Mit dem Rad-Expressbus über die Elbe

Eine schnell umsetzbare Lösung für eine Ost-West-Verbindung

Thomas Mühlichen. In Nord-Süd-Richtung ist Wilhelmsburg durch die S3 und Radwege an den Rest Hamburgs angebunden. Aber in Ost-West-Richtung kommt man nur mit dem Auto gut weg. Mit den zusätzlich geplanten Quartieren wird das Problem akut. Die Idee einer neuen Expressbuslinie könnte das Problem für viele Bewohner*innen lösen.

Landkarte von Wilhelmsburg in der Mitte, links Finkenwerder und rechts Moorfleet und Billstadt mit einer schwarzen Linie mit der geplanten Expressbus-Verbindung.
So könnte die Route eines Rad-Expressbusses aussehen. Grafik: © OpenStreetMap contributors, CC-BY-SA

Vielleicht kennen Sie das auch: das alte Sofa ist so langsam durchgesessen, ein neues muss her. Also mal eben zum nächsten Möbelhaus, um sich inspirieren zu lassen. In Moorfleet gibt es zwei bekannte skandinavische Möbelhäuser mit vier Buchstaben, vom Berta-Kröger-Platz nur gut fünf Kilometer Luftlinie entfernt. Eine Entfernung, die man bei guter Kondition mit dem Fahrrad oder mit dem E-Bike in 20 Minuten schaffen könnte. Also kurz Navi eingeschaltet, Fahrradmodus aktiviert, Route eingegeben, aber nanu: Das Navi zeigt 12 km an. Fehler im System? Andere App ausprobiert, dasselbe Ergebnis. Die Fahrtzeit betrüge demnach 40 Minuten, aber das scheint doch etwas sportlich.

Grund für den „Fehler“ ist die A1-Elbbrücke zwischen Wilhelmsburg und Moorfleet, bei deren Bau weder an Fuß- noch Radverkehr gedacht wurde. Folglich ist ein Umweg über die nördlichen Elbbrücken notwendig. Nicht jeder ist so sportlich unterwegs. Wie sieht es denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus? Hier zeigt die HVV-App 44 Minuten an, inklusive 780 Meter Fußweg. Wohnt man nicht in direkter S-Bahn-Nähe, verlängert sich die Reisezeit entsprechend bis zu einer Stunde. Die Verbindungen erfordern einen Umstieg am Hauptbahnhof. Eine direkte Busverbindung gibt es leider nicht.

Ähnlich sieht es aus, wenn wir nach Westen schauen. Der Weg nach Finkenwerder führt über die Köhlbrandbrücke, die ebenfalls weder für Fuß- noch Radverkehr genehmigt ist. Immerhin gibt es eine Busverbindung inklusive Umstieg in Waltershof, die benötigt vom Berta-Kröger-Platz 49 Minuten und fährt nur einmal die Stunde.

Ein Radweg nach Osten ist geplant – aber das dauert noch lange

Tatsächlich ist bei der geplanten Erneuerung der A1-Brücke ein Radweg angedacht. Aber wie bei vielen anderen guten Ideen, bei denen Infrastruktur gebaut werden muss (etwa die U4-Verlängerung nach Wilhelmsburg), wird es noch viele Jahre dauern, bis sie endlich einsatzbereit sind. Ein Rad-Expressbus, der die bestehende Infrastruktur nutzt, wäre eine schnelle Lösung.

Harburg hat inzwischen einen Expressbus nach Bergedorf, der sich – wie man hört – großer Beliebtheit erfreut. In Finkenwerder setzt sich die Koalition für eine Expressbusverbindung zu den Elbbrücken ein. Also schrieb der Autor dieses Beitrags eine Eingabe an den Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel, sich aufgrund der genannten Probleme gegenüber der Stadt für einen Expressbus einzusetzen. Leider sah man sich zunächst nicht zuständig, dem weiter nachzugehen.

