Die Sanierung der demolierten Freihafenelbbrücke geht nur im Schneckentempo voran. Gegenüber wird auf der Elbtower-Baustelle mit Hochdruck gearbeitet. Für den Bau des umstrittenen 245-Meter-Wolkenkratzers werden damit Fakten geschaffen
An den Elbbrücken liegen zwei Baustellen in unmittelbarer Nachbarschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Freihafenelbbrücke wurde Ende Januar bei einer Havarie des Baggerschiffs „Lemsterland” an tragenden Teilen schwer beschädigt und ist seit mehr als zwei Monaten für den Autoverkehr gesperrt. Nachdem in der Öffentlichkeit Klagen über die mangelnde Baustellenplanung in Hamburg laut geworden waren, reagierte die Koordinierungsstelle für Baustellen in Hauptverkehrsstraßen (KOST) mit einer Pressemitteilung. Darin berichtete sie über den gegenwärtigen Stand der Sanierung der Brücke: Die Koordinierungsstelle habe Ende März zu dem Thema getagt und ein Instandsetzungskonzept vorgelegt. Nun sei eine Firma mit der Ausführung beauftragt worden.
Seit Anfang April steht ein einsamer Kompressor auf der Brücke, daneben liegen abgeflexte Stücke des verbogenen Querträgers.
Ende Mai sollen die Arbeiten „voraussichtlich” abgeschlossen sein und die Brücke für den Verkehr wieder freigegeben werden. Bis dahin würden die für den März vorgesehenen Sanierungsarbeiten auf der A255 verschoben, weil die Freihafenelbbrücke als Ausweichroute wichtig sei.
Das „wankende Konstrukt” Elbtower
Nur einen Steinwurf von der gesperrten Freihafenelbbrücke entfernt ist die Elbtower-Großbaustelle. Hier wird seit Anfang des Jahres mit Hochdruck gearbeitet. Auf der Grundlage einer Teilbaugenehmigung werden auf dem Baufeld für die Gründung des Gebäudes Wände 50 Meter tief in die Erde getrieben und man kann beim Versenken von 63 Gründungspfählen – mit 75 Metern Länge und zwei Metern Durchmesser – zusehen. Sie sollen einmal den 245 Meter hohen Wolkenkratzer tragen. Der Haken ist: Der Elbtower, Lieblingsprojekt des ehemaligen Bürgermeisters Scholz, ist bekanntlich höchst umstritten. Erst vor wenigen Wochen geriet er wieder in die Schlagzeilen. Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeld hatte die Baugenehmigung für den Elbtower erteilt, ohne Bürgerschaft und Senat zu informieren. Diese erfuhren es aus der Zeitung. Ein Skandal, weil nicht nur die Opposition, sondern auch mehrere SPD-Politiker:innen gravierende Vorbehalte gegen den „Scholztower” haben: wegen der voraussehbaren Verschandelung des Stadtbildes, der Überflüssigkeit einer weiteren großen Büroimmobilie und wegen des verbreiteten Zweifels an der Seriosität der Signa Real Estate Gruppe des Investors Benko. Dem österreichischen Milliardär René Benko, unter anderem wegen seiner windigen Steuersparmodelle und als Heuschrecken-Investor berüchtigt, gehört inzwischen die halbe Hamburger Innenstadt. Um sich gegen Benko abzusichern, ließen SPD und Grüne 2019 eine Vorvermietungsquote von 30 Prozent als Bedingung für die Grundstücksübergabe Ende diesen Jahres in den Vertrag aufnehmen. Gleich die erste und bisher einzige Mieterin, die Hamburg Commercial Bank (HCOB), ist schon ins Gerede gekommen. Es besteht der Verdacht, dass die Signa Real Estate das alte Landesbankgebäude, bisher Sitz der HCOB, für einen weit überhöhten Preis gekauft und damit praktisch die Miete für die Bank für lange Zeit vorausbezahlt habe. So dass es sich also um eine Scheinvermietung handele. Linkspartei und CDU haben jetzt erfolgreich Akteneinsicht in diese Vorgänge gefordert. Der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber spricht in der Presse von dem Projekt als von „einem wankenden Konstrukt” und äußert zu Benko: „Man darf als Stadt fragen, ob man mit so einem Mann Geschäfte machen will.”
Es ist also noch nicht ganz sicher, ob der Elbtower am Ende wirklich gebaut wird oder Hamburg von diesem überflüssigen Wolkenkratzer verschont bleibt. Mit den umfassenden Arbeiten an der Gründung werden allerdings wieder mal Fakten geschaffen. An der Nachbarbaustelle auf der alten Freihafenelbbrücke kann man von derart zügiger Verrichtung nur träumen.