Im Gespräch: Elaine Thomas

Elaine Thomas – Schauspielerin, Musikerin, Storytellerin, Feministin, Dozentin und vor allem Aktivistin

Elaine Thomas hat in Kooperation mit dem Bürgerhaus Wilhelmsburg, der Bücherhalle Wilhelmsburg und dem „Netzwerk gegen Rechts Wilhelmsburg“ Workshops im Rahmen eines Dekolonialisierungsprojektes geleitet. WIR haben Elaine getroffen, um mehr über ihr Engagement, ihre Arbeit und sie selbst zu erfahren.

WIR: Hallo Elaine! Es freut mich, dass du Zeit für unser Treffen auf eine Tasse Kaffee gefunden hast. Ich habe gehört, dass du momentan viel beschäftigt bist?

Elaine Thomas: Danke, ich freue mich auch! Obwohl ich eigentlich kaum in Cafés sitze. Ich bin immer viel damit beschäftigt, als Dozentin Englischkurse anzubieten, Musik zu machen oder eben Projekte, Seminare und Workshops zu leiten. Da bleibt kaum Zeit, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken. *lacht*

WIR: Wie findest du die Zeit dafür, all deinen Aktivitäten nachzukommen?

Elaine Thomas: Disziplin und gutes Zeitmanagement! Ohne gute Organisation und Struktur würde das nicht funktionieren. Und natürlich Leidenschaft für die Dinge, die ich tue. Nebenbei gehe ich ja auch noch gerne zum Sport oder fahre mit meinem Rennrad – das muss alles geplant werden!

WIR: Du bist Aktivistin, Dozentin, Feministin, Schauspielerin und Musikerin zugleich. Wie hat das angefangen?

Elaine Thomas: Ich würde sagen, ich war schon immer Künstlerin. Ich bin in Washington D.C. aufgewachsen, mein Vater gehörte zu dem indigenen Bevölkerungsanteil in Maryland. Ich bin jedoch in einem Kinderdorf aufgewachsen. Mit 13 habe ich angefangen, Hip Hop zu tanzen, mit 15 lernte ich das Theater kennen und lieben. Es hat mich einfach fasziniert. Ich wollte damals gesehen werden und meiner Stimme Ausdruck verleihen. Dazu bot mir das Theater die Chance und ich wurde gut gefördert. Außerdem habe ich durch das Theater Disziplin gelernt und was es bedeutet, das eigene Talent zu nutzen. Vor 44 Jahren kam ich dann nach Deutschland. Seit zehn Jahren lebe ich nun in Wilhelmsburg, davor habe ich in der HafenCity gewohnt. Bevor ich nach Hamburg kam, habe ich in Hannover gelebt und muss sagen, dass ich das Gefühl hatte, dass die Gesellschaft dort offener und toleranter war. In Hamburg begegnet mir so viel öfter offener Rassismus im Alltag.

WIR: Du hast also mit dem Theater angefangen und bist so nebenbei zur Musik gekommen. Wann hat jedoch dein politischer Aktivismus begonnen?

Elaine Thomas: Ich glaube, auch schon zu der Zeit. Ich bin zwischen so vielen Kindern aufgewachsen, dass ich manchmal das Gefühl hatte, unsichtbar zu sein. Das Theater gab mir die Bühne, um mein Talent und, wie gesagt, meine Stimme zu nutzen. Dabei habe ich auch gesehen, dass es Theaterstücke von Schwarzen Personen gibt und auch Schwarze Schauspieler:innen. Aber auch starke Persönlichkeiten haben mich inspiriert, wie zum Beispiel Angela Davis. Ein besonderer Punkt war jedoch auch, als ich eigene Kinder bekommen habe und der Rassismus nicht mehr nur mich allein betraf. Ich tue, was ich kann, und nutze, was ich habe, um mich zu engagieren.

WIR: Was sind Projekte, mit denen du dich momentan beschäftigst?

