UPDATE: Froh, dass er überhaupt noch offen ist

Der „Energiebunker“ in der Neuhöfer Straße ist nicht nur ein Prestigeprojekt der alternativen Energieförderung. Die Aussicht von seiner Plattform über weite Teile der Stadt lockt jedes Wochenende viele Tourist:innen und Wilhelmsburger:innen hinauf und wird von der Stadt selbst als „einer der besten Aussichtspunkte im Hamburger Süden“ beworben. Zudem dient er als Mahnmal für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Doch neuerdings hängt oft ein Zettel an der Tür: „Wegen privater Veranstaltung geschlossen“. Was hat es damit auf sich?

Nachdem der Bunker 60 Jahre lang ungenutzt als Kriegsruine verwitterte, baute Hamburg Energie auf Initiative der Internationalen Bauausstellung (IBA) ihn von 2011 bis 2015 als Quelle erneuerbarer Energien aus. Gleichzeitig sah das Konzept vor, an seine ursprüngliche Nutzung durch die Nationalsozialisten zu erinnern. Gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen wurde eine Ausstellung zur Entwicklung des ehemaligen Luftschutzbunkers zum Energiebunker konzipiert. Es ist jedoch nur eine sehr abgespeckte Version des Dokumentationszentrums, das sich die Geschichswerkstatt nach dreijähriger Forschungsarbeit gewünscht hatte. Denn trotz zweijähriger intensiver Bemühungen gelang es nicht, einen Träger zu finden, der (vor allem finanziell) bereit gewesen wäre, ein solches Dokumentationszentrum dauerhaft zu betreiben.

Mini-Ausstellung unter privatwirtschaftlicher Verantwortung

Reihen roter Haäuserdächer, grau-blauer Himel, im Hintergrund Kräne und Schornsteine des Hafens.
Das Weltquartier von oben. Foto: M. Groß

Auch die IBA sah sich damals als – zeitlich befristet existierende – Bauausstellung, nicht in der Lage, für den dauerhaften Unterhalt des Dokumentationszentrums zu sorgen. Stattdessen stellte sie nur Mittel für eine stark geschrumpfte Ausstellung bereit, die anschließend dem künftigen Betreiber der Bunker-Gastronomie zur Aufsicht und Pflege überlassen wurde (WIR 3/2012). So eröffnete das privat betriebene Café „vju“ 2013 in einem der vier Flaktürme unter der Voraussetzung, die öffentliche Zugänglichkeit zu Ausstellung und Aussichtplattform zu gewährleisten.

Seit dem Sommer nun schallen regelmäßig Bässe bis spät in die Nacht durch die Nachbarschaft, die Tür bleibt – auch tagsüber – für die Öffentlichkeit geschlossen. Das Café nutzt die Räumlichkeiten offensichtlich für private Parties. Vor diesem Hintergrund haben WIR uns an die Sprinkenhof GmbH, zuständige Immobilienmanagerin der Stadt, gewendet. WIR wollten wissen, ob das „vju“ eine Erlaubnis für diese Art von Nutzung hat, denn immerhin sind Millionen Steuergelder in die Sanierung und Zugänglichkeit geflossen. Außerdem geht von den Feiern eine ziemlich laute Ruhestörung aus. WIR haben gefragt, ob und unter welchen Auflagen diese genehmigt worden ist.

Froh, dass der Bunker überhaupt noch offen ist

Ein moderner Caféraum, Aussicht durch sekrechte Panoramafenster auf den blauen Himmel und die Stadt
Das Café „vju“ von innen.
Foto: IBA Hamburg GmbH, Bente Stachowske

Die Antwort ist ernüchternd: Lars Vieten, Servicebereichsleiter für Unternehmenskommunikation & Öffentlichkeitsarbeit bei der Sprinkenhof, bedauert zwar die eingeschränkte Zugänglichkeit, verweist aber auf die besonderen Herausforderungen während der Corona-Zeit für einen geregelten Gastronomiebetrieb. Die Sprinkenhof sei daher froh, dass es ihrem Vertragspartner trotz der widrigen Umstände gelungen sei, durch diese schwierige Zeit zu kommen und der Zugang zum Bunker, auch wenn dieser nicht jederzeit möglich ist, offen sei.
Außerdem höre er von der Ruhestörung zum ersten Mal und fordert einen Nachweis, „bestenfalls ein Lärmprotoll“, ein.

Ein etwa 50x50 cm großer Würfel, oben darauf ein Text, an der Seite ein QR-Code.
Infowürfel zur Geschichte des Bunkers. Foto: M. Groß

Diese Aussagen fanden WIR äußerst unbefriedigend und haben bei seiner Urlaubsvertretung nachgehakt. Frau Zuniga räumt ein: „In der Tat ist der Mieter verpflichtet, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen ein Öffnungsangebot von fünf bis sieben Stunden vorzuhalten. Zusätzlich soll ein Zugang für angemeldete Gruppen nach Absprache ermöglicht werden. Allerdings muss dem Mieter auch ermöglicht werden, den Zugang im Rahmen eines wirtschaftlichen Betriebes vorzunehmen. Die mietvertragliche Regelung ist bindend. Uns liegen bislang aber keine Anfragen vor, wonach ein Zugang nicht ermöglicht wurde. Wenn in den vorgenannten Zeiten kein Zutritt möglich sein sollte, werden wir den Mieter entsprechend auf die vertraglichen Vereinbarungen hinweisen.“ Zur Lärmesmission liege keine Beschwerde vor, so dass die Sprinkenhof auch keine Handlungsstränge daraus ableiten könne.

Nun brauchen WIR Sie!

