Nötig wie nie

Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Wilhelmsburg lädt die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg wieder zu einem Stolpersteinrundgang durch das Reiherstiegviertel ein. Die Erinnerung daran ist in diesem Jahr so nötig wie nie

In Hamburg wurden ab 1941 etwa 7.000 Menschen, jüdische Hamburger*innen, Sinti und Roma in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten deportiert. Nur wenige überlebten die Lager. In Wilhelmsburg erinnern Stolpersteine an diese Opfer; es waren jüdische Nachbar*innen, aber auch politisch Verfolgte. Auf dem Stolpersteinrundgang durch das Reiherstiegviertel wird an die Opfer erinnert. Darijana Hahn erzählt aus ihren Lebensgeschichten, ihrem Alltag vor Beginn der Verfolgung und von ihrem Leiden.

Erinnerung an Dr. Levy

Am Stübenplatz erinnert die Geschichtswerkstatt in diesem Jahr an den Wilhelmsburger Arzt Dr. Arthur Levy. Dr. Levy war SPD-Mitglied und engagierte sich in der Arbeitslosen-Selbsthilfe. Er spendete für die Volksküche, die während der Jahre der Weltwirtschaftskrise im Gasthof Suhr, Ecke Vogelhüttendeich/Georg-Wilhelm-Straße eingerichtet wurde. Seine Söhne besuchten das Wilhelmsburger Gymnasium. Nachdem die Praxis an der Veringstraße Nr. 20 verwüstet wurde, zog die Familie Levy auf die Veddel. Dr. Levy praktizierte dort noch eine kurze Zeit, bevor die Familie über die Schweiz in die USA emigrierte.

Die Geschichtswerkstatt recherchiert nach Dr. Levy und seiner Familie und fragt: „Gibt es noch Erinnerungen an ihn, seine Praxis oder sein soziales Engagement? Existieren eventuell  noch Fotos seiner Praxis oder sogar von ihm? Wir sind über jede Kleinigkeit dankbar und freuen uns über jede Nachricht.“

Das halbfertige Mahnmal

Eine weiße Kreidelnie über die Straße, daneben aufgemalt mit grüner und roter Kreide die Wörter Mitdenken und Nachdenken
Die Linie über die Straße ist ein Element des Mahnmals. Foto: H. Kahle

Der Rundgang beginnt in der Mannesalle 20 bei den Stolpersteinen des Widerstandskämpfers Hans Leipelt und seiner Familie. Diese Stolpersteine liegen dem alten Kriegerdenkmal hinter der Emmauskirche gegenüber. Sie sollen Bestandteil eines antimilitaristischen Mahnmals werden: Eine Installation, die eine Drehung des am Vorabend des Hitlerfaschismus errichteten Kriegerdenkmals und eine optische Verbindung über die Straße zu den Stolpersteinen vor dem Leipelt-Haus vorsieht. Die ursprüngliche militaristische Botschaft des Denkmals soll so mit den Opfern dieser Gedankenwelt konfrontiert werden.

Als erster Schritt dieser Installation wurde das Denkmal im vergangenen März vom Sockel gehoben und um 90 Grad gedreht (WIR 17.4.23). Zu der in die Straße eingelassenen Linie, die als ein Kernelement die Verbindung zwischen Denkmal und Stolpersteinen optisch betonen soll, kam es bis heute nicht. Die zuständigen Ausschüsse des Bezirks haben mit Berufung auf das Wegegesetz ihre Zustimmung für diese Linie über die Fahrbahn bisher verweigert. Immerhin können die Urheber*innen der Installation, Vera Drebusch und Reto Buser, diese Linie auf dem Gehwegteil jetzt einlassen und haben in der Hoffnung auf Genehmigung einen erneuten Antrag für die Genehmigung einer modifizierten Linie über die Fahrbahn gestellt.

Musikalisch begleitet wird der Rundgang von Lutz Cassel und Ulrich Kodjo Wendt.

Woche des Gedenkens

Der Wilhelmsburger Stolpersteinrundgang findet wie in jedem Jahr im Rahmen der Woche des Gedenkens im Bezirk Hamburg-Mitte statt. In dieser Woche vom 20. April bis 8. Mai engagieren sich Initiativen und Einrichtungen mit Stadtrundgängen, Lesungen und anderen Veranstaltungen, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. „Eine Erinnerung“, so Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer in einer Erklärung zur diesjährigen Woche des Gedenkens, „die mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen wohl leider so nötig ist wie nie.“

STOLPERSTEINRUNDGANG
Sonntag 21.04.2024 – 16:00 Uhr
Treffpunkt: Mannesallee 20, 21107 Hamburg
Bei den Stolpersteinen des Widerstandskämpfers Hans Leipelt und seiner Familie.

Der Rundgang ist kostenfrei! 
Bei Regen muß der Rundgang leider entfallen.

Kontakt: Geschichtswerkstatt 040-42 10 39 15
Mail: menk.o@honigfabrik.de

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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