Bahnchaos für mehrere Jahre zu befürchten

Die „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau“ GmbH (DEGES) plant mit dem Bau von Hilfsbrücken gravierende Eingriffe in die Nord-Süd-Schlagader von Hamburgs Eisenbahn

Luftaufnahme südl. Wilhelmsburg am Katenweg, Bahntrasse, Autobahn-Ausfahrt Kornweide. Mit gelb ist die geplante A26-Ost quer über die Schienen und Straßen (West-Ost-Verlauf) eingezeichnet.
Geplanter Verlauf der A26-Ost in gelb (eingezeichnet). Foto: Geo-Online Hamburg. Grafik: Michael Rothschuh

Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e. V. Die im Bundesfernstraßengesetz zu einer solchen Maßnahme vorgeschriebene „Anhörung der Gemeinde“ hat nicht stattgefunden. Der Verein „Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg“ beantragt deshalb bei der Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde Hamburg, die Anordnung zurückzunehmen. Es gibt noch kein Baurecht und noch kein Geld vom Bund für den Bau der A26-Ost. Aber schon ab Anfang 2025 sollen S-Bahn, Regionalbahn, ICE, Güter- und Hafenbahn im Süden Wilhelmsburgs auf „Hilfsbrücken“ verlegt werden, damit dort später die Stadtautobahn A26-Ost die Gleise unterqueren kann (WIR 7.12.23). Das bedeutet zahlreiche und lange Sperrungen und Einschränkungen der Bahnen, und birgt die Gefahr, dass der Nord-Süd-Bahnverkehr ganz zusammenbricht. Die im Fernstraßengesetz §17 vorgeschriebene „Anhörung der Gemeinde“ hat nicht stattgefunden. Die Anordnung wurde lediglich im „Amtlichen Anzeiger“ vom 2. Februar 2024 mit einem Link zu den Unterlagen abgedruckt.

Die A26-Ost ist noch lange nicht in trockenen Tüchern

• Gegen den Abschnitt der A26-Ost 6a in Moorburg laufen derzeit Klagen.
• Der Abschnitt 6b wurde gerade erst wieder öffentlich ausgelegt.
• Im Wilhelmsburger Abschnitt 6c ist mit einem Planfeststellungsbeschluss frühestens im nächsten Jahr zu rechnen.
• Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) hat angekündigt, dass neue Autobahnprojekte auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis überprüft werden. Die Kosten für die A26-Ost sind massiv gestiegen, der „Nutzen“ angesichts des ausbleibenden Containerbooms im Hafen stark gesunken.
• Im Sommer 2024 will das BMDV eine Bedarfsplanüberprüfung durchführen.
• Die Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Melanie Leonhard, will noch 2024 eine Entscheidung Hamburgs zur neuen Köhlbrandbrücke herbeiführen, die nach bisherigem Stand 5,3 Milliarden Euro kosten soll. Dafür erwartet sie einen Zuschuss des Bundes von 50 Prozent. Die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Bettina Hagedorn (SPD), hat sich deutlich zur Köhlbrandquerung und zur A26-Ost geäußert: „Man kann sich nicht beide Projekte leisten.“

Die DEGES will im Süden Wilhelmsburgs Fakten schaffen

Wochenlange Sperrungen im S-Bahn-Verkehr im kommenden Jahr sind bereits angekündigt. Mit weiteren Überraschungen ist zu rechnen. Wegen der unkalkulierbaren Bodenverhältnisse sind hier auf der moorigen Insel im Urstromtal der Elbe schon andere Projekte ins Rutschen gekommen, z. B. die U4-Haltestelle an den Elbbrücken oder die Elphi.

Die betroffenen Ämter und Bezirke wurden nicht angehört

Für einen solchen Ausnahmezustand hat das Bundesfernstraßengesetz hohe Hürden formuliert und fordert eine Anhörung der betroffenen Gemeinde. Das ist in Hamburg nicht geschehen:

• Vom Bezirk HH-Mitte ist keine Stellungnahme bekannt geworden.
• Der Bezirk Harburg wurde nicht einbezogen. Dabei wäre der Hamburger Süden in hohem Maße von den Gleissperrungen betroffen. Für die Ersatzverkehre wäre eine Koordination mit den parallel laufenden Baumaßnahmen am Harburger ZOB wichtig gewesen.
• Die Umweltbehörde ist nicht gehört worden, obwohl sie sich im Planfeststellungsverfahren mehrfach zu den ökologischen Folgen der Baumaßnahmen und zu den unsicheren Bodenverhältnissen geäußert hat.
• Die Verkehrsbehörde wurde nicht gehört.
• Die Wirtschaftsbehörde wurde trotz der zu erwartenden Einschränkungen für die Hafenverkehre nicht befragt.
• Die Abgeordneten der Bürgerschaft hatten bis heute keine Gelegenheit, sich mit der Thematik zu befassen.