Kontaktinformationen der Sprinkenhof GmbH

Wenn sie in den genannten Zeiten nicht auf den Bunker gehen können und/oder sich von Partylärm gestört fühlen, der von dort kommt, melden Sie sich bitte bei uns und der Sprinkenhof GmbH, damit sich dieser Zustand ändern kann. Sie können es auch bei der Meldestelle für Lärm- und Geruchsbelästigung des Bezirksamts Hamburg-Mitte unter Tel. 428 54 32 92 versuchen.

WIR haben selbstverständlich auch das Café „vju“ um Stellungnahme gebeten. WIR werden uns hoffentlich demnächst austauschen, so dass Sie hier bald ein Update finden werden.

UPDATE: Hochzeiten und menschliches Versagen

Es ist uns nun gelungen mit Volker Meier, Gesellschafter der „Pferdestall Kultur GmbH“, der „Waterkant Kaffeegesellschaft mbH“ und Geschäftsführer der „Good old Days Gastronomie UG“ und damit Betreiber des „Cafe vju“ im Bunker zu sprechen. Er erklärt, dass es tatsächlich einige Hochzeitsfeiern an Samstagen im Bunker gab, so dass das Café nicht öffnen konnte. Diese mussten wegen der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben werden und hätten sich so in diesem Spätsommer geballt. Man habe die Pärchen nicht noch länger vertrösten wollen. Was WIR nicht bestätigen können: Die Schließungen seien auf der Startseite der Homepage des Cafés angekündigt worden.

Allerdings betont Herr Meier, dass man sich in den vergangenen Jahren sehr dafür eingestzt habe, den Zugang zu Ausstellung und Aussichtsplattform auch nach Rückzug der IBA zu gewährleisten, auch über die vorgeschriebenen Zeiten hinaus. Dabei seien verschiedene Modelle probiert worden. Aber: „Sobald die Tür offen ist, sind wir verantwortlich.“ In der Vergangenheit hätten Jugendliche Stühle und Tische vom Bunker geworfen, lebensgefährlich für Parkbesucher:innen. Deshalb sei es nicht möglich, außerhalb der Café-Öffnungszeiten den Bunker zu betreten.

Die Lärmbelästigung, die von den Parties in diesem Sommer ausgegangen sind, kann Herr Meier so nicht verstehen, schließlich sei es ja ein Bunker mit dementsprechend dicken Wänden (WIR haben ihn darauf hingewiesen, dass das Café lediglich eine Glasfassade hat). Lediglich zweimal sei es aufgrund menschlichen Versagens dazu gekommen: Einmal habe ein DJ die Boxen nach draußen gestellt, ein weiteres Mal wurde die Tür blockiert. Beides sei wohl wegen der Hitze passiert.

In Zukunft sollte es weder zu Terminkonflikten an Wochenenden noch zu Lärmstörungen kommen, beteuert Herr Meier. Wenn doch, sollen sich Betroffene unbedingt melden. Eine zentrale Nachtnummer konnte er allerdings (noch) nicht nennen. Die Website der Stadt nennt folgende Kontaktdaten: E-mail: info@vju-hamburg.de, Tel.: 015758553706.

4 Gedanken zu “UPDATE: Froh, dass er überhaupt noch offen ist

  1. Auch wir wurden schon vom Personal des vju der Dachterrasse verwiesen – dabei kann man ja durchaus die Aussicht genießen ohne eine Feier im Café zu stören.
    Falls dies wieder passiert weiß ich nun dass ich mich dem eigentlich nicht beugen muss.

    1. > Falls dies wieder passiert weiß ich nun dass ich mich dem eigentlich nicht beugen muss.

      Dem würde ich abraten. Ich habe kürzlich eine ähnliche Erfahrung gemacht, als ich sah, dass die Tür offenstand. Zwar stand unten auf einem Schild, dass es sich um eine geschlossene Gesellschaft *im* Bunker handelt aber ich wollte ja nur auf die Terrasse. Dort wurde ich sehr unfreundlich und grob empfangen und sofort des Platzes verwiesen.

  2. Hey, so wie ich den Artikel von Jenny Domnick verstehe, wird als politisches Druckmittel die Beschwerde über die Lautstärke des Clubs propagiert. Um die gedenkstättenpraxis der sprinkenhof ag zu kritisieren (also die Privatisierung von Gedenkstätten, wie auch bei den stadthöfen geschehen. Das ist fragwürdig, weil ihr damit eine Denunziationspraxis fordert, die nichts mit der Problematik zu tun hat. Und ich finde es hart, dass so ein Artikel bei euch durchrutscht. Clubs machen Lautstärke, das kann nerven, aber scheinbar nicht so stark, wie von der Autorin gewünscht. Sehr fragwürdig finde ich eure Ausrichtung bei diesem Thema.

    1. Lieber Björn,
      der Artikel ist uns nicht durchgerutscht, alle Mitglieder der Redaktion haben ihn sorgfältig gelesen. Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor: Wir sehen zwei Probleme mit der derzeitigen Art des Betriebs im Bunker: Erstens die Privatisierung von Gedenkstätten durch die Sprinkenhof und zweitens die Lärmbelästigung in einem Wohngebiet (das Café ist kein zugelassener Club). Es tut mir leid, wenn das nicht verständlich rüber gekommen ist. Vielleicht ast Du ja eine Idee, wie das besser gelingen könnte?
      Viele Grüße
      Jenny Domnick

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Jenny Domnick

Als freiberufliche Texterin und gesellschafts-politisch aktive Person ist sie viel im Internet unterwegs, unternimmt aber auch gerne Streifzüge am und im Wasser. Wenn's pladdert, müssen ihre Freund*innen als Testesser*innen für ihre Hobby-Kochkünste herhalten.

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