Unsere Lesetipps für den Sommer – Teil 2

Weiter geht’s mit unseren Lesetipps für schöne Lesestunden an schönen Orten

Auch diese Bücher, sofern sie als [Gewinn] gekennzeichnet sind, verlosen WIR unter den Rätseleinsender*innen seit Januar 2025! Schreibt gerne dazu, welches Buch euch besonders interessiert. WIR versuchen, den Wunsch zu berücksichtigen.

Stromlinien

Mysteriöse Vorfälle im Alten Land

Chris Meyer. Das chaotische Leben der Zwillingsschwestern Jale und Enna im Marschland steht im Mittelpunkt dieses Familiendramas. Auch in der Naturidylle ist man nicht gefeit vor den Gefahren des Lebens. Rebekka Frank erzählt von dem Warten der Hauptfigur auf die Freilassung ihrer Mutter aus dem Gefängnis und von einem verschwundenen Boot. Auf der Suche nach ihrer verschwundenen Mutter und Schwester durchkämmt Enna das Alte Land und merkt gar nicht, dass diese Reise sie für immer verändern wird. Dieser hochspannende Krimi ist voller mysteriöser Vorfälle, die erst nach und nach aufgeklärt werden.

Rebekka Frank, Stromlinien, Fischer Verlag, 502 Seiten, 24 Euro [Gewinn]

Kein Zufall

„Die Urgroßmutter sah streng über ihre Brille und sagte: ‚Friss, Vogel, oder stirb‘“

Marianne Groß. Auf 226 Seiten erzählt Elke Heidenreich 189 Geschichten. Nach der ersten über ihre Vorfahren „Friss, Vogel, oder stirb“ geht es im Alphabet weiter von „Allein“ bis „Zufall“ und schließt mit „Alles kein Zufall“. Das sind kurze Geschichten über die Autorin selbst und über andere Menschen, lustige Beobachtungen und skurrile Erlebnisse. Elke Heidenreich erzählt von sich, von Freund*innen und Feind*innen, von Liebe und Streit, von Begegnungen und Trennungen, von Müttern und Kindern, von Tieren, Büchern …

Ein Beispiel: HOTEL II. Hinweis in einem New Yorker Hotelzimmer: „Wenn Sie bei uns nicht schlafen können, schimpfen Sie nicht auf unsere bequemen Betten, sondern prüfen Sie erst einmal Ihr Gewissen.“

„… offen bis zur Schmerzgrenze, oft komisch, manchmal melancholisch und immer pointiert. Eine grandiose Liebeserklärung an das Leben mit all seiner Tragik und Schönheit.“ Meike Schnitzler, BRIGITTE

Elke Heidenreich, Hanser, 233 Seiten, 19,90 Euro [Gewinn]

„Sie können Licht essen. Ist das nicht genug?“

In ihrem Sachbuch „Die Lichtwandler“ berichtet die Wissenschaftsjournalistin Zoe Schlanger von neuen, faszinierenden Erkenntnissen über das Leben von Pflanzen. Gleichzeitig skizziert sie den aktuellen Forschungsstand und die Konflikte in den gegenwärtigen botanischen Wissenschaften

Sigrun Clausen. Für Pflanzenliebhaber*innen und jene, die das Gras wachsen hören, ist dieses Buch ein einziges „Hab-ich’s-doch-geahnt“. Alle anderen werden einfach nur staunen. So oder so: Wer dieses Buch gelesen und auch nur einen winzigen Riss in der Versiegelung des Herzens hat, wird danach alles, was um uns herum wächst, sprießt, grünt, ausschlägt, blüht, rankt, schießt, samt, wuchert anders wahrnehmen.

Dass Tiere viel, viel mehr Fähigkeiten, Eigenschaften und autonome Handlungsspielräume besitzen, als wir Menschen ihnen über lange Jahrhunderte zubilligen wollten, ist mittlerweile eine anerkannte Tatsache – in den Wissenschaften ebenso wie in der Gesellschaft, wo es sich als Schwarmwissen immer weiter verbreitet.

Dass aber auch Pflanzen aktive Lebewesen sein könnten, mit Fähigkeiten, Eigenschaften und autonomen Handlungsspielräumen – das kommt bis heute kaum jemandem in den Sinn; die einzige Ausnahme bilden Bäume und Wald (was oft genug auf einem sehr deutschen Phänomen aus der Zeit der Romantik basiert, das mehr mit Projektion als mit Erkenntnis zu tun hat).

Den meisten von uns sind Pflanzen als Lebensform einfach sehr fremd. Pflanzen sind manchmal hübsch anzusehen, wir widmen uns ihnen im Sinne der Ästhetik, wir wissen, dass sie eine unverzichtbare Nahrungsgrundlage für Mensch und Tier darstellen und haben auch gelernt, dass sie gute Luft machen und CO2 speichern. Aber was Pflanzen eigentlich „tun“ oder gar „sind“, darüber wissen wir nur sehr wenig. Es übersteigt unser Vorstellungsvermögen und deshalb lassen wir es links liegen.

