„Vorbereitende Arbeiten“

Ob die A26-Ost gebaut wird, steht noch nicht fest. Die Finanzierung der Autobahn ist unklar, es gibt keinen „Planfeststellungsbeschluss“. Am Katenweg laufen aber schon „vorbereitende Arbeiten“

rechts im Bild ein Bagger, links daneben liegen vier große Rohre. Im Hintergrund die lärmschutzwand
Vorbereitende Arbeiten für die A26 Ost. Foto: Dirk Holm

Es ist jetzt über sechs Jahre her, dass interessierte Bewohner*innen von Kirchdorf-Süd sich auf einer Perspektiven-Werkstatt über die Pläne zur A26-Ost informieren konnten. (WIR 11/18). Die Planer*innen hatten im Jahr zuvor die im „Perspektiven“-Beteiligungsverfahren geforderte Tunnellösung übernommen. Es blieben aber die „Anschlussstelle Otto-Brenner-Straße“, die die Verkehrsbelastung der Siedlung deutlich erhöhen würde, und die nebulösen „Potenzialflächen für Stadtentwicklung“, mit deren Verkauf der Tunnel mitfinanziert werden sollte. Diese Fläche für Wohn- und Gewerbebebauung ging nach den Planskizzen vom Stübenhofer Weg bis an die Kornweide mit Aussparung des Kinderbauernhofes. Nicht Gegenstand dieser Werkstatt war die Belastung des Stadtteils während der nach den bisherigen Erfahrungen mit der A26-West etwa zehn Jahre dauernden Bauarbeiten. An der über 50 Meter breiten Baustellentrasse in Francop mit riesigen Sandaufschüttungen und wechselnden Verkehrsumleitungen kann man sehen, was auf die Bewohner*innen von Kirchdorf zukommen kann. Der geplante Baubeginn in Kirchdorf scheint noch in „weiter Ferne“, aber erste Baumaßnahmen mit Konsequenzen für die Anwohner*innen gibt es bereits. Im Oktober 2022 gab es „Pfahlgrunduntersuchungen“ am Finkenriek und seit Anfang März dieses Jahres finden „vorbereitende Bauarbeiten“ im Katenweg statt.

Wir veröffentlichen im Folgenden einen Artikel von Dirk Holm vom „Bündnis Verkehrswende Hamburg“ über diese „vorbereitenden Arbeiten“ und ein Gespräch mit Hildegard und Henry Wiencken, Anwohner*innen im Katenweg.

Die Hilfsbrücke am Katenweg

Besichtigung eines Baufeldes

ein DEGES-Grundriss der Hilfsbrücke
Hilfsbrücke für acht Fern- und S-Bahngleise. Illustration: DEGES

Dirk Holm. Der Einbau einer Hilfsbrücke am Katenweg für insgesamt acht Fern- und S-Bahngleise sieht anders aus, als man sich das bei dem Begriff „Brücke“ vorstellt. Im Grunde handelt es sich bei der „Brücke“ um eine Verstärkung des vorhandenen Bahndamms an dieser Stelle. Dazu sollen ca. 50 Stahlbetonpfähle in den Bahndamm eingebaut werden, um dessen Stabilität zu gewährleisten, wenn darunter der geplante Tunnel für die A26-Ost gegraben wird. Zu diesem Zweck werden zwei Bohrmaschinen eingesetzt, deren Bohrkranz 1,80 Meter im Durchmesser misst. Eine dritte, kleinere Maschine, dient als Reserve. Die Höhe der herzustellenden Stahlbetonpfähle soll jeweils 14 Meter betragen. Es werden also entsprechend große Löcher gebohrt, die zunächst mit Wasser gefüllt werden, um später mit Stahlbeton verfüllt zu werden. Darauf soll eine Konstruktion aus Stahlträgern aufgelegt werden.

