Hochwasserschutz ernst nehmen

Der vielen Opfer der Flutkatastrophe 1962 wird jedes Jahr am 16. Februar gedacht

Links sieht man 2 Stelen des Flutdenkmals und über 3/4 des Bildes Ausschnitte des Steins mit der Inschrift: 1333 begann die Eindeichung Wilhelmsburgs
Die Elbinsel Wilhelmsburg ist flutgefährdetes Gebiet. Daran wird jedes Jahr am 16. Februar bei einer Gedenkfeier am Flutdenkmal in der Kirchdorfer Straße gedacht.
Foto: H. Wernicke

„Man spürt in … solchen Gesprächen immer, wie sich die Flut ins Gedächtnis der Menschen gebrannt hat, eine bedrückende und beklemmende Erinnerung. Und diese Erinnerung ist trotzdem wichtig. Sie ist uns eine Mahnung, den Hochwasserschutz ernst zu nehmen. Die Gefahr von Hochwasserschutz niemals zu unterschätzen … Doch die Sturmflut brachte nicht nur Leid nach Hamburg – sie zeigte auch die Stärke und Solidarität unserer Stadt,“ mahnte Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, auf der 62. Gedenkfeier an die Opfer der Flutkatastrophe 1962 am 16. Februar. Besonders schlimm habe es die Elbinsel Wilhelmsburg getroffen. Hier gab es mit 222 Menschen die meisten der insgesamt 315 Hamburger Todesopfer. Wie auch schon der erste Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher 2022 wies Ralf Neubauer darauf hin, dass nach der Flut 1962 der Senat den Katastrophenschutz neu organisiert und den Hochwasserschutz erheblich verbessert habe.

Die Deiche sind sicher

Gedenkfeier an die Opfer der Flutkatastrophe. Foto: H. Greff

Bei den Deichverteidigungsübungen am 13. Oktober 2023, die der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) durchgeführt hat, wurde festgestellt, dass sich „die Deiche, Hochwasserschutzwände, Flutschutztore, Sperrwerke, Schleusen und Schöpfwerke, die entlang der Elbe Hamburg vor Sturmfluten schützen … in einem sicheren Zustand befinden“. Aber, steht das Wasser in der Tideelbe über mehrere Tage hoch, wird die Entwässerung binnendeichs blockiert. Das hat Ralf Neubauer kurz vor Weihnachten 2023 erlebt, als bei einem Binnenhochwasser die Feuerwehr mit dem Technischen Hilfswerk, dem LSBG und anderen auf Finkenwerder tagelang das Wasser aus der Alten Süderelbe in die Elbe pumpen mussten, um Schlimmeres zu verhindern.

Die Bewohner*innen der Elbinseln wissen um die Gefahr des Wassers

Pastor Dr. Malte Detje sprach über einen Bibeltext, der bei nahezu jeder Beerdigung gelesen wird: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr“. Die Frage sei, warum die Bibel ein Bild von der Ewigkeit zeichne, in der es kein Meer mehr gäbe. Während für viele heutzutage das Meer vor allem ein touristischer Sehnsuchtsort sei, wusste das alte Israel davon, welche lebensbedrohliche Kraft auch vom Wasser ausgehen könne. Und so stünde das Wasser immer auch symbolisch für all das Chaos, das über unser Leben hereinbrechen kann. Pastor Detje meinte: „Für viele ist das heute unverständlich. Doch wir auf der Elbinsel wissen auch etwas davon und behalten es in unserer Erinnerung, dass Wasser – neben allem Guten – auch diese zerstörerische Kraft hat. Doch bis in der Ewigkeit diese Gefahr gebannt sein wird, bleibt es in unserer Verantwortung, damit umzugehen.“ Zum Abschluss dankte er allen, die sich für die Sicherheit auf unserer Elbinsel einsetzen.

Kommen 2024 wieder Schafe auf die Deiche?