Die vorgeschlagene Idee sieht vor, eine schnelle Verbindung mit wenigen Halten in Finkenwerder, Wilhelmsburg, Moorfleet und Billstedt einzurichten und auch die Fahrradmitnahme zu ermöglichen, um neben Fußgänger*innen auch Radfahrende über die für Fahrräder gesperrte Brücken zu transportieren.

Von links unten nach rechts in die Mitte ein Busanhänger für Fahrräder, davor ein Bus mit drei Personen im Rückfenster. Rechts ein Fußweg mit Bäumen und einer gläsernen Bushaltestelle. Rechts im Vordergund noch ein schwarzes Herrenfahrrad.

Der Radbus auf dem Darß. Der Slogan hätte auch aus Wilhelmsburg kommen können. Foto: T. Mühlichen

Radbusse kennt man von anderen Verkehrsverbünden, etwa aus dem Alten Land oder der Insel Rügen und dem Darß. Die Fahrräder werden auf einem Anhänger transportiert. Das Be- und Entladen durch den*die Busfahrer*in dauert je Fahrrad nur wenige Sekunden. Für Stadtteilbusse mit Entfernungen von nur wenigen hundert Metern zwischen den Haltestellen wäre das wohl zu umständlich. Für Expressbusse mit nur sehr wenigen Haltestellen könnte das aber ein pragmatischer Weg sein, insbesondere für Strecken, auf denen kein regulärer Radverkehr möglich ist, wie etwa die genannten Elbquerungen.

So eine Expressbuslinie könnte die Lebensqualität auf Wilhelmsburg steigern, weil sie einen Lückenschluss für wichtige Alltagsrouten darstellen würde. Außerdem stehen heute viele Wilhelmsburger*innen vor der wichtigen Frage, ob sie ein Auto brauchen, um schneller ans Ziel zu kommen – mit den bekannten Nachteilen: CO₂, Lärm, Feinstaubbelastung und dem Risiko, am Ende doch im Stau zu stehen. Diese Frage stellt sich demnächst auch akut für die mehreren tausend Bewohner*innen der geplanten neuen Quartiere. Gibt es dann einen leistungsfähigen ÖPNV oder verstopfen weitere tausend Autos unsere Straßen?

Ein Besuch im Möbelladen ist nur ein Beispiel für die möglichen neu gewonnenen Freiheiten. Sicher haben auch viele Wilhelmsburger*innen Freund*innen, Arbeit oder Ärzt*innen in Finkenwerder, Billwerder, Billstedt, Öjendorf, Bergedorf oder würden einer erholsamen Fahrradtour nach Altengamme, ins Alte Land oder zu den Boberger Dünen ein gutes Stückchen näher kommen.

Wofür würden Sie den Rad-Expressbus nutzen?

11 Gedanken zu “Mit dem Rad-Expressbus über die Elbe

  1. Ich fände es toll so einen Express Bus hier für Fahrrad Fahrer/innen zu haben. Da hier die Öffentlichen Mittel nicht grad gut sind.Ja nach Hamburg oder Harburg ok.Aber wenn man in die anderen Richtungen muss oh weh….

    Ich könnte zwar den Express Bus nicht nutzen da ich als Behinderte auf ein Behinderten Mobil oder auch genannt Senioren Mobil angewiesen bin,und tja die Busse nehmen mich damit nicht mit …..

  2. Ich finde, dies ist ein konstruktiver und realistischer Vorschlag zur Erschließung von eigentlich naheliegenden Zielen für den Fahrradverkehr. Die Nutzung kann ich mir vielfältig vorstellen. Das kann von gelegentlichen Familienausflügen, über regelmäßige Besorgungen hin zur alltäglichen Fahrt zur Arbeitsstätte reichen.

