„… dass man von andern was lernen kann …“

Die Schule An der Burgweide wurde mit zwei deutschen Schulpreisen ausgezeichnet. Der WIR sprach mit Schulleiterin Regine Seemann über die Preisverleihung und die Folgen

Collage von Zeitungstiteln
Medienereignis „Deutscher Schulpreis“. C ollage: H. Kahle

Eine große Delegation aus der Schule An der Burgweide in Kirchdorf-Süd hatte sich auf den Weg nach Berlin gemacht: Pädagog*innen, Elternvertreter*innen und eine buntgemischte Kindergruppe, die die Vielfalt der inklusiven Schule repräsentierte. Die Schule war als eine von 15 für den Deutschen Schulpreis nominierten Schulen zur Preisverleihung nach Berlin eingeladen.

„High Five“ mit dem Bundespräsidenten

Am Nachmittag vor der eigentlichen Verleihung wurden die Delegationen mit einer Festveranstaltung mit buntem Programm empfangen. Die Kinder wurden auf das richtige Verhalten bei der großen, vom Fernsehen übertragenen Verleihungsgala hingewiesen: Unter anderem dürfe man den Bundespräsidenten, der auch anwesend seien würde, nicht anfassen. Was aber zwei Schülerinnen nicht daran hinderte, am folgenden Tag mit Bundespräsident Steinmeier „High Five“ abzuklatschen.„Überhaupt“, sagt Regine Seemann, „war für die Kinder, neben der glamourösen Zeremonie mit Fernsehkameras und allem, am aufregendsten die Begegnung mit dem Bundespräsidenten.“

Fernsehschirm mit der TV-Übertragung. Steinmeir mit Kindergruppe
Public Viewing der TV-Übertragung. Screenshot: Deutscher Schulpreis

Die ganze Veranstaltung wurde für die in Kirchdorf-Süd Gebliebenen als Public Viewing in die Aula der Schule übertragen. Auch hier fieberten sie gespannt der Bekanntgabe der Gewinnerschulen entgegen. Und sie brachen schon in Jubel aus, als der Moderator sagte: „… die nächste Preisträgerschule steht hoch im Norden unseres Landes …“.

Die Auszeichnung kam nicht von ungefähr

Der von der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT und der ARD vergebene Deutsche Schulpreis teilt sich in einen Hauptpreis und mehrere Sonderpreise auf. Den mit 100.000 Euro dotierten Hauptpreis gewann die Maria-Leo-Grundschule aus Berlin. Daneben gab es fünf weitere Preisträgerinnen, darunter die „Burgweide“, die jeweils 30.000 Euro erhielten.

Die Auszeichnung der Schule An der Burgweide kommt nicht von ungefähr. Die Schule hat sich im Verlauf ihrer 50jährigen Geschichte manche „Rosine“ aus den Angeboten der Hamburger Schulpolitik herausgepickt. So ist sie eine der inklusiven Schwerpunktschulen, eine von vier sechsjährigen Grundschulen und unterrichtet seit 2013 nicht mehr in traditionellen Jahrgangsklassen sondern nach dem JÜL-Modell in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen (WIR 9.7.25).

Die Beiden Urkunden, Querformat, auf grünem Hintergrund die Schrif:. Wir sind Preisträger
Zwei Preise, zwei Urkunden.
Illustration: Schule An der Burgweide

In einem Fernsehinterview wurden die Schüler*innen gefragt, was sie denn am jahrgangsübergreifenden Lernen gut fänden: „Dass man von andern was lernen kann,“ sagte eine Schülerin. „Dass man als Drittklässler den Kleinen beim Schreiben helfen kann“, sagte ein anderer. Und ein Schüler meinte: „Dass die Kinder nett zu mir sind.“

Der Themenpreis Demokratiebildung

Die auch bei der Verleihung anwesende Hamburger Bildungssenatorin Ksenija Bekeris freute sich über die zwei Preise für die „Burgweide“: Die beiden Preise seien ein toller Erfolg für die Schule und zugleich für den Bildungsstandort Hamburg.
Zwei Preise – denn die Schule erhielt auch noch den erstmals vergebenen „Themenpreis Demokratiebildung“. Mit diesem Preis – dotiert mit 30 000 Euro – wurden drei Schulen ausgezeichnet. Einen davon erhielt die Schule An der Burgweide.

