Das war vielleicht komisch: Ich komme nach Hause, schließe die Haustür auf und sehe, dass die Briefkästen offen stehen
Erwin Lüttjohann. Das war vielleicht komisch: Ich komme nach Hause, schließe die Haustür auf und sehe, dass die Briefkästen offen stehen. „So ein Mist“ denke ich, „jemand hat unsere Briefkästen geknackt und alles geklaut“. War aber nichts geklaut, die Post war drin. Und dann hab ich gesehen, dass mein Briefkasten weiterhin zu war. „Komisch“ denke ich, aber ich hab erstmal durchgeatmet. Dann klingele ich bei Herrn Larsen im Erdgeschoss, der kriegt immer alles mit.
„Ach so!“ sagt er, „die Briefkästen! Ja, wir lassen die jetzt immer auf, ist einfacher, für den Postboten und für uns, brauchst nicht auf- und zuschließen. Mach das doch auch so!“
„Nee, bestimmt nicht, dann sieht ja jeder, was ich für Post bekomme!“
„Und wenn schon! Oder vertraust du uns nicht?“
„Das schon, aber das geht doch keinen was an!“
„Ach“ sagt er, „wir haben nichts zu verbergen. Oder hast du was zu verbergen?“
Das war eine gute Frage. Sage ich Ja, mache ich mich verdächtig und gelte als Außenseiter, der auf seinem Grundrecht besteht. Sage ich Nein, dann stehe ich ganz schön unter Druck.
„Ich finde die Idee nicht gut“, sage ich und schließe meinen Briefkasten auf, „und zu verbergen habe ich nicht mehr oder weniger als alle hier im Haus. Das gehört sich einfach nicht.“
„Bisher haben wir dir immer vertraut“, sagte Herr Larsen.
„Tja, das ist ja wie am FKK-Strand, da muss man auch nackt rumlaufen.“
„Richtig!“
„Ich gehe aber nicht freiwillig an den FKK-Strand“, sage ich.
„Dann kommt der FKK-Strand eben zu dir. Stell dich doch nicht so an!“
„Herr Larsen, Grundrechte werden nicht verschenkt. Ich kann euch nicht daran hindern, den Briefkasten offen stehen zu lassen, aber ich mach das nicht mit“, sage ich und nehme meine Post raus. Wieder nur Werbung.