    Die Herangehensweise der Hamburger Hochbahn als Betreiberin des Busnetzes in Hamburg, Strecken in der Regel erst dann auszubauen, wenn sie überlastet sind, halte ich bei der Notwendigkeit, Menschen zum Systemwechsel im Bereich Mobilität zu unterstützen, nicht für zielführend. Es müssen neue Angebote geschaffen und diese als Investition in langfristiges Geschäft und in die Zukunft der Stadt und ihrer Bewohner:innen angesehen werden.

  3. Dies ist mal eine wirklich gute Idee.
    Es fehlen um Hamburg herum ganz dringend Ringlinien, so dass dieser Vorschlag eine wichtige Lücke schließen würde! Ich persönlich würde die Strecke gerne +öfter nutzen.
    Durch das Deutschland Ticket benutzen mehr Leute den ÖPNV. Aber wenn wir die Luft in den Städten verbessern und den CO2 Verbrauch senken wollen, brauchen wir auch entsprechende Angebote. Es wäre unbedingt nötig, die vermeintlichen „Ränder“ der Stadt zu vernetzen.

    Wilhelmsburg ist immer noch ein vergessener Stadtteil und braucht dringend Anschluss. Finkenwerder ist schwer ohne Pkw zu erreichen, sodass Bedarf an guter Struktur da ist.
    Ich kenne einige Leute, die in letzter Zeit diese Verbindung gebraucht hätten!

    Es ist Bedarf da!

  4. Vielen Dank für den sehr guten und ausgereiften Vorschlag!

    Das Fahrrad ist mein bevorzugtes Verkehrsmittel, um von den Elbinseln aus diverse Ziele in Hamburg zu erreichen. Nach Norden und Süden funktioniert das relativ gut. Es ärgert mich immer wieder, dass die Brücken Richtung Osten und Süden für Radfahrer*innen gesperrt sind. Bis sich das ändert, wäre der Rad-Expressbus eine hervorragende Alternative.

    Ich hoffe, dass die Verantwortlichen aus Politik und Verkehrsplanung den pragmatisch Vorschlag möglichst schnell umsetzen bzw. sich für eine Umsetzung einsetzen.

  5. Superidee, weil – um im Bild zu bleiben – quer gedacht. Also von Ost nach West und umgekehrt. Und in der Tat dürfte der finanzielle Aufwand für eine X-Buslinie im Vergleich zu Brückenbau etc. im Rahmen bleiben. Ich war skeptisch, ob es einen „Autobahnbus“ von Harburg nach Bergedorf braucht. Aber wenn der angenommen wird, warum dann nicht auch „Billstedt – Finkenwerder“?
    Schade nur, dass sich der Regionalausschuss nicht zuständig sieht. Hier könnte er wirklich was Pragmatisches für den Stadtteil tun. Meine Meinung: Unbedingt umsetzen, diese tolle Idee. Herr Tjarks, bitte übernehmen Sie!

  6. Ich wohne in Billstedt und würde mich sehr über einen Rad-Expressbus Richtung Wilhelmsburg freuen. Gerade bei Fahrradtoren mit kleinen Kindern ist es schön, wenn Teilstrecken oder der Rückweg mit dem Bus gefahren werden können. Dann könnte ich das Auto öfter zu Hause stehen lassen.