„Demokratiebildung“ ist eigentlich eine Unterkategorie des Deutschen Schulpreises. Mit dem Preis sollen Schulen ausgezeichnet werden, „die Demokratie in unterschiedlichen Dimensionen erfahrbar machen.“ Bei der Vergabe wurde die aktuelle Bedeutung der Demokratiebildung in der Schule „angesichts vieler aktueller gesellschaftlicher Krisen“ betont.

Demokratie nicht nur als Unterrichtsfach

„Dieser Preis ist eigentlich der noch wichtigere“, sagt Regine Seemann. In der Preisbegründung werden als Beispiel die Klassenkonferenzen, die wöchentlich tagende Kinderkonferenz der Klassensprecher*innen, erwähnt, die die Schüler*innen selbst leiten. „Die Schüler*innen übernehmen früh Verantwortung für ihr eigenes Tun, für das Zusammenleben in der Schule und auch für andere“, heißt es in der Begründung. Auch der Bereich „Lernen durch Engagement“ wird hervorgehoben, in dem die Kinder sich mit politischen Fragen beschäftigen und sich im Stadtteil einmischen, zum Beispiel indem sie in der Schülerzeitung „Burg News“ und mit Plakaten für den Erhalt des „Wilden Waldes“ am Spreehafen kämpfen.

Zswei Exemplare der Schükerzeitung, Titelseiten
Lernen durch Engagement: Die Burg News.
Illustration: Schule An der Burgweide

„Wichtig ist, dass das ganze Schulleben für die Kinder erlebbar demokratisch und „Demokratie“ nicht bloß ein Unterrichtsfach ist“, sagt Regine Seemann. Sie glaube, dass sei inzwischen auch in der Lehrerbildung und der Bildungspolitik angekommen: „Die meisten Anfragen, die uns jetzt erreichen, drehen sich um diesen Themenkreis Demokratiebildung. Aber eigentlich kommt das alles zehn Jahre zu spät!“

Der „graue Alltag“

WIR-Frage: „Und der graue Alltag?“ Den gebe es natürlich auch, meint Regine Seemann. Der Übergang zu jahrgangsübergreifenden Lerngruppen zum Beispiel, sei keine einfache Zeit gewesen. Und die jährliche Zusammenstellung der Lerngruppen aus ganz unterschiedlichen Kindern sei manchmal nicht unkompliziert. Und sie kennt auch die gerade veröffentlichte Studie zur Mehrarbeit Hamburger Lehrer*innen. Es werde immer versucht, geleistete Mehrarbeit mit Stunden zu verrechnen. Und die Lerngruppen stellten auf der Grundlage des Stundenkontingents ihre Stundenpläne selbst zusammen.

Wie geht es weiter?

Die Preisträgerschulen sind bildungspolitische „Promis“. Nach dem Konzept der Robert Bosch Stiftung, sollen diese Schulen im Rahmen von Organisationen wie der Deutschen Schulakademie und dem Forum Deutscher Schulpreis, die der Stiftung angeschlossen sind, ihr Erfolgsrezept weitergeben und ihre Schulen für Hospitationen öffnen. Das Leitungsteam der Burgweide ist bereits zu mehreren Kongressen eingeladen. Die Schule ist eine vom Landesinstitut anerkannte Hospitationsschule: „Aber jetzt nach der Preisverleihung laufen die Drähte heiß“, meint Regine Seemann. Drei Kolleg*innen seien jetzt extra „Hospitationsbeauftragte“, um der Anfragen Herr zu werden.

Und was macht die Schule nun mit den 60.000 Euro? „Jetzt machen wir erstmal eine große Party“, sagt Regine Seemann, „und dann überlegen wir in der Schule gemeinsam, wie wir das Geld verwenden.“ Da sei zum Beispiel der seit Jahren leerstehende Hausmeisterpavillon, den die Behörde der Schule nach vielen vergeblichen Ansuchen jetzt zur Verfügung gestellt habe. Der müsse ja nun für den Unterrichtsgebrauch eingerichtet werden.






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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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