Entscheidungshilfe in letzter Minute

Der Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg veranstaltete am 20.9.2021 einen Wahlprüfstand im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Die Bundestagskandidat:innen Stephan Jersch (DIE LINKE), Metin Hakverdi (SPD), Sonja Jacobsen (FDP) und Manuel Sarrazin (GRÜNE) stellten sich wichtigen politischen Fragen

Uwe Schneider, CDU, hatte sich kurz vor der Veranstaltung wegen Krankheit entschuldigt.
Auf der großen Leinwand im großen Saal des Bürgerhauses wurden die Besucher:innen mit Videos begrüßt: Es wurden Filme des NABU Hamburg, des Bündnisses Verkehrswende Hamburg und des BUND Hamburg gezeigt. Die Visualisierungen der Pläne für die A26-Ost und Bilder von den Protesten gegen diesen Autobahnbau stimmten auf das Thema Verkehr und Klima ein.

Das Podium auf dem Wahlprüfstand (von links): Stephan Jersch (DIE LINKE), Metin Hakverdi (SPD), Hartmut Sauer (Moderator),
Sonja Jacobsen (FDP), Manuel Sarrazin (GRÜNE). Foto: M. Groß

Moderator Hartmut Sauer leitete die Diskussion. Er freute sich über die Möglichkeit einer Präsenzveranstaltung, in der Themen offen diskutiert werden könnten und nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt würden. Er dankte dem Beirat für Stadtentwicklung Wilhelmsburg für einen großzügigen Zuschuss zu den nicht unerheblichen Kosten einer solchen Veranstaltung.
Die neue Möglichkeit einer mitlaufenden Tonspur im Bürgerhaus wurde genutzt. Die Tonaufnahme werden auf die Website des Vereins Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg gestellt.

1. Thema: Verkehr und Klima

Malte Siegert vom NABU auf dem Podium mit Mikro vor der Power-Point-Präsentation
Input zum Thema Verkehr und Klima von Malte Siegert, Vorsitzender des NABU. Foto: Hermann Kahle

Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg, führte mit einem Impulsreferat in das Thema Verkehr und Klima ein. Seine Hauptforderung: „Es braucht weniger Verkehr und weniger Mobilität. Nur mit Weniger können wir die Klima-Ziele bis 2030 erreichen! Es gibt noch keine Alternative“.
Wasserstoff sei eine gute Technologie für Schifffahrt und Flugverkehr. Hierfür würden jedoch riesige Mengen gebraucht. Dafür gebe es noch keine Infrastruktur.
Die geplante A26-Ost sei mit Kosten von 1,8 Millionen Euro pro Kilometer die teuerste Autobahn in Deutschland. Das Geld könne man anders besser verwenden.
Der NABU fordert ein Moratorium, das heißt, den Aufschub neuer Autobahnprojekte. In der eintretenden Pause könne sich dann zeigen, wie sich die Mobilität verändert.

Manuel Sarrazin, MdB, GRÜNE, bestätigte, dass auch seine Partei ein Moratorium und eine Überprüfung der bundesweiten Straßenbau-Projekte fordere. Er wolle sich persönlich dafür einsetzen, die A26-Ost zu verhindern, aber: „Chancen sehe ich nur über eine Mehrheit im Bundestag, wenn Hamburg mitzieht. Die Aussichten, das Projekt noch zu stoppen, sind gering“. Die GRÜNEN setzen auf den Ausbau der Schiene als wesentlichen Träger der Gütertransporte aus dem Hafen. Bundesweit fordern sie einen Deutschland-Takt.

Sonja Jacobsen, FDP, widersprach ihren Vorrednern vehement: „Die A26-Ost wird für den Hamburger Hafen dringend gebraucht … Eine funktionierende Infrastruktur ist die Grundlage. Straßen machen keinen Verkehr, sondern Menschen“. Der Güterverkehr brauche Straßen und Schienen. Auf Wilhelmsburg gebe es massiven Zuzug, wesentlich mehr Menschen mit mehr Mobilität. Die FDP sei dafür, dass die A26 endlich komme. Die Wirtschaftskraft müsse gestärkt werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Metin Hakverdi, MdB, SPD, ist als Wilhelmsburger nicht glücklich darüber, dass Verkehrsprobleme der Stadt auf dem Gebiet von Wilhelmsburg gelöst werden. Er verwies aber auf den großen Verhandlungserfolg der SPD mit dem Bund über den Bau des Tunnels für die A26-Ost und weiterer Verbesserungen des Lärmschutzes für Kirchdorf-Süd. „Der Tunnel für die A26-Ost bei Kirchdorf-Süd ist ein großer Erfolg“, sagte er. Er glaube nicht an weniger Mobilität, sondern setze auf einen großen Technologiesprung.

Stephan Jersch, MdHB, DIE LINKE, befürwortet ein Moratorium: „DIE LINKE sagt nein zu der A26 und weiteren neuen Straßen. Viele Menschen leiden unter dem motorisierten Individualverkehr.“ Stattdessen müsse die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Berufspendler:innen weiter verbreitet werden. Die meisten nutzten das Auto. Das liege an zu hohen Tarifen, zu dünnen Verbindungen in die Randgebiete und schlechter Taktung. Der Beitrag der Verkehrspolitik zum Klimaschutz sei völlig unzureichend. Die Verkehrswende sei wichtig für die Klimaziele.

