Am Reiherstiegdeich soll ein vierstöckiges Mietshaus abgerissen werden, um dort nach der Erhöhung des Deiches einen sogenannten Deichschutzstreifen anzulegen – gibt es keine andere Lösung?
In das Gründerzeithaus Fährstraße 115 zog 2007 eine Gruppe von Mieter:innen ein, die nicht nur für sich Wohnungen gefunden hatte, sondern das Haus für andere Gruppen, Konzerte, Workshops, Parties und den Garten für Infocafés geöffnet hat. Dieser soziokulturelle Ansatz sollte im Jahre 2019 verstetigt werden, als die Mieter:innen beschlossen, das Haus gemeinsam mit dem Mietshäuser Sydikat (MHS) zu kaufen (WIR berichteten). Der Vermieter war einverstanden. Der Kaufvertrag wurde 2020 geschlossen, die Grunderwerbssteuer überwiesen und Kredite beantragt. Seitdem zahlen die Mieter:innen – statt ihr Geld für die Kredit-Tilgung zu nutzen – Bereitstellungszinsen und Mieten.
Wo endet der Deich?
Denn – womit niemand gerechnet hatte – die Stadt will ihr Vorkaufsrecht nutzen. Sie behauptet, der Deichfuß sei am Gartenzaun des Hauses Fährstraße 115. Das hieße, ca. 25 Meter von der sichtbaren Flutschutzmauer, die den Bürgersteig Reiherstiegdeich vom Erddeich abgenzt über die Straße hinweg, die kleine Böschung hinunter bis zum Haus Fährstraße 115. Die für das Jahr 2028 geplante Erhöhung eines Erddeiches um 80 Zentimeter würde eine Verbreiterung des Deichfußes auf beiden Seiten um jeweils 2,40 Meter (Verhältnis 1:3) erfordern. Und da steht dann das Haus im Weg und muss weg, behauptet die Stadt. Was mit dem Haus gegenüber in der Fährstraße, das der Schiffszimmerer-Genossenschaft gehört und auch der Deicherhöhung im Wege wäre, geschehen soll, ist noch nicht bekannt.
115bleibt e. V. bestreitet das Vorkaufsrecht der Stadt und hat im August 2020 Klage eingereicht
Die Mitglieder von 115bleibt sind inzwischen zu Deichbauexperten geworden und haben in der Klageschrift auf die gelebte Praxis in Hamburg und Umgebung hingewiesen. Es gäbe viele Beispiele für Alternativen zu einem reinen Erddeich beim Hochwasserschutz. Technische Bauwerke oder Kombinationen aus Erddeich und technischem Bauwerk seien überall in Hamburg entlang hochwassergefährdeter Wasserstraßen zu sehen. Dies sei an den Landungsbrücken der Fall sowie an vielen weiteren Stellen im Hafen, so z.B. am Australiakai. Dort befänden sich Spundwände und Leichtbausysteme aus Aluminium. In Wilhelmsburg gäbe es an vielen Stellen Betonwände und entlang der Elbe, zum Beispiel bei Hoopte, besteht der Hochwasserschutz aus einer Mischung aus Beton und Steinen. Auch der bestehende Deich hätte eine Spundwand an der Wasserseite und die Stützmauer an der Straßenseite.
In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Hamburg am 19. Juli kam es zu keiner Entscheidung. Der Richter empfahl Vergleichsgespräche, zu denen sich beide Parteien bereit erklärten. Aber ohne die Unterstützung und Spenden können die die Bewohner:innen das alles nicht stemmen und freuen sich über Spenden auf das Konto: Projekt 115 e.V.- IBAN: DE46430609672076035700 – GLS Bank
WIR bleiben dran.