Klassentreffen im Kupferkrug nach 74 Jahren

Es gibt immer etwas zu erzählen – von damals und heute

Vier Herren und links eine Dame stehen vor einer weißen Wand. Im Hintergrund eine Metallskulptur. Lothar Langbehn, Zweiter von rechts, hält einen Stock, an dem die Zahlen 50 und 74 als silberne Luftballons befestigt sind.
Gemeinschaftsfoto mit Zahlenballons: Die 50 steht für das Abgangsjahr 1950 und die 74 für die Jahre, die seit der Schulentlassung vergangen sind. Von l. n. r.: Günter Rupnow, Manfred Krauel, Walter Bartels, Lothar Langbehn und Angelika Pasch. Foto: M. Groß

Sie wollen sich jetzt zweimal im Jahr treffen, beschlossen die vier Herren, die sich im Kupferkrug in Georgswerder trafen. Sie sind 1950 aus der Schule Rahmwerder Straße entlassen worden (WIR 11.11.23). Peter Backhausen, der sich auch angemeldet hatte, konnte leider nicht dabei sein, denn er lag im Krankenhaus. Dabei wollten ihm alle noch nachträglich zu seinem 90. Geburtstag gratulieren (WIR 18.10.23).

Schnell tauchten die Anwesenden wieder in Erinnerungen und Anekdoten von früher ein. Es ging – wie immer – auch um Lehrer Brumm. Lothar Langbehn hat ihn zuletzt vor ein paar Jahren gesehen. Er erzählte, wie Lehrer Brumm über die heutigen Schüler*innen geschimpft hätte. Und gesagt hätte, wie gut die Schüler*innen früher gewesen seien und dass sie heute “alles Flunkies” wären.

Aber in diesem Jahr ging es nicht nur um Lehrer Brumm. Angelika Pasch, die 40 Jahre lang, bis 2012, Lehrerin an der Schule Rahmwerder Straße gewesen ist, erzählte von den Lehrerinnen Fräulein Meyer und Frau Ebersbach und den Rektoren Herrn Bürgel und Herrn Schröder, an die sich auch die vier Herren erinnern konnten. Sie lud die erzählfreudigen Männer gleich herzlich zu dem neuen Wilhelmsburger Inselschnack des “Museums auf Wanderschaft” ein (WIR 15.2.24).

Dann kam das Gespräch auf die Kindheit. Die meisten waren während des Krieges aufs Land verschickt worden. Da hätten sie viel gelernt, so die Herren, aber es sei auch schwer gewesen, von der Familie getrennt zu sein. In vielen Schulen auf dem Land seien alle acht Jahrgänge in einem Raum unterrichtet worden.

Manfred Krauel erzählte, dass er dreimal die Schule wechseln musste. Lothar Langbehn musste gar neunmal die Schule wechseln. Er war in Franken, in der Nähe von Coburg, untergebracht und war dabei, wenn geschlachtet wurde, beim Wurst kochen oder wenn Brot und Kuchen im Gemeindebackhaus gebacken wurden.

Walter Bartels kam in die Nähe von Uelzen. Dort befand sich auf dem Truppenübungsplatz Munsterlager ein Pferdelazarett. Die Bauern konnten dort Pferde ausleihen. Der kleine Walter wollte auch gern ein Pferd haben, aber die Pferde waren zu groß für ihn. Die Kinder haben beim Spielen auf den Bauernhöfen auch Autos und Motorräder entdeckt, die die Bauern versteckt hatten, um sie nicht für die Aufrüstung abgeben zu müssen.

Später, nach dem Krieg, wieder zuhause in Georgswerder, haben alle vier Jungen auf der Deponie Schrott gesammelt und verkauft.

Wie immer, wenn Menschen zusammen sind, die jene Katastrophe erlebt haben, kam auch wieder das Gespräch auf die Flut 1962, zum Beispiel auf die Szenen, wie Menschen von den Dächern gerettet werden mussten. Schlimme Erinnerungen.

Sehr gern erinnerten sich die Herren hingegen an die vielen Kinos und Geschäfte, die es früher am Niedergeorgswerder Deich gab. Wenn auch keinen Supermarkt, so gibt es doch jetzt immerhin eine Bäckerei mit Café in dem Haus, in dem bis vor drei Jahren der bekannte Laden Veddel Hosen Paulsen war.

Aber die vier Herren leben auch noch immer aktiv im Hier und Jetzt. So wird Stukkateurmeister Lothar Langbehn, der in diesem Jahr seinen 89sten Geburtstag feiert, weiterhin junge Menschen in der “Jungen Bauhütte Lübeck” für Tätigkeiten im Denkmalschutz ausbilden. Er hatte zum Klassentreffen für alle ein kleines Marmorgipsmodell einer Rose mitgebracht. Und Günter Rupnow weiß immer noch genau Bescheid, wo auf der Insel welche Vögel nisten, auch wenn er nun keine öffentlichen Vogelführungen für den NABU mehr macht.

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Marianne Groß

... ist Gründungsmitglied des Wilhelmsburger InselRundblicks e. V. Sie berichtet – soweit möglich – über alles, was sie selbst interessiert und hofft, damit die Leser*innen nicht zu langweilen. Dazu gehören die Veränderungen im Stadtteil, Ökologie und Kultur. Zusammen mit ihrem Mann kümmert sie sich um den großen Garten und liebt es, Buchsbäume zu schneiden.

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