Schafe grasen auf einem Deich.
Den Anblick vermissen die Wilhelmsburger*innen: Schafe auf dem Deich.
Foto: Pixabay

WIR haben auch immer ein Auge auf den Zustand der Deiche und haben immer wieder berichtet, wenn Bauarbeiten nicht vor der Deichruhe im Oktober beendet waren. WIR haben auch nachgefragt, warum es in den letzten beiden Jahren keine Schafbeweidung gab. Dazu erhielten wir vom LSBG im Oktober 2023 die Antwort: „Richtig ist, dass eine Schafbeweidung zusätzliches Geld kosten wird. Dies ist aber nicht der alleinige Grund, warum seit einiger Zeit eine Schafbeweidung ausgesetzt ist. Vielmehr ist dieses Thema deutlich komplexer und derzeit wird ein Konzept erarbeitet, mit dem in Zukunft eine nachhaltige und langfristige Beweidung gewährleistet wird.“

5 Gedanken zu “Hochwasserschutz ernst nehmen

  1. Mich ärgert eine gewisse Scheinheiligkeit. Einerseits wird Jahr für Jahr der Flut `62 sowie deren schlimme Folgen gedacht und die Bedeutung der Deichsicherheit für Wilhelmsburg betont. Zur Deichsicherheit gehört andererseits auch die überaus wichtige Einrichtung der Deichwacht! Deren Unterstützung durch Politik und Verwaltung geht gegen null. Und zwar seit Jahren. Zum Beispiel benötigt die Deichwacht dringend Nachwuchs. Warum wird durch öffentliche Stellen nicht offensiv für neue Mitglieder geworben? Wenn das erfolgversprechend sein soll, müssen aber auch die Rahmenbedingungen für das Personal stimmen. Aktuell haust die Deichwacht in Containern und verfügt nicht einmal über eigene sanitäre Anlagen. Sie ist dabei auf das Wohlwollen der Betreiber des Wohnmobilstellplatzes in Finkenriek angewiesen.

    Anderes Beispiel: Die Suche nach dem heutigen Standort der Deichwacht hat Jahre gedauert. Bis er dann am Rande des Wohnmobilstellplatzes gefunden wurde. Nun beginnt das Drama von vorn. In den nächsten Jahren soll die Bahnbrücke über die Süderelbe erneuert werden. Die Bahn beansprucht voraussichtlich ab 2027 Gelände für die Montage der Brückenelemente. Deshalb wird die Deichwacht ihr Lager räumen müssen. Ebenso, wie auch der Wohnmobilstellplatz und andere. Aber wohin dann? Für die Deichwacht braucht es endlich eine dauerhafte Lösung. Damit sollten sich die Verantwortlichen unverzüglich beschäftigen!

  2. Mir wurde zum Glück 1962 das Leben gerettet. Ich war 5 Jahre alt und bin fast ersoffen.
    Vielleicht bin ich deshalb übersensibel was Hochwasserschutz/Deichsicherheit betrifft.
    Aber wer behauptet, Deiche sind ohne Beweidung sicher, der erklärt doch gleichzeitig alle Niederländer, Niedersachsen und Schleswig-Holsteiner an der Nordseeküste zu Idioten. Alle Deiche werden dort aus Sicherheitsgründen beweidet, weil die Schafe die Grasnarbe festtreten und die Wühlmauslöcher zutreten.
    Warum werden in Niedersachsen über 35000 Nutrias aus Deichschutzgründen gejagt und hier am Ernst-August-Kanal werden die Mistviecher gefüttert ?
    Die Nutrias haben 2x mal im Jahr Nachwuchs mit bis zu 8 (in Worten Acht) Jungtieren!
    Also 16 pro Jahr.
    Die Jungtiere sind nach 5-6 Monaten ebenfalls geschlechtsreif.
    Warum werden die in Hamburg nicht bejagt ?

    Und zum Flutdenkmal: das gehört an den Deich und nicht irgendwo versteckt.

    1. Dem kann ich nur zustimmen. Nicht alles was alt ist und sich immer bewährt hat, muss abgeschafft werden. Da sind wohl wieder die jungdynamischen BWLer am Werk?

  3. In einer Rede beim Gedenken an die Flutopfer am 16.2.24 wurde darauf hingewiesen, dass das Denkmal für die Flutopfer von 1962, „Die Woge“, zum Museum in Kirchdorf verlegt werden soll. Ich halte dies für eine geschichtsvergessende Entscheidung, die so nicht erfolgen sollte. Das Denkmal steht z. Zt. dort, wo der Deich gebrochen ist. Vielleicht wäre der Spreehafen noch ein denkbarer Standort, auch dort ist der Deich gebrochen, mit den grausamen Folgen für viele Menschen, die an dieser Stelle noch in den sog. Behelfsheimen gewohnt haben. Das Museum steht auf einer Anhöhe und hat wenig bis nichts von der Flut abbekommen. Vor dem Museum würde das Denkmal zu einer reinen Deko verkommen, die nichts mit dem Ort zu tun hat. Es würde aus dem räumlichen Zusammenhang gerissen.