der Mast des Bohrgeräts auf der Baustelle vor der Lärmschutzwand.
Das erste Bohrgerät ist vor Ort. Foto: Dirk Holm

Das erste der beiden Bohrgeräte ist bereits vor Ort. Es wiegt circa 140 Tonnen. Ein zweites Gerät steht unmittelbar vor der Anlieferung. Die Maschinen werden vom Katenweg aus über eine bereits gebaute Rampe auf den vorhandenen Bahndamm gebracht. Um die Arbeiten durchführen zu können, werden auf einer gewissen Länge die Stromschienen der S-Bahn, sowie die Oberleitungen der Bundesbahn demontiert. Im Zuge dessen werden die vorhandenen Lärmschutzwände teilweise abgebaut. Auch Teile der Gleise werden vorübergehend entfernt. Wann genau dies geschehen soll, ist zur Zeit unklar. Es wird aber zwangsläufig zu Sperrungen der Strecke kommen. Während einer ersten Sperrung fuhren die S3/S5 vom 29. bis zum 31. März zwischen Wilhelmsburg und Harburg Rathaus nicht. Die Bohrgeräte sollen bis voraussichtlich zum 23. Mai 2025 in westlicher Richtung abtransportiert werden. Baustellenschilder avisieren die Sperrung des Katenwegs bis zum 1. August 2025.

Das Rastatter-Tunnel-Desaster

Der A26-Tunnel, der für Kirchdorf-Süd geplant ist, soll unterhalb des Bahndamms am Katenweg gebaut werden. Unweigerlich fällt einem dazu das Desaster 2017 in Rastatt ein. Bei einem ähnlichen Untertunnelungsversuch sackte der Bahndamm stark ab. So war die Rheintalbahn an dieser Stelle für lange Zeit unterbrochen. Das wiederum hatte massive Auswirkungen auf den gesamten Bahnverkehr in Deutschland.
Man mag sich nicht vorstellen was geschähe, wenn der komplette Personen- und Güterverkehr von und nach Hamburg aus und nach Süden zusammenbräche.

DEGES und DB InfraGO

Interessant ist, dass das Projekt nicht von der DEGES selbst, sondern von der DB InfraGO AG durchgeführt wird. Die DEGES hat anscheinend nur begrenzte Informationen über die Einzelheiten der Bauausführung. Das berichten Anwohner*innen von den Sprechstundenterminen zu diesem Projekt. Es stellt sich auch die Frage, aus welchem Topf bzw. von wem die derzeitigen Bauarbeiten finanziert werden.

Die DEGES bietet Sprechstundenzeiten an, in denen sich Anwohner*innen und Interessierte über die Arbeiten laufend informieren können. Dazu steht auf dem Grundstück am Katenweg 7 ein Info-Container bereit. Dort gibt es Informationen rund um das Projekt sowie die Möglichkeit, sich mit den Projektmitarbeitern auszutauschen. Die Sprechzeiten finden 14-täglich statt. Nächste Termine sind der 21. April und der 5. Mai 2025. Jeweils montags von 17 bis 18 Uhr.
Außerhalb der Sprechstundenzeiten kann die DEGES über das Kontaktformular auf ihrer Website unter www.deges.de/a26-ost-kontakt angesprochen werden. Hier finden sich auch die aktuellen Sprechstundentermine.


Wir ziehen hier nicht weg

Der WIR war zu Besuch bei Hildegard und Henry Wiencken, die 20 Meter neben der Baustelle für die „vorbereitenden Arbeiten“ im Katenweg wohnen

zwei Häuser mit heruntergelassenen Rolläden
Zwölf Häuser stehen schon leer. Foto: H. Kahle

