In ihrem Buch “Wohnopoly” fordert Caren Lay ein Ende der Spekulation mit Immobilien und formuliert Ideen für eine soziale Wohnungspolitik
Die Autorin von „Wohnopoly”, Caren Lay, ist Bundestagsabgeordnete für Die Linke und deren Sprecherin für Wohnungspolitik. Ihr Thema: Die großen Wohnungskonzerne haben zwar nur einen Marktanteil von ca. 12 Prozent am gesamten deutschen Wohnungsmarkt, aber vor allem im Segment ursprünglich bezahlbarer Wohnungen haben sie eine beherrschende Marktmacht und bestimmen die Mietentwicklung. Wie es aussieht, haben die Konzerne den Bogen überspannt. In vielen Städten haben sich Initiativen gegen den „Mietenwahnsinn” gebildet. Tausende sind auf die Straße gegangen und die Forderung nach Enteignung der großen Wohnungskonzerne ist mehrheitsfähig.
Schritt für Schritt zur Privatisierung
Der erste Teil des Buches ist eine Analyse der westdeutschen Wohnungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Caren Lay stellt dar, wie sich die Entwicklung der Wohnungen von der durch öffentliche Mietpreisbindung bezahlbaren Bleibe für jede:n zum Spekulationsobjekt für die Immobilienwirtschaft wie ein roter Faden durch die Gesetzgebung der letzten 60 Jahre zieht: Beginnend mit der Aufhebung der Mietpreisregulierung Anfang der 60er Jahre über die Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit 1990, den Niedergang des sozialen Wohnungsbaus bis zum Ausverkauf öffentlicher Wohnungen zu Schleuderpreisen an „Heuschreckenfonds” in den Nullerjahren. Sie benennt die Verantwortlichen und spart dabei auch ihre Partei nicht aus, die als Teil des rot-roten Senats in Berlin einstimmig den Verkauf der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW mit 65.000 Wohnungen beschlossen hatte. Der Ausgangspunkt zu den jeweiligen Schritten weiterer Privatisierung, so Caren Lay, seien aber weniger knappe Kassen und die Sanierung kommunaler Finanzen gewesen, sondern die Ideologie des freien Marktes und die Suche der Immobilienlobby nach immer besseren Renditemöglichkeiten. Caren Lay lässt die ideologisch begründete schrittweise Selbstentmachtung des Staates und den im Gegenzug immer weiter wachsenden Einfluss der Immobilienspekulant:innen auf die Wohnungspolitik deutlich werden.
Die Macht der Lobbyisten
Die Zahlen, die sie im Kapitel „Ungleiche Verhältnisse” nennt, sprechen für sich: In Berlin stehen 144 hauptamtliche Lobbyist:innen der Immobilienwirtschaft mit einem Jahresbudget von 8,5 Millionen Euro 11 hauptamtlichen Lobbyist:innen mit einem Budget von 210.000 Euro auf der Seite der Mieter:innen gegenüber. Die Zahlen sind erst seit 2022 öffentlich. Erst seitdem gibt es auch in Deutschland ein Lobbyregister. Caren Lay dazu: „Ich gebe zu: Trotz meiner langjährigen politischen Erfahrung im Bundestag habe ich mit diesem krassen Missverhältnis nicht gerechnet.” Die Zahlen und Daten werden ergänzt mit Informationen zur Bedeutung der Immobiliengeschäfte bei der Geldwäsche, bei der nach Schätzungen Milliardenbeträge aus illegalen Geschäften gewaschen werden. Außerdem zeigen anschauliche Schilderungen aus dem parlamentarischen Alttag, wie Lobbyismus praktisch funktioniert.
Vorschlägge für eine soziale Wohnungspolitik
Im letzten Kapitel macht Caren Lay Vorschläge für eine andere, soziale Wohnungspolitik. Es sind keine revolutionären Ideen: Sie fordert unter anderem die Rückkehr zu Regelungen, die es schon einmal gegeben hat: Konzepte gegen die Bodenspekulation, die auch schon einmal in SPD-Papieren standen, aber nicht umgesetzt wurden. Zudem verweist sie auf Beispiele in Nachbarländern: den schon berühmten gemeinnützigen Wohnungsbau in Wien und den Ausschluss internationaler Konzerne vom Immobilienerwerb in Dänemark. Eine andere Wohnungspolitik umzusetzen, das ist Caren Lay klar, geht nicht ohne Druck von unten. Erste Erfolge lassen hoffen, etwa der Mietendeckel und das erfolgreiche Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen” in Berlin und der Kompromiss zwischen dem Senat und der Initiative „Keine Profite mit Boden und Miete” in Hamburg. Allein der Widerstand gegen diese ersten Schritte zeigt aber auch, dass der Weg noch sehr lang ist: Gegen den Berliner Mietendeckel haben CDU und FDP mit Erfolg geklagt, Vergesellschaftung von Wohnungen lehnt Bürgermeisterin Giffey kategorisch ab. Gegen den Hamburger Kompromiss, städtische Immobilien nur noch in Erbpacht zu vergeben und 1.000 Sozialwohnungen pro Jahr mit hundertjähriger Mietpreisbindung zu bauen, läuft die Wohnungswirtschaft Sturm. Caren Lay plädiert zum Schluss dafür, dass sich Mieter:inneninitiativen und Mietervereine zusammenschließen und das Bündnis um Gewerkschaften und Kirchen und Sozialverbände verbreitern, um kampagnenfähiger zu werden. Denn vorerst verzeichnet der deutsche Immobilienmarkt 2021 noch ein neues Rekordergebnis von 113,8 Milliarden Euro Gesamtinvestitionsvolumen. „Es wird höchste Zeit, sich zu organisieren”, ist der letzte Satz. „Wohnopoly” ist das richtige Buch zur richtigen Zeit.
Caren Lay, Wohnopoly, Westend-Verlag, 160 Seiten, 20 Euro