Zoe Schlanger schildert in ihrem Buch zunächst diese mindere Aufmerksamkeit für Pflanzen und wie sie sich im wissenschaftlichen Bereich widerspiegelt. Sie berichtet, dass die Botanik auch in der Biologie zumeist ein Schattendasein fristete, das sich in der beschreibenden Erfassung der Arten und in der Rekonstruktion der chemisch-physikalischen Abläufe in Pflanzen erschöpfte. Sie erzählt von Charles Darwin, der sich in seinen späteren Forscherjahren fast ausschließlich mit dem „Verhalten“ von Pflanzen beschäftigt hat und von da an von seinen Zeitgenoss*innen nicht mehr so richtig ernst genommen wurde. Sie berichtet auch von einem desaströsen Ereignis zu Beginn der 1970er-Jahre, das dem Bereich der Erforschung von Pflanzenverhalten „beinah für immer den Garaus gemacht hätte“. Zwei Wissenschaftler brachten ein Buch heraus, in dem sie unter anderem behaupteten, Pflanzen könnten fühlen und hören, würden zum Beispiel auf unterschiedliche Musik reagieren. Das Buch feierte zunächst große Erfolge, was sicherlich mit der Vermenschlichung der Pflanzen zu tun hatte. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Forschungen unsolide und unseriös waren und keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhielten. Danach, so berichtet es Schlanger, traute sich jahrzehntelang kein*e Botaniker*in mehr auf dieses heikle Feld der Pflanzenforschung.

Erst langsam und äußerst vorsichtig wagen sich die Wissenschaftler*innen wieder auf das Gebiet des Pflanzenverhaltens vor. Was sie dort finden, beschreibt Zoe Schlanger in ihrem Buch. Es sind manchmal geradezu revolutionäre Entdeckungen, die alles auf den Kopf stellen, was Forscher*innen, Naturschützer*innen, Bäuerinnen*Bauern, Förster*innen und Gärtner*innen bisher über Pflanzen zu wissen glaubten. Dabei reflektiert Schlanger auch die Schwierigkeit, das Vorgefundene in passende Worte zu fassen, ohne in die Falle der Vermenschlichung zu tappen.

Man spürt die Leidenschaft der Journalistin für ihren Gegenstand – was eine große Lesefreude macht – dennoch bleibt sie wohltuend sachlich, stets fragend und sich vergewissernd, und eben ohne eine unangenehme Vermenschlichung der sprießenden Geschöpfe.

Zoe Schlanger, Die Lichtwandler, S. Fischer, 443 Seiten, 28 Euro

Pakt gegen die Unrast

Leonard und Paul“ ist die Geschichte zweier junger Männer, in deren Leben wenig passiert und die damit restlos zufrieden sind

Hermann Kahle. Der Roman „Leonard und Paul“ des irischen Autors Rónán Hession ist in gewisser Hinsicht ein hochaktuelles Buch. Der Autor beschreibt über 300 Seiten den Alltag von Menschen, die ein entschleunigtes Leben führen, als wäre es das Normalste von der Welt.

Die beiden Hauptfiguren sind zwei introvertierte, etwas skurrile Männer Anfang dreißig, seit langer Zeit beste Freunde. Leonard lebt allein im Haus seiner verstorbenen Mutter und arbeitet als Ghostwriter von kleinen Sachtexten für Kinderlexika. Paul wohnt bei seinen Eltern, verdient etwas Geld als Aushilfspostbote und beteiligt sich an einem Wettbewerb der örtlichen Industrie- und Handelskammer um eine neue passende Grußformel für Emails.

Die beiden Freunde treffen sich häufig, spielen Brettspiele und philosophieren über Gott und die Welt da draußen: Paul beklagt den Niedergang des guten Ausdrucks seit der Ablösung der Briefe durch Emails. Leonard hadert mit der hochprofessionalisierten Wissensindustrie, die Kinderlexika aus der Retorte produziere. Er arbeitet heimlich an einem Buch über die Römer aus der Sicht eines Kindes. Ihre Beziehung sehen sie als „einen Pakt gegen die Unrast und Achtlosigkeit, die den Rest der Welt umfasst“. Auch den kleinen Dramen in ihrem Alltag begegnen sie mit stoischer Ruhe und freundlicher Bescheidenheit. Der in Liebesdingen gänzlich unbeholfene Leonard verliebt sich in seine Kollegin Shelly – „Schaun wir mal“, sagt Shelly nach der ersten zarten Anbahnung ihrer Beziehung. Paul nimmt eher durch ein Missverständnis eine Stelle als Öffentlichkeitsarbeiter des Pantomimenverbands an. Er soll der aussterbenden Kunst der Pantomime wieder mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Als erste Aktion gründet er den „Club der Stille“, denn, so erkennt er: „Die Kraft der Pantomime liegt in ihrer Fähigkeit, die Stille in uns zu berühren.“ In der Einladung zur ersten Sitzung des Clubs schreibt er: „Eine Stunde sitzen und schweigen“ und schließt mit der neuen Grußformel, mit der er den Email-Wettbewerb gewonnen hat: „Es wird empfohlen, Obiges zu beachten“.