Publikumsstimmen

  • Es wurde auf die Schwierigkeit hingewiesen, von der und auf die Insel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen.
  • Der grüne Verkehrssenator in Hamburg ist enttäuschend.
  • Zu Frau Jacobsen: „Wenn immer mehr Verkehr nach Hamburg gepumpt wird, bringt das Verlängerung der Staus und einen Verkehrsinfarkt in der Innenstadt“. Statt der A26 braucht der Hafen eine neue Köhlbrandbrücke.
  • Trog und Tunnel für die A26-Ost sind kein alleiniges Kunststück der SPD, sondern auch Ergebnis der Bürgerbeteiligung.
  • Der Bundesverkehrswegeplan muss jetzt, nach fünf Jahren, überprüft werden.
  • Die A26-Ost entwertet das Wohnen. 12 Häuser im Katenweg würden ihr zum Opfer fallen.
  • Eine neue Autobahn ist ein Weg rückwärts.

2. Thema: Wohnen, Mieten und Stadtentwicklung

Liesel Amelingmeyer vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg führte mit einigen Zahlen und Forderungen in das Thema ein. Wilhelmsburg brauche mehr und nicht weniger geförderten Wohnraum. Der Ein-Drittel-Mix sei nicht bedarfsgerecht: „45 Prozent der Hamburger Haushalte haben Anspruch auf geförderten Wohnraum. In Wilhelmsburg sind es über 60 Prozent. Das heißt, hier sind zwei Drittel der Menschen förderungsberechtigt.“ Der Verein fordert ein Moratorium für den Erhalt aller geförderten Wohnungen in Wilhelmsburg mit Stand 31. Dezember 2021 und sofort eine Soziale Erhaltensverordnung. Das hat der Bezirk Hamburg-Mitte bisher abgelehnt.
Amelingmeyer forderte den Erhalt des Wilden Waldes am Ernst-August-Kanal. Jedes Quartier brauche eine grüne Lunge.
Weitere Forderungen sind die Verlängerung der U4 und eine Veloroute in das Reiherstiegviertel. Für alle neuen Quartiere gelte: Alle Neubauten nur mit vorab geklärter Infrastruktur.

Sonja Jacobsen sprach sich wie Amelingmeyer für Neubauprojekte nur mit vorher geregelter Infrastruktur aus. Zum Thema sozialer Wohnungsbau erklärte sie, die FDP halte die Unterstützung von Menschen mithilfe von Wohngeld für sinnvoll.

Metin Hakverdi sagte, Wohnungsbau und Verkehr dürfe man nicht gegeneinander ausspielen. Er meinte: „Wohnungsbau und Infrastruktur gleichzeitig, nicht nacheinander.“

Manuel Sarrazin forderte, dass der Bund in die Förderung von öffentlichem Wohnungsbau in den Ballungsräumen einsteigen müsse. Trotz der 10.000 bis 15.000 jährlichen Baugenehmigungen sei der Mietenmarkt nicht wesentlich entspannter.

Stephan Jersch forderte die Priorisierung von städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften. Die Bindung geförderter Wohnungen müsse wenigstens 30 bis 50 Jahre laufen, wenn sie nicht gar ganz aufgehoben würde. Bei städtischen Projekten sollten 100 Prozent geförderter Wohnraum werden.

3. Thema: Was möchte ich meinen Bundestagsabgeordneten mit auf den Weg nach Berlin geben?

Hier ging es hauptsächlich um lokale Probleme. So wurde auf die allzu eingeschränkten Entscheidungsmöglichkeiten der Bezirke hingewiesen.
Es wurde die Forderung nach Wohnungsbau auf Industrie- und Hafenflächen statt in Grünanlagen laut.

Fazit eines Besuchers: „Es wurde nichts Konkretes beantwortet. Sehr viele Dinge wurden beschönigt. Dinge, die Sch… sind wurden zu weniger Sch… gemacht. Im Hintergrund ist die Frage des Klimas: Es geht nicht, dass wir auf Technologien warten. Es ist dramatisch zu sehen, dass das Problem auf diese Art präsentiert wird. Wir erwarten ein bisschen mehr Achtsamkeit!“

Alle Parteienvertreter warben zum Schluss für ihre Partei und baten um die Wähler:innenstimmen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Marianne Groß

... ist Gründungsmitglied des Wilhelmsburger InselRundblicks e. V. Sie berichtet – soweit möglich – über alles, was sie selbst interessiert und hofft, damit die Leser*innen nicht zu langweilen. Dazu gehören die Veränderungen im Stadtteil, Ökologie und Kultur. Zusammen mit ihrem Mann kümmert sie sich um den großen Garten und liebt es, Buchsbäume zu schneiden.

Alle Beiträge ansehen von Marianne Groß →