien der AfD, sondern auch an nicht endenden Debatten über Themen wie „mangelnde Integration“, „Parallelgesellschaften“ und „Leitkultur“. Durch beides fühlten sich potentielle Attentäter in ihren Auffassungen bestätigt und zur Tat ermutigt.

Menschen legen Blumen auf einen Fenstersims. Darunter eine Wand, auf der Plakate mit den Namen und Gesichtern der Ermordeten des Anschlags zu sehen sind.
Menschen legen Blumen zum Gedenken an die Ermordeten ab. Foto: T. Knorr

Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Anschläge konnten die Teilnehmer:innen in diesem Jahr ohne Probleme über die Wilhelmsburger Brücke zur Harburger Chausse laufen. Dort ging es, begleitet von Musik und Sprechchören, entlang des Deichs bis zur Kreuzung an der Georg-Wilhelm-Straße. Die Demonstrierenden skandierten beispielsweise: „Hanau war kein Einzelfall, Nazis morden überall“, oder „Nazis morden, der Staat schaut zu, Verfassungsschutz und NSU!“

Sobald die Demonstration in die Georg-Wilhelm-Straße einbog, fingen erste Polizist:innen an, Demonstrierende zu gängeln. Ab diesem Zeitpunkt gab es eine enge „Begleitung“ durch die Beamt:innen. Außerdem filmten sie ohne erkennbaren Anlass die Demonstrierenden ab, was zu hörbarem Unmut führte. Bevor die Demo in die Fährstraße einbog, sprachen Vertreter:innen des Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR), der Jusos Hochschulgruppe, des Kurdistan Volkshaus und von Romani Kafava bei einer Zwischenkundgebung vom Lautsprecherwagen. Dabei wurde deutlich, dass die Hinterbliebenen des Massakers vom 19. Februar ein breites Bündnis an Solidarität geschaffen haben. Denn: „Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus ist untrennbar verbunden mit der Solidarität im gemeinsamen Kampf für soziale Gerechtigkeit und Teilhabe, gegen strukturelle Diskriminierung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, gegen rassistische Beleidigungen, Polzeigewalt, Racial Profiling und rechte Diskurse aller Art“, so das HBgR.

Links der Deich, rechts die Harburger Chaussee, auf der viele Menschen zusammen laufen. Sie tragen Flaggen und ein Banner. Mit einigem Abstand laufen Polizisten vor ihnen her.
Der Demonstrationszug läuft die Harburger Chaussee hinauf.
Foto: T. Knorr

In der Fährstraße legten die Demonstrierenden zum Gedenken symbolisch Rosen und Nelken an einer Wand ab, an der neun Poster mit Bild und Gesicht der Verstorbenen an die Gewalttat erinnern. Über den Kreisel ging es entlang der Veringstraße schließlich zur Abschlusskundgebung auf dem Stübenplatz. Dort waren Beiträge der Linksfraktion Hamburg zum NSU-Komplex, des Internationalen Jugendvereins, der Seebrücke Hamburg und der DGB-Jugend Hamburg zu hören. Gegen 16.30 Uhr beendeten die Veranstalter:innen die Kundgebung, mussten den Demonstrierenden jedoch den Rat geben, in größeren Gruppen abzureisen, da die Polizei einen Teilnehmer angegriffen und festgenommen hatte. Auch das Hamburger Bündnis gegen Rechts kritisierte das Vorgehen in einer Pressemitteilung scharf.

2 Gedanken zu “Erinnern heißt Kämpfen!

  1. Was sich die Hamburger Polizei hier zum wiederholten Male herausgenommen hat ist wirklich eine Frechheit. Schon kurz nach Beginn der Demo tauchten neben der Demo komplett vermummte BFE Einsatzkräfte auf. Ständig wurde gefilmt. Die Demo war komplett friedlich. Es befanden sich Familien und Kinder in großer Anzahl in der Demonstration.
    Also die Demo den Stübenplatz erreicht hatte wurden dann Personen die schon auf dem nachhause Weg waren von der Polizei angegriffen und in eine Hofeinfahrt gedrängt. Hier kam es zu massiven Übergriffen der Polizei auf minderjährige Personen.
    Wie gewohnt zeigt die Hamburger Polizei wieder einmal das ihr jeder auch nur ansatzweise linker Protest ein Dorn im Auge ist und es ihr höchstes Ziel ist diese Proteste zu stören und als kriminell dar zu stellen.

  2. Das Verhalten der Polizei auf der Demo war empörend! Illegal wird man da als Demonstrierender abgefilmt und landet in irgendwelchen polizeiakten inkl. politischer Gesinnung einfach nur weil man friedlich auf einer Demo war. Die Maskierung einiger weniger Teilnehmender, die oft auch einfach aus Coronaschutzmasten bestand, kann niemals ein Grund dafür sein die Grundrechte von mehr als tausend Menschen einfach so zu beschneiden – wird von der Polizei aber als Begründung angeführt wobei es bereits Gerichtsurteile gibt die das so keinesfalls als rechtmäßig ansehen. Und das passiert immer wieder bei Demos während die schweigende Mehrheit das einfach so ignoriert. Es ist erbärmlich wie wenig die Demokratie vielen Menschen anscheinend wert ist und wie die Polizeipropaganda den Leuten die Köpfe vernebelt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jenny Domnick

Als freiberufliche Texterin und gesellschafts-politisch aktive Person ist sie viel im Internet unterwegs, unternimmt aber auch gerne Streifzüge am und im Wasser. Wenn's pladdert, müssen ihre Freund*innen als Testesser*innen für ihre Hobby-Kochkünste herhalten.

Alle Beiträge ansehen von Jenny Domnick →