Steigende Kosten und der Klimawandel sprechen gegen den Bau neuer Autobahnen
Schon vor Jahren wurden immer wieder Stimmen aus dem Hamburger Hafen laut, die bestätigten, dass der Hafen die unter wechselnden Namen, wie Hafenquerspange, Hafenpassage und jetzt A26 Ost, geplante Autobahn nicht braucht. Schon Wolfgang Hurtienne, der frühere Geschäftsführer der Hamburg Port Authority (HPA), bezweifelte deren Nutzen für den Hafen in einer vorherigen Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft. Ende 2010 stellte die HPA einen Masterplan für ein Hafen-Verkehrskonzept mit IT-gestütztem Verkehrsmanagement und Entlastungsrouten OHNE die Hafenquerspange vor.
Eine erneute Diskussion um die Notwendigkeit dieser bundesweit teuersten, knapp zehn Kilometer langen Autobahn, die durch den Süden Wilhelmsburgs geführt werden soll, wurde von dem Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN in der Hamburger Bürgerschaft angestoßen. Dominik Lorenzen erklärte vor einigen Wochen: „Wenn der Bund nun seinerseits Autobahnprojekte auf den Prüfstand stellt, dann müssen wir auch über die A26-Ost sprechen“. Das stieß auf erbitterten Widerspruch der SPD.
Die Patriotische Gesellschaft von 1765 greift aktuelle Themen auf
Am 21. März 2023 griff nun die Patriotische Gesellschaft das Thema auf und lud zu der Diskussionsveranstaltung „Klimaschutz, Energiesicherheit, Zukunftshafen – Ist die A26 Ost noch anschlussfähig?“, ein. Zirka 100 Interessierte folgten der Einladung.
Dr. Wilfried Meier, erster Vorsitzender der Patriotischen Gesellschaft, erklärte in seiner Begrüßung, dass laut der Berliner Koalitionsvereinbarung mehr in die Schiene investiert werden solle und der Fokus auf Erhalt und Sanierung statt Neubau läge. Die Patriotische Gesellschaft habe keine Position, aber ein Interesse daran, dass die Frage in der Stadt diskutiert würde.
Im Impulsreferat von Sabine Sommer vom BUND Hamburg wurden die negativen Auswirkungen der A26 Ost deutlich. Mit voraussichtlich zwei Milliarden Euro für knapp zehn Kilometer werde sie die teuerste deutsche Autobahn. Außerdem werde sie eine Pendlerautobahn, die zusätzlichen Verkehr produziere. Zudem werde die Hafenentwicklung behindert und der Klimawandel beschleunigt. Die Vernichtung von 40 Hektar wertvoller Torfböden, die in Moore zurückverwandelt werden könnten, widerspreche der Nationalen Moorstrategie.
Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes ist mehr als überfällig
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 stammt aus 2016. Danach sollen 850 Kilometer neue Autobahnen gebaut werden. Seitdem sind die Klimavorgaben jedoch deutlich verschärft worden. Eine Überarbeitung ist mehr als überfällig. Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg, führte aus: „Hamburgs Hafen wird Energiehafen. Der Umschlag sinkt. Hamburgs Hafen wird seine Bedeutung verändern. Die südliche Route aus Asien und die Mittelmeerhäfen gewinnen an Bedeutung. Das Kraftwerk Moorburg wird Elektrolyseur für grünen Wasserstoff. Daneben ist die Hohe Schaar ein perfekter Standort.“ Die Häfen der Zukunft würden in Zukunft Hups (Knotenpunkte) für importierten Wasserstoff. Dafür brauche man Flächen. Man dürfe die Hohe Schaar durch den Bau einer Autobahn nicht entwerten. Beides gleichzeitig funktioniere nicht. Jetzt müsse man die Chancen für Veränderung ergreifen.