    1. Frau Kodrzynski hat vollkommen recht, die „Woge“ hat vor dem Elbinsel-Museum nichts verloren.
      Zu den von Frau Kodrzynski genannten Gründen kommt noch hinzu, dass das Museum, scheint’s, weiterhin (für unbestimmte Zeit? Auf ewig?) geschlossen ist und insofern keinen Ort mit einer irgendwie historischen Anbindung mehr darstellt.
      Angeblich ist dort für die Zeit nach der Renovierung des Gebäudes eine „Flut-Ausstellung“ geplant. Dafür wurde vor ca. zwei oder drei Jahren im Stadtteil mal nach Exponaten gesucht und zum Gespräch eingeladen. Mehr tat sich aber wohl nicht. Ein tragfähiges Konzept für eine solche Ausstellung wurde jedenfalls bisher nicht bekannt (und dürfte sich auch als sehr schwierig zu entwickeln herausstellen).
      In einem solchen Zusammenhang wäre die „Woge“ dann nichts weiter als ein sinnentleerter Dekorationsgegenstand, ein schmückendes Beiwerk, das man mangels anderer Exponate gerne aufstellt.
      Der jetzige Standort des Denkmals auf der LKW-Straßenkreuzung an der Hafenrandstraße ist allerdings auch eine Katastrophe. Dort steht es völlig vernachlässigt und nur Autofahrer*innen sehen es. Kaum jemand von den Vorüberfahrenden versteht, was das „Blechding“ darstellen soll.
      Noch dazu fehlen der Wasserstrom und das Becken. Das Denkmal war ja einst als Brunnen angelegt, aus der metallenen Woge kam tatsächlich Wasser.
      Es ist ein Unding, wie mit dem ganzen Denkmal umgegangen wurde. Es stand zu Beginn auf dem Stübenplatz, mitten unter den Menschen, und dort, wo nach der Flut die Versorgungshubschrauber gelandet sind. Ein guter Ort. Dann wurde der Stübenplatz „renoviert“, die „Woge“ eingelagert und erst viel später an besagter Straßenkreuzung in der demontierten Version aufgestellt.
      Ein wirklich passender Ort der Aufstellung wäre am oder im „Wilden Wald“, z.B. auf der Lichtung im östlichen Teil des Waldes.
      Der ganze Wald ist ein lebendes Flut-Mahnmal, ist er doch überhaupt nur aufgrund der Sturmflut 1962 entstanden. Ein Erinnerungsort ohne menschliches Zutun. Ein Ort, wo die „Bäume voller Tränen hängen“, so eine Flut-Zeitzeugin 2018.
      Mittlerweile ist dies wieder mehr ins Bewusstsein der Wilhelmsburger*innen gerückt, auch durch die Arbeiten der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg und das Engagement der Initiative Waldretter*innen.
      Der „Wilde Wald“ IST bereits ein Ort des Gedenkens, deshalb ist es auch so pietätlos und abscheulich, dass die Stadt Hamburg ihn roden und dort bauen will (sog. Spreehafenviertel).
      Das zeigt einmal mehr die Geschichtsvergessenheit dieser Hansestadt.
      Dort, in den Wald oder an den Waldrand, könnte die „Woge“ gehören, und zwar restauriert und so, wie sie ursprünglich gedacht war. Ergänzend könnte eine Erklärtafel hinzukommen.
      Zu überdenken wären im übrigen auch Inhalt und Ablauf der ritualisierten und in Teilen verlogenen jährlichen Flut-Gedenkveranstaltung beim 600-Jahre-Eindeichungsfindling und der Flut 1962-Stele an der Kirchdorfer Straße.

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Marianne Groß

... ist Gründungsmitglied des Wilhelmsburger InselRundblicks e. V. Sie berichtet – soweit möglich – über alles, was sie selbst interessiert und hofft, damit die Leser*innen nicht zu langweilen. Dazu gehören die Veränderungen im Stadtteil, Ökologie und Kultur. Zusammen mit ihrem Mann kümmert sie sich um den großen Garten und liebt es, Buchsbäume zu schneiden.

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