Der Verein „Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg“ hat am 1.März 2024 gegenüber der Planfeststellungsbehörde diese mangelnde Anhörung kritisiert und beantragt, dass die vorläufige Anordnung zurück genommen wird, bis die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Freien und Hansestadt Hamburg als Gemeinde vollumfänglich erfolgt ist.

Quellen und Dokumente: www.zukunft-elbinsel.de

4 Gedanken zu “Bahnchaos für mehrere Jahre zu befürchten

  1. Regelmäßig leiden Wilhelmsburg und auch umliegende Stadtteile unter einem Verkehrsinfarkt. Hohes Verkehrsaufkommen auf der A1, eine Röhrensperrung auf der A7, ein Unfall auf den Elbbrücken und nichts geht mehr auf den Inseln.
    Jeden Tag schleichen im Durchschnitt 12.000 Kraftfahrzeuge über Hohe Schar und Kornweide. Auch B.d. Wollkämmerei, Georg-Wilhelm-Straße, Harburger Chaussee und umliegende Straßen leiden unter dem immensen Verkehr.
    Die niedrige Geschwindigkeit und das stetige Bremsen und Anfahren produzieren hohe Abgaswerte und Lärm, wirbeln vermehrt Feinstaub auf, alles in direkter Nähe zu Anwohnern.
    Ja, ein reduziertes und vermindertes Konsumverhalten, aber auch ein Umdenken in der Nutzung von Verkehrsmitteln, was aber nur die Bewohner Hamburgs und Pendler von und nach Hamburg beträfe, würde zu weniger Verkehr führen. Dieses Umdenken dauert aber wahrscheinlich mehr als eine Generation.
    Es hätte auch ungeahnte Folgen für den Hamburger Hafen, das Herz Hamburgs, welches eben durch den Warenverkehr schlägt. Jede gut ausgebaute Straße ist eine Schlagader für das Herz unserer Stadt.
    Ein Autobahn mit kontinuierlicher höherer Geschwindigkeit für alle Fahrzeuge, würde den Verkehr auf den Inseln und im Umland aus den Wohngebieten verbannen und zu geringeren Belastungen und Emissionen führen, selbst bei vermehrten Verkehrsaufkommen.
    Bisherige Baumaßnahmen waren zwar eine Belastung im öffentlichen Nahverkehr, wurden aber gut gemeistert. So ist das in dem Artikel beschriebene Szenario eines Stillstandes im öffentlichen Nahverkehr bei weitem übertrieben.
    Der spätere Nutzen und die Entlastung durch die A26 überwiegt und ist meines Erachtens absolut nötig und unerlässlich.

  2. Ich war auf Veranstaltungen, wo für den Hafen seinerzeit 9 Mio. Container umgeschlagen wurden. Es wurde eine Prognose bis 2025 von 32 Mio. Container gegeben. Ja so etwas macht man um in der Infrastruktur des Hafen Milliarden Projekte wie z. B. die A-26 Ost durchzusetzen. Merke die Prognose ist hoch und das Projekt kann ruhig teuer sein.

    Leider haben wir Stand 2023 nur 8,7 Mio. Container umgeschlagen. Aber egal wir bauen und versiegeln weiter. An das Klima muss man ja nicht denken.

  3. Im Prinzip hast du Recht.
    Aber: Deine Argumentation ist aber wenig stichhaltig.
    1. Die DEGES agiert im Auftrag des Bundes und ist im alleinigen(?) Eigentum des Bundes.
    2. Bundesfernstraßen werden (fast?) ausschließlich vom Bund finanziert. Auch Flächen die HH gehören, müsste die DEGES der Stadt abkaufen.
    3. Die Köhlbrandquerung (Tunnel oder Brücke) gilt als regionaler Verkehrsweg, ist also auch nicht Teil des Bundesverkehrswegeplans. Planung und Finanzierung sind grundsätzlich Sache des Landes. Allerdings hat der Bund (noch unter Scheuer) wegen der überregionalen Bedeutung eine finanzielle Beteiligung, in noch zu verhandelnder Höhe, vertraglich zugesichert.
    d.h. 4. Das das Land HH „nur“ die Köhlbrandquerung „nur“ überwiegend zu finanzieren hat. Nur der Bund ist in beiden Projekten finanziell involviert.

  4. Der Bau der Hilfsbrücken sollte, wie der gesamte Autobahnbau, sofort gestoppt werden. Die Finanzierung der widersinnigen Autobahn durch die Bundesregierung ist bis heute nicht geregelt. Angesichts leerer Kassen, müssen zunächst die Prioritäten im Bundesverkehrswegeplan neu sortiert werden. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass Hamburg zwei Monsterprojekte (Köhlbrandbrücke und A26-Ost) bezahlt werden, die zusammen vermutlich an die 10 Milliarden Euro kosten würden.

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