Fährt sie überhaupt noch?

Fähren-Pendelnde und Ausflügler:innen sind genervt: Die Linie 73 fährt den Anleger „Ernst-August-Schleuse“ kaum noch an

Leicht war es noch nie, eine der HADAG-Fähren der Linie 73 an der Haltestelle Ernst-August-Schleuse zu erwischen. Denn, wie es auf der mit vielen bunten Bildern angereicherten Homepage der Betreiberfirma heißt: „Sollten die Wasserstände die Zufahrt zum Anleger Ernst-August-Schleuse nicht ermöglichen, wird nur Argentinienbrücke angelaufen“ und die „Fahrzeiten sind von der Tide abhängig“. Seit ihrer Eröffnung 2012 scheint die Verbindung das Stiefkind der Hafenverbindungen zu sein (siehe z.B. WIR 4/2015).

Auf orangenem Hintergrund steht in schwarzer Schrift: Ja! Heute fährt die 73. Leider viel zu selten und am Wochenende gar nicht!
Die Initiative „Fährt Sie?“ möchte den Ausbau der Verbindung erreichen. Bild: Ausschnitt aus https://www.faehrtsie.de/

Auch die Initiative „Fährt sie„, ein Zusammenschluss von Unternehmerinnen aus Wilhelmsburg, die sich für den Ausbau der Fährlinie 73 zwischen dem Festland und der Elbinsel einsetzen, konnte bisher nicht erreichen, dass die wichtige Verbindung zwischen den Landungsbrücken und dem Reiherstiegviertel auch am Wochenende eingesetzt wird. Wer mit ihr fahren möchte, schafft sich besser einen Twitter-Zugang an, Elon Musk hin oder her, denn nur auf dem dortigen HADAG-Account finden sich halbwegs zuverlässige und aktuelle Informationen.

Flachschiffsflotte stark dezimiert

Störungsmeldungen der HADAG auf Twitter.
Twitter-Account der HADAG: Nur hier aktuelle Informationen.

Soweit, so bekannt. Doch nun hat sich die Lage noch weiter verschärft. Der Grund: Drei der vier Flachschiffe, die nötig sind, um den Ernst-August-Anleger auch bei Hochwasser erreichen zu können, sind derzeit außer Betrieb. Auch der erst letztes Jahr neu angeschaffte Ausflugsdampfer „St. Nikolaus“ muss erst für den Einsatz im ÖPNV umgebaut werden, so Tobias Haack, Vorstand der HADAG Seetouristik und Fährdienst AG (ein Tochterunternehmen der Hamburger Hochbahn AG (HHA)). Nach Informationen des WIR hatte sie aber bei einem Testlauf am vergangenen Wochenende einen Motorschaden erlitten. Haack bedauert, dass die Flachschiffsflotte momentan nur eingeschränkt einsatzfähig sei. Die „Rafiki“ werde wegen eines Schadens leider länger ausfallen. Die „Reiherstieg“ sei in einer Grundinstandsetzung und werde im späten Frühling wieder im Einsatz sein, genauso wie die „St. Nikolaus“. Einzig die „Nala“ fährt noch.

Das Problem: Die doppelstöckige Fähre, die momentan als Ersatz dient, kann nicht unter der Argentinienbrücke hindurchfahren. Deshalb fährt sie nur bis zum gleichnamigen Anleger. Auf unsere Fragen, woran es liegt, dass so viele Schiffe kaputt sind und dass die Reparaturen sich verzögern und ob es eigentlich Zukunftspläne für einen erweiterten Fahrplan für die Wochenenden gibt, haben wir von Herrn Haack keine Antworten bekommen. Die Empfehlung eines Fähre-Kapitäns: „viele Mails an die HADAG senden, um den Druck zu erhöhen!“

Schiffer wechseln zur Touristik-Konkurrenz

Eine flache Fähre liegt an einem Anleger auf der Elbe.
Die „Reiherstieg“ legt am Ernst-August-Anleger an (April 2015). Foto: M. Groß

Das Hamburger Abendblatt hat vor wenigen Tagen über ein weiteres Problem berichtet: Die Fährreederei verliert Personal an Touristenbetriebe, die deutlich mehr zahlen. Das betrifft nicht allein die Linie 73. Allein am Gründonnerstag entfielen auf der Fährlinie 62 zwischen Finkenwerder und den St. Pauli Landungsbrücken sieben Fahrten pro Richtung. Und auch auf der 75 gab es massive Ausfälle, was besonders für die Hafenarbeiter:innen, die nach Steinwerder müssen, große Schwierigkeiten bedeutet. Was auf ihrem Twitter-Kanal also als „Betriebsstörung“ bezeichnet wird, heißt eigentlich, dass der HADAG die Schiffsführer:innen abhanden kommen. Allein in den ersten Monaten dieses Jahres haben, laut Abendblatt, zehn Schipper:innen zur Konkurrenz gewechselt, die, anders als die HADAG, selbst oft nicht ausbildet. Bei ihnen ist jedoch nicht nur das Gehalt wesentlich höher; auch die Arbeitszeiten sind für viele wesentlich attraktiver. Deshalb ist abzuwarten, ob die Tarifverhandlungen, die bei der HADAG derzeit geführt werden, eine schnelle Verbesserung der Situation bringen werden.

Ein zweigeteiltes Bild: Links lila Hintergrund, rechts ein Foto, auf dem eine Frau von hinten zu sehen ist, die zu einem Schiff auf dem Wasser blickt. Neben ihr eine Schiffsglocke.
Werbung für die Linie 73 bei der HADAG: In der Realität eine Fähre für wenige Lebenslagen. Bild: Ausschnitt aus https://hadag.de/de/linien/73/

Nachtrag: Eine IT-kundige Person hat inzwischen einen Bot geschrieben, der warnt, wenn der Wasserstand für die Fähre zu hoch sein wird. Außerdem leitet er die HADAG-Twittermeldungen für die Linie 73 weiter. Zu finden in dieser Telegramgruppe.

3 Gedanken zu “Fährt sie überhaupt noch?

  1. Hinweis : Die Telegram Gruppe funktioniert nicht mehr, weil der bot ausgesperrt wurde von Twitter. Man kann ja generell nur noch sich Sachen auf Twitter ansehen, wenn man angemeldet ist.

  2. Wer wissen will, wann und ob die Fähre fährt, kann dies auch ohne eigenen Twitter-Account schnell erfahren. Die Initiative 7×73 hat der Hadag mal gezeigt, wie Kundenservice geht und die Webseite faehrtsie.de programmieren lassen. Dort wird nicht nur sofort die nächste erreichbare Fähre angezeigt, es gibt auch einen direkten Link zum Fahrplan und ein Schaufenster zum Tweet der Hadag. Die Webseite lässt sich als App dem Startbildschirm hinzufügen. Ließe sich natürlich auch über eine digitale Anzeigetafel am Anleger lösen..
    Kund*innen interessieren die Hadag aber offensichtlich nicht, genauso wenig wie die mehr als 6000 Unterschriften, die vor 5 Jahren für den Wochenendbetrieb der 73 gesammelt wurden.

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Jenny Domnick

Als freiberufliche Texterin und gesellschafts-politisch aktive Person ist sie viel im Internet unterwegs, unternimmt aber auch gerne Streifzüge am und im Wasser. Wenn's pladdert, müssen ihre Freund*innen als Testesser*innen für ihre Hobby-Kochkünste herhalten.

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