Auf Wilhelmsburg gab es 1962 mit 222 von 315 Toten in ganz Hamburg die meisten Opfer. Hauptursache der Deichbrüche war die Vernachlässigung der Deichpflege und Deichsicherheit
Michael Weinreich, Vorsitzender des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel, begrüßte nun schon im 11. Jahr die Teilnehmer*innen der Flutgedenkfeier. Es kamen vor allem Ältere, die sich noch an die Katastrophe 1962 erinnern und das Leid nicht vergessen haben und der vielen Toten gedenken wollen. Vielen Neu-Wilhelmsburger*innen ist gar nicht bewusst, dass sie auf einer Insel leben, die nur durch die Deiche vor Überflutung geschützt wird.
Einen besonderen Rahmen geben der Gedenkfeier jedes Jahr die Vertreter*innen der Freiwiligen Feuerwehren Moorwerder, Kirchdorf und Wilhelmsburg, des Deichverbandes, der Wilhelmsburger Deichwacht und der Rettungshundestaffel Hamburg-Harburg. In diesem Jahr nahm auch eine Abordnung der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) sowie die Jugendfeuerwehr teil. Michael Weinreich freute sich: „… Es ist toll, dass ihr mit so viel Begeisterung dabei seid, und wir wissen, dass es in der Freiwilligen Feuerwehr auch in 10 oder 20 Jahren noch weiter geht.“ Er verurteilte die Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte.
Die Deiche waren 1962 in schlechtem Zustand!
Michael Weinreich erklärte: „Die Sturmflut von 1962 hat uns sehr schmerzhaft gezeigt, was eine Vernachlässigung der Deichpflege und Deichsicherheit kosten kann: nämlich buchstäblich unser Leben – gerade hier auf unserer Elbinsel. Die Deiche befanden sich damals in einem sehr maroden Zustand, was auch daran lag, dass Bombenschäden aus dem Weltkrieg teilweise nur mit Trümmerschutt ausgebessert worden waren. (…) Naturgewalten wie Erdbeben, Hurricanes und Sturmfluten zeigen uns, wie machtlos der Mensch der Natur in solchen Situationen gegenüber steht. Wir alle spüren, dass die Anzahl solcher Ereignisse von Jahr zu Jahr zunimmt. (…) Die Experten sind sich einig, dass diese Katastrophen maßgeblich auf den von Menschen gemachten Klimawandel zurückzuführen sind. Nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) war 2024 bisher ein besonders schlimmes Extremwetterjahr.“
Hamburg stellt sich den Herausforderungen
In Hamburg werden die Investitionen in den Erhalt und die Erhöhung der Deiche angehoben. Michael Weinreich berichtete, dass der Haushalt 2025/2026 in diesem Jahr Investitionen für acht Kilometer und im nächsten Jahr für zehn Kilometer Deicherhöhungen vorsehe. Bis 2050 würden alle Hamburger Haupdeiche, insgesamt 103 Kilometer, erhöht werden. Die zur Verfügung stehenden Mittel seien von 36 auf knapp 38 Millionen Euro erhöht worden. Er meint: „Das ist gut investiertes Geld!“
Flutausstellung im Museum Elbinsel Wilhelmsburg geplant
Der Vorsitzende des Museumsvereins, Gerd Nitsche, berichtete über den Stand der Sanierungsarbeiten (s. WIR 18.12.24). Nach fünf Jahren sei nun endlich mit den Arbeiten begonnen worden. Im Moment sei das Museum innen eine Katastrophe. Die Exponate wurden nach Harburg ausgelagert. Bei der Entkernung habe man immer neue Baustellen entdeckt. Die Planung der Sprinkenhof GmbH sei, dass die Bauarbeiten Ende 2025 beendet sein sollen. Dann könnte die Flutgedenkfeier im nächsten Jahr am Museum stattfinden. Es bestehe die Zusage des Bezirks, dass das Denkmal Die Woge, das jetzt oben am Vogelhüttendeich steht, vor das Museum komme. Das würde auch vor dem Museum einen Bezug zu der geplanten Flutausstellung in der ersten Etage des Museums herstellen. Nachdem die Bauarbeiten erledigt seien, beginne dann die Einrichtung.
Später solle das Museum nicht nur an den Sonntagen, sondern an drei Tagen in der Woche geöffnet sein. Das würde hoffentlich mehr Besucher*innen anziehen. Aber die Eröffnung könne sich durchaus noch in das übernächste Jahr verschieben.
Nach Fürbitten und dem Beten des Vater Unsers durch André Rathje, der für den erkrankten Pastor Dr. Malte Detje eingesprungen war, rief Michael Weinreich zu einer Schweigeminute auf, um der Toten und Hinterbliebenen jener Tage im Jahre 1962 zu gedenken. Er bedankte sich bei den Anwesenden und wünschte allen einen guten Heimweg.
Was plant der zuständige Landesbetrieb (LSBG) für die Deiche in diesem Jahr?
WIR haben beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer nach den Planungen für die Wilhelmsburger Deiche gefragt und erhielten folgende Auskunft:
„In 2024 haben wir am Wilhelmsburger Ringdeich Deicherhöhungen am Kreetsander Hauptdeich (2. Bauabschnitt) und am Obergeorgswerder Hauptdeich Erhöhungen durchgeführt. In 2025 wird ein weiterer Abschnitt des Kreetsander Hauptdeichs und ein erster Abschnitt am Reiherstieg Hauptdeich erhöht. Weitere 14 Projekte für die Erhöhung der Hochwasserschutzanlagen an der Hauptdeichlinie befinden sich in Planung.
In 2025 sollen die dafür geeigneten Deichbereiche auch wieder mit Schafen beweidet werden. Eine diesbezügliche Ausschreibung wurde durchgeführt.“
Und zu der Nutriapopulation: „Da wir regelmäßig die Deiche kontrollieren, ist uns das Nutriavorkommen in Wilhelmsburg bekannt. Auch in der Nähe der Hauptdeichlinie gibt es vereinzelt diesbezügliche Sichtungen. Zwar wurden größere Schäden noch nicht festgestellt, dennoch werden die betroffenen Deichabschnitte genau beobachtet und ggf. auch sofort ausgebessert.“