  7. Was für eine wunderbar kreative Idee! Danke an Thomas Mühlichen, der es offenbar nicht beim Ideen haben belässt, sondern auch schon an der Umsetzung arbeitet.
    Ich fahre oft zwischen Hamm/Horn und Wilhelmsburg und muss dann immer über die entsetzlichen Elbbrücken. Ich könnte mir vorstellen, sogar nach Moorfleet zu radeln um dann den Bus zu nutzen (oder umgekehrt).
    Wenn es nur darum geht, in ein oder zwei bestimmte Möbelhäuser zu radeln, dann findet eins die beiden Häuser auch in Altona, die Radelentfernung ist in Ordnung. Aber auch, wenn ich von Wilhelmsburg nach Bergedorf will, zu Fuß oder mit dem Rad, zum Beispiel zu einer Veranstaltung, muss ich ohne Auto große Umwege in Kauf nehmen.
    Und die Angestellten von Airbus in Finkenwerder … Ich kenne eine Wilhelmsburgerin, die mit dem Auto dorthin fährt, weil alles andere umständlich ist und ewig dauert. Vllt. würde sie ihr Auto abschaffen, wenn es eine venünftige Anbindung gäbe. Völlig egal, ob sie ihr Rad mitnehmen kann oder nicht.
    Aber gerade diese Idee finde ich so toll. Ich habe ein Faltrad. Das hatte ich in der Vergangenheit oft morgens mit in der S-Bahn um dann abends entspannt nach Hause zu radeln. Das könnte die Bekannte dann auch machen …
    So eine Buslinie gäbe vielen Menschen, die nicht Auto fahren können, wollen oder dürfen ein Füllhorn an Möglichkeiten bei relativ geringem Aufwand.
    Ich hoffe, der Autor ist schon mit der Hochbahn im Kontakt (und an der Umsetzung …)!

  8. Für mich lautet die Antwort: Gar nicht.
    Und warum sollte jemand mit dem Fahrrad zum Möbelhaus fahren? Um was zu kaufen?
    Für mich ist Cambio-Carsharing die Ergänzung zur hvv-Abokarte.
    Gab es im Inselrundblick schon Mal einen Beitrag zu Carsharing in Wilhelmsburg?

    1. Hallo Wolfgang,
      Menschen transportieren auf ihren Rädern mehr Sachen als Sie es sich, glaube ich, vorstellen können.
      Carsharing (wobei man da auch gerne mal über den Greenwashing-verdächtigen Begriff des „sharing“ nachdenken könnte, passender wäre wohl „dezentrale Vermietung“) ist nicht für alle Menschen eine Alternative: zB. Angst-Thematiken, ALGII (Sie können ja mal nachschauen, wie hoch der Satz für Mobilität im ALGII ist), kein Führerschein, keine Anerkennung eines ausländischen Führerscheins …
      Das klingt bestimmt pampiger als es klingen soll, ich will damit nur sagen: Auch wenn der Vorschlag eines Rad-Busses aus der eigenen Perpektive keinen Sinn ergibt, könnte er für viele andere Menschen sehr hilfreich sein.
      Ich bin selber Autofahrer, da ich in einer von Jahrzenten der Fehlplanung geprägten Infrastrukturlandschaft keine Lust habe, meine Lebenszeit im ÖPNV zu verschwenden. Dies liegt besonders an den nicht vorhandenen Elbquerungen und Magistralenverbindungen.

      Ich finde den Vorschlag mit dem Bus fantastisch, besonders weil er sehr pragmatisch ist.

      Lieben Gruß Eike

      1. Hallo Eike,
        1. Ich habe mit keinem Wort bestritten, dass der Rad-Expressbus „für viele andere Menschen sehr hilfreich sein“ kann. Sondern habe nur unmittelbar direkt für mich die fettgedruckte Frage am Ende des Artikels beantwortet.
        2. Habe ich geschrieben, dass Carsharing für mich sehr hilfreich ist. Und ich denke, dass Carsharing sicherlich auch „für viele andere Menschen sehr hilfreich sein“ kann.
        Das schließt natürlich nicht aus, dass das eine oder das andere für manche Menschen nicht infrage kommt.
        Meine Fantasie ließ mich beim Ziel „Möbelhaus“ eher an den Transport größerer, sperriger Dinge denken, die man nicht per Fahrrad transportieren kann / sollte. Aber ich brauche nicht erst meine Vorstellungskraft bemühen, ich sehe gelegentlich, wie manche Menschen (zu-)große, (zu-)sperrige Dinge transportieren……
        Wie kommst du darauf, dass ich die ALG II-, bzw. Bürgergeldsätze NICHT kenne???

        Viele Grüße Wolfgang

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert