Gemeinsam mit jüdischen und arabischen Jugendlichen aus Israel entwickelten Schüler*innen des Helmut-Schmidt-Gymnasiums (HSG) ein Theaterprojekt zur Überwindung von Hass und Vorurteilen: „Woher kommt der Hass?” Das Projekt wurde jetzt mit dem Shimon-Peres-Preis 2023 ausgezeichnet
Hédi Bouden, Lehrer am Helmut-Schmidt-Gymnasium, hat in den vergangenen Jahren mit der Theater-AG „VTUU – Viel Theater um Uns” der Schule schon mehrere Projekte zum Themenbereich Rassismus, Antisemitismus und Antiislamismus entwickelt. Er reiste dafür auch mehrmals mit seinen Schüler*innen nach Israel. Auf einer der Reisen war auch unser ehemaliger WIR-Kollege Hannes Lintschnig dabei und berichtete (WIR 4/2919). Die Theater-AG erhielt für ihre Arbeit bereits mehrere Auszeichnungen.
„Woher kommt der Hass?”
Für das Projekt „Where Does the Hate Come From?“ („Woher kommt der Hass?”) kam 2022 eine Gruppe jüdischer und arabischer Schüler*innen aus den Städten Sderot und Rahat in Israel nach Hamburg zu Besuch. Rahat hat eine muslimische Einwohnerschaft. Die Stadt Sderot liegt an der nördlichen Grenze des Gazastreifens auf dem Land eines ehemaligen palästinensischen Dorfes, aus dem die Einwohner*innen 1948 nach Gaza vertrieben wurden. Sderot wurde in der Vergangenheit immer wieder aus dem Gazastreifen angegriffen. Vor diesem Hintergrund setzten sich die wilhelmsburger und israelischen Jugendlichen in verschiedenen Workshops mit den Ursachen von Vorurteilen und Hass auseinander. Und sie überlegten gemeinsam, welche Lösungen zu deren Überwindung es geben könnte. „Wie fühlt es sich an, gehasst zu werden?”, wird in einem Workshop gefragt. „Und wie ist es, wenn man selber hasst?” Gemeinsam mit Projektleiter Hédi Bouden und Kunstpädagog*innen mehrerer israelischer Theater erarbeiteten sie daraus die Theaterperformance „Where Does the Hate Come from?“
Der Film
Der Regisseur Martin Steimann hat das Projekt begleitet und in einem Film dokumentiert, der auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck im vergangenen November erstaufgeführt wurde. Der Film macht sehr anschaulich, mit welchem Ernst und Engagement sich die Schüler*innen auf das Projekt einlassen. Aber man sieht auch, wie schwer es ist, Tabus auszusprechen und Barrieren zu überwinden. Eine muslimische Schülerin des Helmut-Schmidt-Gymnasiums sagt: “Wir sollen für deutsche Vergangenheit einstehen, werden hier aber gar nicht als Deutsche gesehen.” „Are You killing Jews?”, fragt in einer Szene ein jüdisches Mädchen mit lauter Stimme einen Mitspieler. Und ein arabischer Junge sagt: „Das einzige, woran ich mich erinnere, ist, wo Polizisten mich geschlagen haben.” Und sowohl die Pädagog*innen als auch die Jugendlichen äußern, dass das Theater ihnen die Möglichkeit für Gespräche zwischen Deutschen und Israelis und zwischen jüdischen und arabischen Israelis eröffnet habe und ihnen geholfen habe, Vorurteile zu überwinden. Eine Pädagogin sagt, das Projekt habe etwas bewegt und werde auch die Teilnehmer*innen verändern. Und eine wilhelmsburger Schülerin meint: „Es ist schon ein spezieller Moment, wenn wir nach der Aufführung auf der Bühne stehen und uns umarmen.”
Der Film „Where Does the Hate Come From” wird am 25. April im Abaton-Kino gezeigt.
Wir wollen weiter Brücken bauen
„Where Does the Hate Come From” wurde in Hamburg und Israel mehrere Male aufgeführt. Ein Jahr nach Abschluss des Projekts griff die Hamas Israel an. In Gaza herrscht seitdem ein fürchterlicher Krieg. Sderot wurde nach dem Mord an 40 Bewohner*innen evakuiert und ist jetzt eine Geisterstadt. Versöhnungsprojekte zwischen arabischen, jüdischen und deutschen Jugendlichen scheinen in weite Ferne gerückt.
Der Shimon-Peres-Preis wird vom Auswärtigen Amt in Kooperation mit der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum im Andenken an den ehemaligen israelischen Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträger Shimon Peres vergeben. Vor zwei Wochen wurde auf zwei parallelen Veranstaltungen in Berlin und Tel Aviv den Beteiligten am Projekt „Where Does the Hate Come From” der mit 10. 000 Euro dotierte Preis verliehen. „Dieses Projekt ist derzeit eine große Ausnahme in finsteren Zeiten”, sagt Hédi Bouden. Er war aus Anlass der Preisverleihung nach Israel gereist und hat den Teilnehmer*innen des Projekts Briefe der wilhelmsburger Schüler*inen übergeben, um zu zeigen: „Wir sind noch da und wir wollen weiter Brücken bauen.”
Der Bertini-Preis
Am vergangenen Sonnabend, 27. Januar, erhielt die Theater-AG des Helmut-Schmidt-Gymnasiums außerdem den Bertini-Preis für ihr internationales Kunstprojekt “Architecture of hope”, in dem die Jugendlichen ihre Erfahrungen mit Fremdenhass und Antisemitismus darstellen (WIR 13.9.23). Der Bertini-Peis wird an Jugendliche für ihren Einsatz gegen das Vergessen, gegen Ausgrenzung und Intoleranz und für Zivilcourage vergeben. 30 Gruppen hatten sich in diesem Jahr für den Preis beworben. “Architecture of hope” wurde als eins von sechs Projekten ausgezeichnet. Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer sagte auf der Verleihungsfeier auch mit Verweis auf die aktuellen Proteste gegen die Rechtsentwicklung: „Unser Land und unsere Demokratie braucht Menschen wie euch, die sie verteidigen.”
Der WIR gratuliert der Theater-AG des Helmut-Schmidt-Gymnasiums zu ihren Auszeichnungen.