Das Bürgerhaus Wilhelmsburg beteiligt sich als Kooperationspartner am Projekt „Erstwahlprofis“ von Haus Rissen. Darin sollen junge Menschen motiviert werden, zur Wahl zu gehen und sich auch als Wahlhelfer*innen zu engagieren
Das Projekt „Erstwahlprofis”, welches das Bürgerhaus als Kooperationspartner von Haus Rissen in Wilhelmsburg in die Praxis umsetzt, war eigentlich auf die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 ausgerichtet. Nach dem Ende der Ampelkoalition gibt es nun plötzlich Ende Februar und Anfang März im Abstand von einer Woche zwei Wahlen mit unterschiedlichen Modalitäten. Das stellt das Projekt vor neue Herausforderungen.
Am 22. und 23. November findet ein erstes „Train-the-Trainer“-Seminar statt. Die dort zu Erstwahlprofis ausgebildeten interessierten Jugendlichen können sich unterschiedlich betätigen. Zum einen könne sie sich selbst am Wahltag als Wahlhelfer*innen engagieren (für die Bürgerschaftswahl werden rund 17.000 Wahlhelfer*innen gesucht). Zum anderen – und das ist die wichtigere Aufagbe – sollen sie zusammen mit dem Bürgerhaus und z. B. Wilhelmsburger Schulen andere Jugendliche zur Teilnahme an der Wahl motivieren.
Am Anfang stand ein Schulprojekt
Das Projekt Erstwahlprofis geht zurück auf eine Unterrichtseinheit an der Stadtteilschule Stellingen im Jahr 2015, das zwei Jahre später zu diesem langfristig angelegten Projekt führte. Ziel ist es, junge Menschen für die Demokratie und das Thema Wahlen zu begeistern. „Erstwahlhelfer”, wie das Projekt bis 2022 hieß, startete zur Bundestagswahl 2017 zunächst in Hamburg und Schleswig-Holstein. Inzwischen führt das Haus Rissen die Initiative gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern in zehn Bundesländern durch.
Geringe Wahlbeteiligung bei Jugendlichen
In der Ankündigung des Bürgerhauses heißt es: „Eine Herausforderung liegt erfahrungsgemäß darin, neu eingebürgerte Wahlberechtigte für das Projekt zu gewinnen (…) In Wilhelmsburg, einem der jüngsten und am stärksten von Migration geprägten Stadtteile Hamburgs, machen auffallend wenige von ihrem Wahlrecht Gebrauch.” Nach den Zahlen der statistischen Ämter nahm die Wahlbeteiligung an der Hamburger Bürgerschaftswahl seit den Nullerjahren immer weiter ab, mit einem Tiefpunkt von 56 Prozent 2015 und einem leichten Anstieg auf 63 Prozent bei der letzten Wahl 2020. Wobei sich die „soziale Schere” auch in der Wahlbeteiligung abbildet: In den ärmeren Stadtteilen, in denen sich die Menschen nichts von den Wahlen versprechen, lag sie noch einmal deutlich niedriger. Bei den Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren, an die sich das Projekt vor allem wendet, lag die Wahlbeteiligung 2020 (nicht nach Stadtteilen aufgeschlüsselt) nur bei 53,2 Prozent.
Zwei Wahltermine im Abstand von sieben Tagen
Ein aktuelles Problem für das Projekt ist, dass die Erstwahlprofis nach der neuesten Entwicklung nicht genau wissen können, was in den nächsten Monaten auf sie zukommt. Neben der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 findet nach gegenwärtigem Stand eine Woche vorher, am 23. Februar 2025, die vorgezogene Bundestagswahl statt. Das macht die Mobilisierung kompliziert: Die beiden Wahlen haben unterschiedliche Wahlmodalitäten.
Bei der Bürgerschaftswahl sind Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt, bei der Bundestagswahl ist das Mindestwahlalter 18 Jahre. Manche jungen Menschen sollen/dürfen also zweimal, manche nur einmal zur Wahl gehen. Es werden plötzlich doppelt so viele Wahlhelfer*innen für beide Wahlen gebraucht. Ob eine Zusammenlegung der beiden Wahltermine die Sache einfacher macht, kann bezweifelt werden.
Die Erstwahlprofis müssen also in den nächsten Monaten den jungen Wahlberechtigten diese komplizierten Sachverhalte übermitteln. Wenn sie das hinkriegen, sind sie wirklich gut.
Eine Aufgabe der Demokratiebildung
Haus Rissen schreibt im Vorwort zur Projektbeschreibung: „Der politischen Polarisierung entgegenwirken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern: Das ist heute mehr denn je Aufgabe der Demokratiebildung. Gelingen kann das nur, wenn sich alle gesellschaftlichen Gruppen repräsentiert und gehört fühlen, besonders auch bei Wahlen und politischen Entscheidungen.” Das Erstwahlprofis-Projekt richtet sich, wie es in der Ankündigung heißt, an „neu eingebürgerte Wahlberechtigte”. Damit ist zumindest eine wichtige gesellschaftliche Gruppe angesprochen und repräsentiert.
Doch was ist mit den ausländischen Mitbürger*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit? Auch sie repräsentieren einen Teil der Gesellschaft, sind jedoch im Großen und Ganzen nicht wahlberechtigt (noch immer haben seit 1992 nur hier lebende EU-Bürger*innen ein Wahlrecht, und zwar nur das kommunale. Sie dürfen also in Hamburg an der Wahl zu den Bezirksversammlungen und an bezirklichen Bürgerentscheiden teilnehmen.) Logischerweise nützt also den Migrant*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit das Erstwahlprofis-Projekt nichts. Das spricht nicht gegen das Projekt – die Projektplaner*innen von Haus Rissen können schließlich nichts für den Systemfehler – , legt aber den Finger in die Wunde: Das deutsche Wahlrecht ist in Teilen undemokratisch und diskriminierend. Auf diese Problematik werden die jungen Erstwahlprofis von Jugendlichen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sicher angesprochen werden.
Weitere Infos auf: www.buewi.de