Rónán Hession beschreibt den Alltag seiner freundlichen, etwas schrulligen Figuren humorvoll und manchmal mit skurrilem Witz. Der Roman wurde in Irland und England mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Wer sich auf die Geschichte einlässt, bekommt schon nach wenigen Seiten etwas von der Entschleunigung ab.

Rónán Hession, Leonard und Paul, Verlag Woywod und Meurer, 315 Seiten, 26 Euro [Gewinn]



Buch-Empfehlungen aus der Bücherhalle Wilhelmsburg

Romane

Shafak, Elif: Die Heilige des nahenden Irrsinns
ISBN 978-3-0369-6187-3
Als der junge Omar in Boston eintrifft, versucht er seinen Platz zwischen Zugehörigkeit, Tradition und Veränderung zu finden. Er begegnet dabei der Amerikanerin Gail mit der er gemeinsam kulturelle Grenzen aufbrechen kann.

Swanberg, Johanna: Sommer ohne Plan
ISBN: 978-3-01928-5
Die Restaurantmanagerin Cassi zieht nach einem Burn-out kurzerhand in eine Waldhütte. Im nahe gelegenen Dorf kommt das kuriose Missverständnis auf, sie sei ein Selbsthilfe-Guru und Cassi beschließt mitzuspielen und sich endlich einmal der Planlosigkeit zu ergeben.

Rämö, Satu: Hildur – die Spur im Fjord
ISBN 978-3-453-42817-1
Der erste Fall für Islands wagemutige Ermittlerin – zwischen Mord und Surfen an der rauhen isländischen Küste.

Hammad, Isabella: Enter Ghost
ISBN 978-3-630-87742-6
Der gefeierte Roman handelt von der Rückkehr einer Schauspielerin nach Palästina und portraitiert die Beziehung zwischen Kunst, Politik und Familie in einem Land, das nicht zur Ruhe kommen kann.

Bronsky, Alina: Pi mal Daumen
ISBN 978-3-462-00425-0
Die Bestseller-Autorin erzählt die Geschichte einer schillernden Freundschaft von zwei Außenseitern, die verschiedener nicht sein könnten. Ausgezeichnet als Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen 2024!

Gundar-Goshen, Ayelet: Ungebetene Gäste
ISBN 978-3-0369-5063-1
Nur einen Moment hat Naomi nicht auf ihren einjährigen Sohn Uri aufgepasst und ein schlimmes Unglück geschieht. Mit psychologischem Geschick entspinnt sich in diesem Roman ein Drama um Verantwortung, Moral und Vorurteile.

Sachbuch

Von Suffrin, Dana: Wir schon wieder: 16 jüdische Erzählungen
ISBN 978-3-498-00731-7
Dieser Band versammelt Erzählungen und Essays von prominenten Autor*innen wie Maxim Biller, Adriana Altas, Elfriede Jelinek usw. und beleuchtet, was sie bewegt zwischen jüdischer Sozialisierung und deutscher Mehrheitsgesellschaft.

Kinderbücher

Ottenschläger, Madlen / Reich, Stefanie: Otto fährt los – ein Sommer in den Bergen
ISBN 9783845859187
Ein neues Ferienabenteuer mit Campingbus Otto. Diesmal reist er mit seiner Urlaubsfamilie durch die Berge Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Das perfekte Bilderbuch für Outdoor- und Vanlife-Fans ab 4 Jahren.

Bertram, Rüdiger / Hellmeier, Horst: Alles safe : ein Comic-Abenteuer
ISBN 978-3-7641-5286-4
Flo ist vorsichtig – sehr vorsichtig. Deshalb packt er auch für die Urlaubsreise in die Berge einen riesigen Notfallrucksack. Zum Glück… Wenig Text, viel Witz, leicht lesbar. Ab 7 Jahren.

Brandis, Katja: Windwalkers: Verborgene Flügel
ISBN 978-3-401-60795-5
Die junge Wolfs-Wandlerin Sierra startet am Gestaltwandler-Internat Redcliff High, wo sie Freundschaften schließt, geheimnisvollen Vorkommnissen nachgeht und eine überraschende neue Tiergestalt in sich entdeckt. Spannender Auftakt einer neuen Fantasy-Reihe für Kinder ab 10 Jahren.


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Sigrun Clausen

Wenn sie nicht am Nachbarschreibtisch in ihrer Schreibstube arbeitet oder in der Natur herumlungert, sitzt sie meist am Inselrundblick. Von ihm kann sie genauso wenig lassen wie von Wilhelmsburg.

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