Dem widersprach später Gunther Bonz, Präsident des Unternehmerverbandes Hafen Hamburg (UVHH), der für Axel Matern, CEO des Hamburg Hafen Marketing, eingesprungen war: „Auf der Hohen Schaar war bisher Petroleumindustrie. Von den 56 Hektar benötigt die Autobahn weniger als zehn Prozent, selbst bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes.“ – Dagegen verwies Malte Siegert auf die nötige Baustelleneinrichtung durch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), die mehr Platz brauche.
Wir müssen den Rotstift ansetzen
Bettina Hagedorn (SPD), seit 20 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages und derzeit stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses, argumentierte aus Sicht einer „Haushälterin“: „Wir müssen priorisieren. Wir müssen den Rotstift ansetzen. Was brauchen wir in den nächsten 10, 20 Jahren? – Keine Verkehrsprojekte von vor 40 Jahren!“ Sie kritisierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der nur begrenzt lernfähig sei. Für den Erhalt der bestehenden Autobahnen seien 4,5 Milliarden Euro nötig. Wie könne man dann 850 Kilometer neue Autobahnen finanzieren. Das Geld wachse nicht auf den Bäumen.
Dr. Philine Gaffron von der Technischen Universität Hamburg (TUHH) verwies darauf, dass sich die CO₂-Bilanz durch die A26 deutlich verschlechtere. Das Ziel sei jetzt schon um zirka neun Millionen Tonnen verfehlt. Der Verkehr habe das allergrößte Defizit. Studien hätten gezeigt, dass Umgehungsstraßen keine Staus verhindern.
Gunther Bonz: „Hamburg ist die einzige vergleichbare Metropole, die keinen Autobahnring hat“
Gunther Bonz, der einzige Befürworter der A26-Ost auf der Veranstaltung, erklärte überraschend: „Die A26 ist keine Hafenautobahn. Der Hafen kann ohne sie leben. Aber sie verbessert den Verkehrsfluss im und um Hamburg aus dem Hafen heraus und führt zu weniger Staus.“ Er verwies auf den Koalitionsvertrag 2008, in dem die GRÜNEN die Trasse der A26 Ost gefordert hätten. Die CDU habe die Idee nur unter Schwierigkeiten akzeptiert. Die heute dagegen wären, hätten damals Beifall geklatscht. Die Gründe, die damals richtig waren, gälten auch heute noch. Durch die E-Mobilität würde der Verkehr klimaneutral. Er glaubt, dass Hamburg beides braucht: eine neue Köhlbrandquerung UND die A26 Ost – und dass der Bund beides bezuschusst.
Das glaubt Bettina Hagedorn nicht.
Die Veranstaltung stieß auf ein breites Presseecho.
Als ich vorhatte, in ein Wohnprojekt nach Wilhelmsburg am Ernst-August-Kanal zu ziehen, damals war die “Hafenquerspange” im Norden von Wilhelmsburg quer über den Spreehafen ein Thema. Damals haben sich die Aktiven im Stadtteil und die IBA dafür eingesetzt, dass die Querspange, wenn überhaupt, im Süden der Elbinsel verlaufen sollte. Göttin sei dank, denn ansonsten wäre ich nicht nach Wilhelmsburg gezogen. Daraus wurde dann die aktuelle Planung für die A26-Ost. Die nun wieder auch von denselben Leuten kritisiert wird.
Mich interessiert, was eigentlich der Alternativvorschlag “Ertüchtigung der Haupthafenroute” bedeutet. Soll dann neben den Tunnelprojekten z. B. der Veddeler Damm noch breiter werden und noch mehr (LKW-)Verkehr aufnehmen? Schon heute wird der Norden des Reiherstiegviertels massiv verlärmt.
Das Hauptproblem ist doch der weitgehend schon heute überflüssige private Autoverkehr, der Wirtschaftsverkehr muss ja fließen. Würde der private eingedämmt, könnte man alles so lassen wie es ist plus Ersatz der Köhlbrandbrücke durch einen Tunnel.
Bei den ganzen Diskussionen sollte man auch bedenken, was die eigenen Forderungen für die Menschen bedeuten, die heute an der B73 in Harburg wohnen. Auch denen sollte man eine ruhige Nacht gönnen.