Wohnungslosigkeit im Hamburger Süden

Auf Wilhelmsburg gibt es zu wenig Hilfsstrukturen

Marianne Groß/Sigrun Clausen. Auf Wilhelmsburg fallen sie nicht so auf, aber auch hier leben viele Menschen ohne Wohnung. Darunter die Allerbedürftigsten, die Obdachlosen. Davon unterscheiden sich die Wohnungslosen, die sich in Lauben, Autos, Notunterkünften aufhalten oder bei Freund:innen unterkommen (WIR berichteten).

In einer Veranstaltung der Sauerkrautfabrik in Harburg zum Thema „Obdachlosigkeit im Hamburger Süden“ berichteten die beiden Straßensozialarbeiter:innen Ricarda Brinker und Richard Luther von der Diakonie-Beratungsstelle Harburg/Wilhelmsburg von ihrer Arbeit.

Aus den Sozialsystemen herausgefallen

Links ist eine Wand mit dem Teil einer Ausstellung. Hinten mittig Plakat „Sauerkrautfabrik. Davor ein Podium mit Sesseln und Couchtisch. Hinten Rechts eine dunkle Tür. Rechte Wand Ausstellung. Davor ein Sofa und gan vorne zwei Stullehnen.
Die Sauerkrautfabrik bietet einen offenen und unkommerziellen Raum für Kultur, Bildung und Politik in Harburg . Foto: M. Groß

Betroffen von Wohnungslosigkeit sind Menschen aller Altersgruppen. Es sind fast immer Menschen, die aus dem Sozialsystem herausgefallen sind bzw. keine Leistungsansprüche haben, zum Beispiel weil sie keinen deutschen Pass besitzen. Speziell auf Wilhelmsburg stammen die Betroffenen oft aus osteuropäischen Ländern und sind, auf der Suche nach Arbeit, hierhergekommen. Das europäische Freizügigkeitsgesetz schreibt vor, dass sie innerhalb eines halben Jahres eine feste Arbeitsstelle gefunden haben müssen. Das gelingt oft nicht. Dann leben die Menschen ohne Aufenthaltsrecht hier. Diese Obdachlosen stehen in der Rangordnung sowohl gesellschaftlich als auch untereinander ganz unten.

Wenn es Hilfe und Unterstützung gibt, sind diese unterschiedlich verteilt. Beispielsweise gibt es für ältere Obdachlose eher Hilfsangebote als für jüngere. Oder Obdachlose mit deutschem Pass bekommen mehr Spenden.

Insgesamt scheint es im Hamburger Süden mehr Obdachlose als früher zu geben. Es ist aber auch möglich, dass sie einfach nur mehr gesehen werden, weil die öffentliche Aufmerksamkeit gestiegen ist.

Viel zu wenig Angebote

Ricarda Brinker und Richard Luther machten deutlich, dass es für Menschen ohne Obdach in Harburg und Wilhelmsburg viel zu wenig Angebote gibt. Das fängt bei fehlenden Wasserspendern, Möglichkeiten zum Wäschewaschen und Duschangeboten an. (Die Reiherstieg-Kirchengemeinde auf Wilhelmsburg hat im Rahmen ihres neuen Projekts „Herzhaft“ nun erstmals einen Duschcontainer installiert, WIR berichten in dieser Ausgabe). Auf Wilhelmsburg ist die Lage besonders kritisch, denn es gibt es kein Winternotprogramm und somit keine Schlafplätze für die Betroffenen. Es fehlen Tagesaufenthaltsstätten und kostenloses Essen.

Nach Ansicht der Straßensozialarbeiter:innen müsste die Straßensozialarbeit deutlich ausgeweitet werden. Viele Menschen, die aus allen Systemen herausgefallen sind, erreicht man nur durch die aufsuchende Sozialarbeit. Ricarda Brinker und Richard Luther selbst haben nur ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Wilhelmsburg zur Verfügung und hatten hier zudem bisher keinen festen Ort für Beratung (WIR berichteten).

Hinsehen hilft!

Die beiden Straßensozialarbeiter:innen schilderten auch, dass obdachlose Menschen verprügelt und mit Steinen beworfen würden. Sie appellierten an die Menschen: „Schaut hin! Obdachlose haben weniger Probleme, wenn Menschen hingucken. Wenn viele Menschen mitdenken, hilft es ein bisschen. Nutzt die Obdachlosen-Hotline, wenn jemand Hilfe braucht. Auch wenn wir gut zu tun haben: Wir freuen uns, wenn wir angerufen werden.“

Ricarda Brinker zog trotz aller Probleme ein positives Fazit ihrer Tätigkeit: „Auch wenn der Beruf schwierig ist, manchmal frustrierend und traurig, so ist er doch sinnvoll und abwechslungsreich und es gibt viele schöne Momente.“

Eine beeindruckende Wander-Ausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“ , die während der Veranstaltung in der Sauerkrautfabrik besichtigt werden konnte, wird demnächst im Infoladen in der Fährstraße gezeigt (sobald der Termin feststeht, werden WIR berichten). Bis dahin ist sie am Sonntag, 23. April von 14 bis 22 Uhr im Viertelzimmer im Münzviertel zu sehen.

Telefonnummern, die Leben retten können:

Im Notfall: 112
Obdachlosen-Hotline der Stadt Hamburg, Mo-Fr 8 – 16 Uhr: 040-42828 5000
Soziale Beratungsstelle Harburg/Wilhelmsburg, Mo, Di, Do 9-13 Uhr: 040-3095 360
Straßensozialarbeit Harburg/Wilhelmsburg: 0170-178 4063 oder 0160-9753 4466

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