Elaine Thomas: Viel Zeit verbringe ich mit Sprachkursen für Englisch und Business Englisch. Dann ist da natürlich auch die Workshopreihe, die gerade im Bürgerhaus stattfand. Ich bereite mich auch schon auf den Black History Month im Februar vor und arbeite viel mit Schüler:innen der Nelson-Mandela-Schule zusammen. Ich möchte mich momentan auf meine Community hier im Viertel fokussieren. Wilhelmsburg ist ein Stadtteil mit so viel Potenzial! Er leidet noch immer unter dem Stigma, ein Problemviertel zu sein und darunter, dass die Menschen hier nicht genug Chancen bekommen, um ihre eigentlichen Stärken zu zeigen. Es ist so vielfältig hier. Das ist eine große Stärke, die ungenutzt bleibt, wenn die Menschen nicht die Möglichkeit bekommen, sich zu entfalten. Bildungsarbeit in Wilhelmsburg ist also gerade mein Hauptfokus.

WIR: Was bedeuten Hamburg und auch Wilhelmsburg für dich?

Elaine Thomas: Nun ich dachte tatsächlich, dass es hier bunter ist. *lacht* Hier gibt es viel Klassik, Kultur, Theater und Oper. Die Undergroundszene ist relativ klein. Jazz ist nicht so bekannt. In Berlin und sogar Hannover gab es da deutlich mehr! Dadurch ist die Künstler:innenszene ziemlich übersichtlich und man kennt sich untereinander. Ich kenne, glaube ich, alle Schwarzen Künstler:innen der Szene. *lacht* Das liegt vielleicht auch daran, dass ich in der Organisation bzw. Auslandspartei der GBC aktiv bin. GBC steht für Global Black Caucus. Ich bin dementsprechend für die Community in Hamburg zuständig und wir befassen uns mit Themen der Schwarzen Community in den USA, die aber auch uns im Ausland betreffen. Wir sind eine große Community, ein Stamm, und müssen zusammenhalten.

WIR: Hattest du in der ganzen Zeit auch mal das Gefühl, du kommst nicht weiter und möchtest aufgeben?

Elaine Thomas: Nein, nicht wirklich. Dann heißt es „runterschlucken und weiterkämpfen“. Es verändert sich nichts, wenn man nur zuschaut. Angela Davis ist da wieder eine große Inspiration für mich. Auch heute noch ist sie aktiv und erhebt ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit. Das sollte das Ziel sein. Zu lernen: „Okay, das war falsch, das darf sich nicht wiederholen“. Ich glaube daran, dass es mal eine Welt ohne Rassismus geben kann. Aber dafür muss es auch neue Gesetze geben. Gesetze für mehr Empathie, Menschlichkeit und Liebe. Ich glaube, das fehlt ein bisschen in Deutschland im Gegensatz zu den USA. Dieser Spirit, ein Vorbild zu haben und leidenschaftlich für etwas zu kämpfen.

WIR: Was hast du noch für Ideen für die Zukunft?

Elaine Thomas: Ich bin gespannt auf das nächste Projekt im Dezember. Wir fahren mit einer Jugendgruppe nach Neuengamme in das KZ und beschäftigen uns mit Schwarzen Menschen zu Zeiten des Nationalsozialismus. Und als Idee für die Zukunft? Ich würde gerne Regie führen bei Theaterstücken mit Jugendlichen!

WIR: Neben all deiner Arbeit und deinem Engagement: Was machst du noch gerne?

Elaine Thomas: Wie gesagt, ich fahre sehr gerne mit meinem Rennrad. Auch längere Strecken durch ganz Deutschland. Ich fliege ungern, habe kein Auto und versuche auch so, mich für die Umwelt einzusetzen, weniger Plastik und Müll zu produzieren. Jede:r kann einen Beitrag leisten, ohne perfekt sein zu müssen.

WIR: Ein Motto oder Zitat, welches dir Kraft gibt oder dich am ehesten beschreibt?

Elaine Thomas: Behandle andere so, wie du auch behandelt werden möchtest. Ein Spruch, der in vielen Glaubensrichtungen vorkommt und viel Wahrheit enthält.

WIR: Ich bedanke mich für dieses tolle, inspirierende Interview!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Liza-Shirin Colak

Liza-Shirin Colak schreibt als jüngstes WIR-Mitglied besonders über Stadtteilentwicklung, Nachhaltigkeit und lokale Insel-Insider.

Alle Beiträge ansehen von Liza-Shirin Colak →