Veranstaltung „Altersfreundliche Stadt“ im Bürgerhaus Wilhelmsburg
Die Sprecherin für Senior:innenpolitik der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion, Christa Möller-Metzger, stellte im Bürgerhaus das internationale Projekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Age-friendly-City“ (AfC) vor. Sie ist mit dem Thema, das ihr am Herzen liegt, in vielen Hamburger Stadtteilen unterwegs. Es hätten sich weltweit schon 1.400 Städte dem Programm angeschlossen; in Deutschland sei Radevormwald als erste dabei gewesen. Auch in Hamburg gebe es einen Aktionsplan, an dem die Gleichstellungsbehörde arbeite. In Hamburg sei jede:r Vierte älter als 60 Jahre. Besonders Hochaltrige nähmen zu.
Sonja Lattwesen (Die GRÜNEN), Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft für Wilhelmsburg und Veddel, und Karin Heuer, für die GRÜNEN im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel, die beide schon seit Jahren auf Wilhelmsburg wohnen, erklärten, dass für Ältere hier schon Strukturen für ein altersfreundliches Leben vorhanden seien.
Wir können froh sein, dass wir so lange leben
Christa Möller-Metzger erklärte: “Wir können froh sein, dass wir so lange leben.” Sie stellte Beispiele für altersfreundliche Einrichtungen in anderen Ländern vor. Zum Teil wurde dort das Problem schon eher erkannt. Aber auch in Deutschland gibt es beispielhafte Angebote, wie die „Nette Toilette“, ein Schild, das an Restaurants in Heidelberg zu finden ist. Das ist eine Toilette, die jede:r benutzen darf, nicht nur Gäste des Lokals.
Eine andere Möglichkeit ist der Verleih von Spielen oder Gerätschaften, die speziell auch für ältere Menschen einsetzbar sind. Diese Möglichkeit gibt es bereits in Hamburg mit der “Bibliothek der Dinge” in einigen Bücherhallen, auch auf Wilhelmsburg in der Bücherhalle am Vogelhüttendeich. Außerdem bieten die beiden lokalen Bücherhallen die FlexiBib an.
Aber es bleibt noch viel zu tun, weiß die Bürgerschaftsabgeordnete. Sie hat jetzt erreicht, dass Hamburg 240.000 Euro für „Freundschaftsbänke“ zur Verfügung stellt. Diese Bänke sind, anders als die neuen modischen Bänke, die nur eine Sitzfläche haben, mit Rücken- und Armlehnen altersfreundlich ausgestattet und stellen zudem ein niedrigschwelliges Angebot, sich miteinander zu unterhalten, dar.
Christa Möller-Metzger schlägt außerdem vor, dass Schulen, wenn kein Unterricht stattfindet, als Treffpunkte für Senior:innen geöffnet werden sollten. Häuser der Jugend könnten vormittags Treffpunkte sein. Senior:innentreffpunkte sollten immer Treffpunkte für alle sein, die Gemeinschaft suchen.
Wünsche aus dem Publikum
Die Wünsche aus dem Publikum wurden in vier Arbeitsgruppen konkretisiert: In Kirchdorf-Süd fehlt ein Raum für regelmäßige Treffen. Ein Ort zum Schachspielen wäre schön. Es muss auch Rückzugsorte geben. Muslimische Frauen treffen sich gern miteinander. Eine Idee sind Litfaßsäulen, auf denen die Angebote veröffentlicht werden*. Die Wohnungen sollten breitere Türen haben und die Häuser Aufzüge. Das falle zu oft dem Sparzwang zum Opfer. Eine altersfreundliche Umgebung ist auch gut für Jüngere.
Beklagt wurde der Zustand der Straßen und Gehwege. Stolperfallen müssen beseitigt werden. Mangelnde Straßenbeleuchtung ist ein Problem. Die Trennung von Fuß- und Radwegen ist für ältere Verkehrsteilnehmer:innen sehr wichtig. Minibusse wie Moia fahren jetzt auch in Wilhelmsburg; sie sind aber teurer als der HVV und außerdem nur digital buchbar. Viele Ältere sind von Altersarmut betroffen und vielfach nicht in der digitalen Welt** zu Hause. Eine Besucherin verwies auf die Möglichkeit in Portugal, überall um ein Glas Wasser bitten und die Toilette benutzen zu dürfen.
Bei der medizinischen Versorgung wurde der Erhalt des Krankenhauses Groß-Sand gewünscht. Einrichtungen wie die Poliklinik auf der Veddel müsste es mehr geben. Dort wird auch soziale und medizinische Beratung angeboten. Ärzt:innen sollten mehr Hausbesuche anbieten.
Zum Schluss gab es die Frage: „Wann ist man alt“? Mit 67, wenn man in Rente geht? Fest steht: Ältere werden in Zukunft wegen des Fachkräftemangels gefragt sein. Sie wissen viel und können die Jüngeren beraten. Das hilft auch gegen Einsamkeit und Altersarmut.
* Eine digitale Litfaßsäule wird im Bürgerhaus Wilhelmsburg entwickelt. Das Gerät soll perspektivisch in verschiedenen Quartieren öffentlich zugänglich sein und dient vor allem als Informations-Medium für die lokale Nachbarschaft. Nachrichten und Veranstaltungen von den Elbinseln können darauf gezeigt werden, es gibt aber auch kleine Spiele. In der Weiterentwicklung wollen die Macher:innen allerdings vor allem künstlerische Interaktion mit dem Publikum erreichen.
** Die SenKultur in der Honigfabrik bietet mittwochs von 11 bis 13 Uhr eine Sprechstunde an, in der sich Senior:innen für die Benutzung von Handys, Laptops, iPads etc. Rat holen können. Das Angebot ist kostenfrei und offen für alle!
Schade, dass ich das verpasst habe! Die Ansätze sind gut.
Allerdings: ich finde nicht, dass wir alle froh sein können, so alt werden zu können! Warum sollten wir darüber froh sein? Das ist ein hohler Spruch finde ich. Gesund und wirkmächtig ja, – nicht aber als jahrelanger Pflegefall. Das gilt jedenfalls für mich.
Trotz der vielen Altenwohnanlagen ist Wilhelmsburg mit seinen kinderreichen Familien, den vielen Schulen, den vielen Studenten (Pardon: “Studierenden”) und den vielen Restaurants im Reiherstiegviertel ein gefühlt sehr junger Stadtteil. Darum fühlen sich auch viele Alte hier wohler als in den langweilig verschlafenen Stadtteilen nördlich der Elbe.
Das Problem mit den nicht barrierefreien Häusern und Wohnungen ist in Wilhelmsburg nicht anders als im Rest des Landes. Und die Frage, ab wann man “alt” ist, kann natürlich nicht mit irgendeiner festen Altersgrenze beantwortet werden, sondern ist abhängig vom Gesundheitszustand individuell sehr unterschiedlich.
Sehr guter, positiver Artikel. Hoffen wir mal, dass einiges davon umgesetzt wird.