Hermann Kahle. Die Anwohner*innen im Katenweg erfahren als erste, was mit dem Bau der A26-Ost auf Kirchdorf zukommt. Henry und Hildegard Wiencken wohnen im Haus Nr. 8, zwanzig Meter neben der Anfang März eingerichteten Baustelle.
Die Doppelhaus-Siedlung am Katenweg wurde 1954 gebaut. Hildegard und Henry Wiencken wohnen seit 1971 in ihrem Haus. Gegen den Bau der A26-Ost engagieren sie sich schon lange. Als im Oktober 2022 im benachbarten Finkenriek „Probebohrungen“ vorgenommen wurden, schilderte Hildegard Wiencken in einem Beitrag für den Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg (ZEW), wie bei ihnen durch die Erschütterungen die Bilder von der Wand gefallen seien, ein Bücherbord auf dem Boden lag und Risse an ihrer Hauswand festgestellt wurden. Henry Wiencken hat eine Einwendung gegen den Bau der A26-Ost geschrieben. Insgesamt gab es fast 1.300 Einwendungen von Gegner*innen dieser Autobahn.

12 Häuser stehen schon leer

Ihr Haus Nr. 8 ist vom Bau der A26-Ost nicht unmittelbar betroffen. Aber auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen bereits mehrere Häuser leer, die Rollläden sind heruntergelassen. Die Häuser stehen auf der Trasse der Autobahn. äInsgesamt 12 Familien haben ihre Häuser bisher an die DEGES verkauft und sind weggezogen. Kontakte zu den alten Nachbar*innen gibt es kaum noch“, sagt Henry Wiencken.

Anfang März wurde gut 20 Meter von ihrem Haus entfernt die Baustelle für die „vorbereitenden Arbeiten“ eingerichtet. Henry Wiencken zeigt den Bauplatz mit der aufgeschütteten Rampe, über die die Groß-Bohrgeräte auf den Bahndamm und über die S-Bahngeleise zu den Fernbahnschienen gebracht wurden. Dafür wurde die Lärmschutzwand zeitweise entfernt. Jetzt kann man die Masten der großen Drehbohrgeräte hinter der Wand sehen.

Der Baustelle gegenüber sieht man über einen Zaun auf das Gelände neben der Südlichen Wilhelmsburger Wettern mit Unterholz und großen alten Bäumen. Dort geht die A26-Trasse weiter. „Das kommt dann auch alles weg“, sagt Henry Wiencken.

Auf der Baustelle wird rund um die Uhr gearbeitet

Henry Wiencken vor der Baustelle
Belastung durch Lärm und Dreck. Henry Wiencken vor der Baustelle.
Foto: H. Kahle

Am Anfang des Katenwegs steht auf einem Grundstück der Info-Container der DEGES. Alle 14 Tage machen sie hier eine Anwohner*innenversammlung. „Sie informieren uns und nehmen Beschwerden auf. Die DEGES-Leute sind sehr freundlich, aber ändern können sie eigentlich nicht viel“. Seit Anfang März geht der Baustellenverkehr durch den Katenweg. Auf Höhe der Baustelle ist die Straße für die Durchfahrt gesperrt. Die Gehwege rund um die Baustelle sind hinüber. „Das soll aber alles wiederhergestellt werden“, sagt Henry Wiencken. „Aber natürlich ist der Dreck eine Belastung und der Lärm der Bohrmaschinen – besonders nachts. Sie bauen ja 24 Stunden rund um die Uhr, weil die Bundesbahn wegen der Beeinträchtigung des Zugverkehrs für die Arbeiten nur ein enges Zeitfenster vorgibt. Und sie seien schon im Verzug, sagt die DEGES.“

Die „vorbereitenden Arbeiten“ sollen voraussichtlich bis zum 12. Mai abgeschlossen sein. Und sie seien laut DEGES „reversibel“. Das heißt, die Installationen auf dem Bahndamm müssten im Fall eines ausbleibenden Planfeststellungsbeschlusses z. B. durch einen Erfolg der Klage gegen die Autobahn, wieder zurückgebaut werden.

„Wir ziehen jedenfalls nicht weg“, sagen Hildegard und Henry Wiencken.



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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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